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Sechs Milliarden Euro Entlastung

500 Euro Klimabonus, das Aus für die kalte Progression, mehr Geld für Familien: Was das neue Entlastungspaket wirklich bringt, weiß die WIFO-Ökonomin Margit Schratzenstaller.

von Ali Cem Deniz

Das sogenannte „Geld-Zurück-Paket“ soll breite Teile der Bevölkerung entlasten und die Teuerung besonders für Familien und Menschen mit niedrigen Einkommen abfedern. Die kalte Progression wird abgeschafft, der Klimabonus angehoben, diverse steuerliche Absetzbeträge für Verkehr, Pensionist*innen und Kinder an die Inflation angepasst. Billig ist das natürlich nicht: die Ausgaben für die Sofortmaßnahmen, die heuer und im kommenden Jahr wirksam werden, belaufen sich auf sechs Milliarden Euro. Wie das neue Entlastungspaket der Regierung einzuschätzen ist, hat Ali Cem Deniz die WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller gefragt.

FM4: Die Regierung hat das Entlastungspaket mit sehr vielen Superlativen vorgestellt. Ist es tatsächlich ein historisches Paket, oder versucht die Regierung, es schönzureden?

Margit Schratzenstaller: Das ist auf jeden Fall ein sehr großes Paket, also rein vom Gesamtvolumen her. Das sind 6 Milliarden Euro. Und wenn man das dann im Zusammenhang mit den ersten beiden Paketen sieht, die ja schon verabschiedet worden sind, dann reden wir hier von 10 Milliarden Euro. Hinzu kommen dann noch längerfristig strukturelle Maßnahmen, also die Abschaffung der kalten Progression und die Evaluierung der Sozialleistungen. Wir reden hier insgesamt von 34 Milliarden Euro, und das ist sowohl vom Gesamtvolumen her substanziell als auch, was die Entlastung für den Einzelnen, die Einzelne anbelangt.

FM4: Sprechen wir über die sofortigen Maßnahmen. Das sind sehr viele Einmalzahlungen, da verliert man teilweise den Überblick. Ist das die richtige Methode, um das jetzt anzugehen?

Margit Schratzenstaller: Also ich denke, wenn man kurzfristig eine Entlastung erzielen will und ich glaube, das ist eine der wichtigsten Anforderungen an so ein Paket. In der derzeitigen Situation, wo die Inflation sehr schnell sehr stark angestiegen ist, da wird man um schnell zu Entlasten um Einmalzahlungen nicht herum kommen. Wenn man hier versucht, irgendwelche neuen Instrumente zu erfinden oder an Systemen herumzuschrauben, dann dauert das einfach zu lange. Einmalzahlungen sind ganz sicher ein wichtiges Instrument in dieser Situation.

FM4: Die Treffsicherheit von diesen Einmalzahlungen wird etwas kritisiert. Also wenn es zum Beispiel um den Bonus geht, den ja dann alle bekommen, hat da die Regierung genau genug darauf geschaut, dass diese Maßnahmen tatsächlich treffsicher sind?

WIFO Ökonomin Margit Schratzenstaller

Alexander Mueller

Margit Schratzenstaller ist Ökonomin beim WIFO

Margit Schratzenstaller: Auf der einen Seite haben wir eine Reihe von Maßnahmen, die untere Einkommen beziehungsweise auch Familien mit geringeren Einkommen entlasten. Auf der anderen Seite haben wir teilweise recht breit angesetzte, großzügig gestreute Entlastungen, die relativ wenig treffsicher sind, weil sie weitgehend einkommensunabhängig sind. Und das ist zum einen der Klimabonus, das ist zum anderen die Einmalzahlung der Familienbeihilfe, die an alle Kinder geleistet wird, unabhängig von der Einkommenssituation der Familien.

FM4: Kann man sagen, wer von diesem Paket am meisten profitieren wird? Die Regierung sagt natürlich, es sind die Menschen, die es jetzt am meisten brauchen. Die Opposition sieht das auch teilweise kritisch und sagt, dass die Geringverdiener nicht so viel davon bekommen? Kann man jetzt schon sagen, wer wirklich davon profitiert?

Margit Schratzenstaller: Das muss man sich im Detail anschauen. Aber für mich stellt es sich im Moment so dar, dass eigentlich quer über die Einkommensschichten eigentlich alle in ziemlich großem Umfang profitieren von unten nach oben. Und das ist natürlich aus Sicht der sozialen Treffsicherheit nicht ganz einfach. Und zum anderen bedeutet das natürlich auch, dass das Paket insgesamt relativ groß und damit für das Budget der öffentlichen Hand auch relativ teuer ist.

FM4: Der Bundeskanzler hat ja auch gesagt, dass die aktuellen Teuerungen bleiben werden. Das heißt also, dass die Maßnahmen, die jetzt beschlossen wurden, eine Abfederung sind für alles was noch kommen kann?

Margit Schratzenstaller: Aus heutiger Sicht stellt es sich tatsächlich so dar, als wäre die hohe Inflation anders, als das noch vor ein paar Monaten erwartet worden ist. Die Spitze der Inflation wird um die Jahreswende erreicht werden, oder irgendwann Anfang des nächsten Jahres. Und dann wird sie auch wieder ein bisschen runtergehen. Sie wird aber weiterhin merkbar und spürbar sein. Und das ist auch der Hintergrund, vor dem man jetzt nicht nur kurzfristig schnell wirkende Entlastungen Maßnahmen gesetzt hat, sondern eben auch strukturelle Maßnahmen. Also zum einen bei der Einkommensteuer mit der Abschaffung der kalten Progression und zum anderen, indem man sämtliche Sozialleistungen valorisiert und damit auch das Sozialsystem, wenn man so will, inflationsresistent macht.

FM4: Die kalte Progression ist ein Begriff, mit dem viele Menschen nicht wirklich was anfangen können. Was bedeutet die Abschaffung der kalten Progression?

Margit Schratzenstaller: Die kalte Progression bedeutet, dass ich, trotz jährlicher Lohnerhöhung, wegen der steigenden Inflation eigentlich nicht mehr verdiene, aber trotzdem in eine höhere Tarifzone rutsche und damit mehr Steuern zahle. In der Vergangenheit hat man dieses Problem so gelöst, dass man alle paar Jahre eine große Steuerreform gemacht hat, mit der man dann quasi im Nachhinein die kalte Progression kompensiert hat. Was man jetzt vorhat, ist eine Art Teil-Automatismus. Hier soll jährlich der Einkommensteuertarif angepasst werden. Der Plan, so wie das heute dargestellt worden ist, besteht offensichtlich darin, dass man die Tarifzonen nicht gänzlich an die kalte Progression anpasst, sondern nur zu zwei Dritteln. Das heißt, man behält sich quasi den Entscheidungsspielraum für ein Drittel der zusätzlichen Einnahmen, die der Staat aus dieser kalten Progression erzielt.

FM4: Wie sehen Sie die Verschiebung der CO2 Bepreisung?

Margit Schratzenstaller: Die Verschiebung der CO2 Bepreisung sehe ich kritisch. Es ist klar, dass die Preise für fossile Energie hoch bleiben müssen. Und es ist auch klar, dass wir klimapolitische Instrumente brauchen. Und da ist die CO2 Bepreisung ein sehr wichtiger Anreiz, um aus den fossilen Energien auszusteigen. Es ist natürlich nicht das einzige Instrument. Man braucht eben auch grüne Investitionen, um auch Ausstiegsoptionen zu bieten, im Bereich des Wohnens, des Verkehrs, der Gebäude usw. Diese Anreize für den Ausstieg aus der fossilen Energie sind sehr wichtig, und das ist schon ein Wehrmutstropfen an diesem Paket. Zumal ja mit den ersten beiden Paketen auch schon ökologisch problematische Maßnahmen gesetzt worden sind. Es wurde die Abgabe auf Erdgas gesenkt, es wurde die Elektrizitätsabgabe gesenkt und es wurde die Pendlerförderung, die in Österreich ohnehin sehr großzügig ist, ausgeweitet. Also das ist ein Wermutstropfen, den ich an diesem Paket sehe.

FM4: Trotzdem ist es ein großes Paket. Die Frage ist, wie schaut es mit der Finanzierung aus? Woher soll eigentlich das ganze Geld kommen?

Margit Schratzenstaller: Ein großer Teil kommt tatsächlich aus zusätzlichen Steuereinnahmen, die wir genau dieser Inflation zu verdanken haben. Das ist zum einen die zusätzlichen Steuereinnahmen im Bereich der Einkommensteuer durch die kalte Progression. Also das Paket heißt nicht ganz zu Unrecht „Geld zurück-Paket“. Aber wir haben auch höhere Mehrwertsteuer-Einnahmen durch diese Preisanstiege und aus dieser Quelle finanziert das Finanzministerium die Hälfte dieser Maßnahmen. Der Rest muss mit zusätzlichen Schulden aufgebracht werden. Das schaffen wir schon, das irgendwie im Budgetplan so unterzubringen, dass er nicht gegen die Fiskalregeln verstößt. Aber trotzdem kommt auch von dieser Seite her natürlich ein gewisser Druck, jetzt endlich die Strukturreformen im öffentlichen Sektor anzugehen.

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