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Publikum beim Nova Rock

Chris Stipkovits/Radio FM4

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So war der finale Tag am Nova-Rock 2022

Mit Blasmusik und Billy Talent ging das Nova Rock 2022 nach vier langen Festivaltagen zu Ende. Ein Rückblick auf den Abschluss-Tag.

von Xaver Stockinger

Da steht man also wieder, am letzten Nova-Tag und hört böhmische Blasmusik. Dort, wo am Vorabend noch die intellektuelleren Atzen Deichkind hemmungslos auf die 808 gedroschen haben, gibts - gemäß jahrelanger Nova-Tradition - am Beginn des Abschlusstags Lederhosen- und Grillhendl-Vibes von der lokalen Blaskapelle. Man erinnert sich, dass man ja doch im tiefsten Burgenland steckt und, dass das Nova-Rock im Grunde ja nichts anderes als ein riesengroßes Volksfest ist. Aber bei welcher Blaskapelle wird schon crowdgesurft?

Wer sich am letzten Nova-Tag zu den Klängen von Wendis Böhmischer Blasmusik über die stechende Mittagssonne aufregt, der hat vielleicht schon wieder vergessen, wie es noch drei Tage zuvor, zum Festivalbeginn hier aussah. Schwere Wolken und starker Regen machten die Pannonia Fields zur Schlammlandschaft. Staus bei der Anreise, Konzert-Absagen und das Träumen von Gummistiefeln prägten den Start des heurigen Nova-Rocks. Nach zwei Tagen ließ sich jedoch die Sonne blicken und es wurde richtig heiß. Die Gatsch-Meere begannen auszutrocknen, mit dem Ergebnis, dass sich am letzten Nova-Tag pannonischer Staub in tausende Augen, Nase und Ohren fraß.

Vielen Fans auf der Red Stage war der Dreck in der Luft am Abschlusstag vermutlich egal. Bandanas über Mund und Nase waren die adäquate Kleidung bei Rap-Acts mit ACAB-Attitüde wie Mal Élevé oder Greeen. No face, no case, no dust in my lungs. Ein ähnlich gemischtes Verhältnis zu Staat und Polizei pflegt seit jeher die deutsche Punkband WIZO. Ihr Auftritt versprühte komplett destruktive, aber genauso komplett herzliche Energien - zu sehen etwa an den riesigen Circle-Pits während ihres Punk-Covers von „Pipi Langstrumpf“. Es waren Momente wie diese am letzten Tag, in denen Musiker*innen & Crowd die vergangenen zwei Jahre vergessen machten.

Aus dem Mittelalter direkt auf die Bühne gebeamt haben sich die Schweizer Eluveitie. Mit Harfen, Dudelsack und Doublekicks wurde eine keltische Eiszeit heraufbeschworen. Zwischen brutalen Screams spielte Frontman Chrigel Glanzmann auch immer wieder süße Melodien auf seiner kleinen Metallflöte. Schwer hing der Lederkilt vom Dudelsackspieler, und schwer stapften die Füße der Fans im ersten Wavebreaker.

Die Band mit dem wohl allerbesten Namen spielte wenig später auf der Red Bull Stage. Minisex haben dort, 44 Jahre nach ihrer Bandgründung gleich mehrere Generationen Fans vereint, und auch musikalisch sieht sich die Gruppe als Verbindungsstück: „Wir sind der Missing Link zwischen Peter Alexander und Daft Punk.“, erklärte uns Sänger Rudi Nemecek zuvor im FM4-Interview. Für ihr Live-Set am Nova-Rock haben Minisex ihren Songs ein härteres, abgerockteres Kleid übergezogen. Das Publikum war top entertained. Ältere Semester eher aus nostalgischen, jüngere vermutlich aus ironischen Gründen – bietet sich doch durch eine Altherren-Kombo namens Minisex, die new-wavigen Songs mit Titeln wie „Rudi gib acht“ oder „Du kleiner Spion“ spielen, ein ziemlich hoher Originalitäts-Faktor. Das bedeutet also „gut gealtert“.

Dass so ein tagelanges Festival zwischen Morast und Staub ordentlich Kraft kostet, nicht jede*r die vollen vier Tage aushalten kann und/oder will, zeigt sich auch bei der Aufbruchstimmung vieler Besucher*innen, die schon am Sonntag Nachmittag einsetzte. Die ersten Zeltnägel wurden aus dem Boden gezogen, die ersten Pavillons feierlich demoliert. Kleine Massen ausgelaugter, von der Sonne verbrannter Menschen machten sich wieder auf den Weg, zurück in die Zivilisation. Wer noch dablieb wurde zum Schluss allerdings belohnt:

Als gegen halb neun die Sonne hinter der Bühne verschwunden ist und der Himmel orange brannte, betraten Billy Talent die Blue Stage. Für viele Nova-Besucher*innen Ende 20 hat die kanadische Rockband den Soundtrack zur Pubertät geliefert. Und auch am letzten Nova-Abend haben Billy Talent bei dem einen oder der anderen mit Sicherheit wieder ein jugendlicher Pickel sprießen lassen. Neben Nummern vom neuen Album Crisis of Faith war der Auftritt eingebettet in altbekannten Hits. Devil In A Midnight Mass und This Suffering eröffneten das Set, Fallen Leaves und – wie könnte es anders sein – Red Flag schlossen es ab. „Four days in a row? You guys should earn a medal!”, lobte Sänger Benjamin Kowalewicz die riesige Crowd, die sich bis zum letzten Spritzerstand weit vor der Bühne versammelt hatte.

In die Festival-Annalen wird das Nova Rock 2022 bestimmt nicht wegen einem mutigen Line-Up oder ausgeglichenen Geschlechterverhältnissen auf der Bühne eingehen. Auch die anfängliche Schlammschlacht und das Anreisechaos werden vielen in keiner allzu guten Erinnerung bleiben. Allen Widrigkeiten zum Trotz, hat das Nova Rock 2022 jedoch sehr sehr vielen Menschen wieder das gegeben, was sie über zwei Jahre lang vermisst haben. Musik und Freiheit unter Gleichgesinnten. Danke Nova, bis zum nächsten Jahr!

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