FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Haus gefaltet aus einem 100€-Schein

Pixabay / CC0

mit akzent

Todor gibt seiner Freundin nicht die Schuld an der Inflation

Todor trifft eine alte Bekannte auf der Straße. Sie arbeitet jetzt bei einer Bank, kann aber nichts für die aktuellen Teuerungen.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Ich habe G auf der Straße getroffen. Wir haben einander über zehn Jahre nicht gesehen und wir freuen uns. Sie sieht gut aus und wohnt nicht weit von mir entfernt. Wir wundern uns, dass wir uns erst jetzt treffen. Gehen wir nicht in den gleichen Parks spazieren, kaufen wir nicht in den gleichen Geschäften ein, gehen wir nicht auf die gleichen Konzerte? G zuckt nur mit den Schultern, so, als ob sie keine Zeit für Spaziergänge und Konzerte hätte. Ich frage sie, was sie arbeitet. Sie sagt irgendwie schüchtern, dass sie eine nicht so niedrige Position im Finanzsektor hat.

Ehrlich gesagt hatte ich nie eine Ahnung von Finanzen. Meine Kenntnisse reichen so weit, dass ich versuche, am Ende des Monats alle Rechnungen zu begleichen. Mein Budget ist immer wieder eher „restriktiv“ als „ausgeglichen“. Ich versuche darüber zu scherzen und sie meint, sie sei nicht daran schuld. Ich habe bisher nie gedacht, dass die Leute aus der Finanzbranche an meiner finanziellen Situation schuld seien. Ich bin nicht wie ein Filmheld, der glaubt, dass Banken an allem Übel schuld seien, und sich dann entscheidet, Bankräuber zu werden.

FM4 Podcast Mit Akzent (Mitakzentpodcast)

Radio FM4

Mit Akzent gibt es jede Woche auch als Podcast.

Ich erzähle das G und sie blickt mich erleichtert an. Sie meint, dass sie jeden Tag jemanden trifft, der glaubt, dass sie bei einer Bank arbeitet, sie beschuldigt, dass der Käse im Supermarkt teuerer geworden ist und dass Menschen wie sie der Ursprung des Bösen seien. Ich frage sie, wie viel Geld ihr täglich durch die Hände geht. Einige Millionen, sagt sie ohne nachzudenken.

In meinem Kopf spielen sich wieder Szenen ab von Menschen mit Pistolen, die eine Bank ausrauben und Säcke mit Geld hinaustragen. Ich kann aber leider weder schießen noch Auto fahren, um die Beute in Sicherheit zu bringen. Was mache ich außerdem mit so viel Geld? Mir eine Villa auf den Bahamas kaufen? G kann durchatmen, ich werde sie wohl nicht als Insider für ein Überfall verwenden. Außerdem erzählt sie mir, dass sie nie mit Bargeld zu tun hat. Jetzt tut sie mir leid. Sie ist wie eine, die ständig badet, aber kein Wasser trinken kann. Sie braucht mein Mitleid.

Sie meint, dass sie ständig auf jemanden trifft, der meint, sie sei ein unermüdlicher, gieriger, böser Blutegel, der an der Menschheit saugt. G hat keine Yacht in Monaco. Noch nicht. Ich sage ihr, sie soll mich anrufen, sollte sie sich eine Yacht in Monaco anschaffen. Dort könnten wir den Überfall besprechen. G lacht und unsere Wege trennen sich. Wir sehen einander bestimmt nicht bald wieder. Hoffentlich wird wenigstens der Käse in der Zwischenzeit wieder billiger.

Aktuell: