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Wanda in der Stadthalle

Chris Stipkovits | FM4

Endlich wieder Bussis und Amore

In Wien wird wieder gerockt und zwar gleich zweimal hintereinander. So war der erste Abend mit Wanda in der Wiener Stadthalle.

Von Alica Ouschan

Es ist wahrscheinlich etwas Wahres dran, wenn man sagt, dass dieser Abend für einige das erste Mal Luftholen nach zwei Jahren unter Wasser war. Eine ausgelassene Stimmung, Biergeruch und ein Hauch von Heets-Duft erfüllen die Location. Alt und Jung pirschen in die Stadthalle, auf der Suche nach den besten Plätzen, um die heimische Lieblingsband endlich wieder live zu erleben.

Der Abend gehört jedenfalls, das wird beim Umherschauen klar, den jungen Boomern und alten Millennials. Denen scheint auch das Merch zu gefallen, das aus meiner Sicht schon eine Auszeichnung für das schirchste Design 2022 erhalten sollte: „Bussi Baby“ in großen Lettern mit einem Emoji-Kussmund, so schauen die Leiberl aus, die ich mir mit 12 beim New Yorker gekauft hab, aber was weiß ich schon, vielleicht ist das ja jetzt schon wieder retro.

Als die animierenden Töne der Vorband Das Moped verklingen, die ganze Diskografie der Beatles vom Band abgespielt wird und ein großer, schwarzer Vorhang vor der Bühne hängt, auf dem „AMORE“ steht, fühlt sich das fast ein bisschen wie Heimkommen an. Als Wanda endlich die Bühne stürmen, ist es so, als wären sie nie weg gewesen. Denn allzu viel hat sich auch wirklich nicht verändert.

Marco Wanda trägt die braune Lederjacke über dem weißgerippten Unterleiberl, der erste Song ist wie immer „Luzia“. Gründungsmitglied Valentin Wegscheider fügt sich als Nachfolger von Schlagzeuger Lukas Hasitschka mühelos in das Wanda-Gemälde auf der Bühne ein - er trägt nämlich das gleiche Unterhemd wie Marco. Musikalisch wie energetisch macht den fünf Wandas keiner was vor. Die Stimmung wird erst mal mit einem Haufen alter Songs ordentlich auf Level gebracht. Zwischen „Bussi Baby“ und „Lascia mi fare“ vermisse ich dann aber doch langsam Marco Wandas legendäre Bühnenansagen.

„Hallo Wien, Schatzi!“

Der Mann, der sonst so gerne mit dem Publikum quatscht und interagiert, lässt sich die erste Hälfte des Konzerts kaum zu mehr hinreißen als einem gebrüllten „Hallo Wien, Schatzi!“ inklusive Fingerguns und der kryptischen Aufforderung: „Mach, was du willst!" Nach zwei Jahren war da irgendwie schon mehr überschwängliche Freude zu erwarten. Die wird an diesem Abend mehr durch Gesten und die Musik als durch Worte rübergebracht: „Ich bin ein dauerquatschender Mensch, aber ich bin komplett sprachlos“, sagt Marco Wanda, der immer emotionaler wird.

Eine emotionale Komponente hätte auch das versuchte Live-Upgrade werden können, Marco stellt uns nämlich das Wanda-Streichquartett vor, wovon ein Viertel Saxophon spielt und vier Viertel zu Beginn leider kaum zu hören sind. Dafür funktionieren die altbekannten „Amohohore“-Gesänge nach wie vor super, das Publikum hat zuhause wohl sehr brav geübt. Auch die gemeinsam gegrölten letzten Tropfen aus den „Flaschen von gestern“ schmecken immer noch ausgezeichnet.

Trotz der vertrauten Atmosphäre, die wir Wanda-Fans so sehr lieben, wünscht man sich dann vielleicht doch an der einen oder anderen Stelle etwas mehr Kreativität und Innovation als die mal eben schnell umgedichtete Stelle in „Schick mir die Post“, wo die Mama nicht mehr schläft, sondern masturbiert. Aber wenn Marco Wanda sich gemeinsam mit den Fans sie Seele aus dem Leib brüllt („OH, WIE SCHÖN!“) kann man schon mal Gänsehaut bekommen. Er scheint außerdem entschlossen, seine eigene Bewegtheit auf die Spitze zu treiben: „Ohne euch hätten wir uns das Hirn rausgeschossen“, sagt Marco nach der aktuellen Single „Va bene“, in der es heißt: „Es muss weiter gehen.“

Alte Hits, neue Dancemoves und Mainstream-Mitläufer

Weiter geht es mit alten Hits, vereinzelt sind auch Songs vom letzten Album dabei, etwa „Gerda Rodgers“, wo der Star des Songs eindeutig der ausgezeichnete Saxophonist ist, den man nun auch endlich richtig gut hören kann. Auch die vier neuen Singles werden heruntergespielt, trotzdem dominieren die älteren Stücke, ist ja auch kein Wunder, bei den drei Hitalben.

Bei „Jurassic Park“ werden die Elvis-Dancemoves ausgepackt und der Missmut darüber, dass es in diesem Song nicht um Dinos geht, mit Marcos Hüften weggewackelt. „Wer war ganz am Anfang in den Gürtellokalen mit dabei?“, fragt er seine Fans, worauf hin vereinzelter Jubel ertönt. „Und wer sind die ganzen Mainstream-Mitläufer?“ - diese Frage mit wird lautem Gegröle quittiert. Nach der Partyeskalation ist dann auch mal wieder Traurigwerden angesagt. Die Streicherinnen spielen sich bei „Schottenring“ die Seele aus dem Leib. „Ihr habt’s uns ein Leben geschenkt, Schatzi“, ist Marcos Kommentar zu „Wenn ich zwanzig bin“ und zu den gezückten Feuerzeugen und blinkenden Handylichtern bei „0043“ sagt er: „Come on, des is scho schen.“

Wanda live - die nächsten Termine:

18.6. Wien

23.6. Thun

24.6. Zürich

25.6. Bad Ragaz

9.7. Linz

16.7. Graz

So schön, dass es einen fast zu Tränen rührt, oder, Marco? Weinst du, oder ist das der Schweiß, der von deiner Nasenspitze tropft? Als er sich wieder gefasst hat, geht es weiter mit einem Bob-Dylan-Cover. Obviously the boomers are loving it! „The answer my friend is blowing in the wind“, wird gegrölt und Bierbecher werden über Köpfe hinweg geschwungen, ihr Inhalt auf die Bussi-Baby-Shirts vergossen. Irgendwie vergisst Marco dann aber, die Botschaft des Songs zu kommentieren, und lässt ihn einfach so stehen.

Balancieren auf der Cringe-Grenze

Wäre auch voll okay, wenn ihm dann nicht mitten im Song „Ich will Schnaps“ noch einfällt, schnell seine Solidarität mit den starken Menschen in der Ukraine zu bekunden. Ob ein Song, in dem es nur ums Saufen geht, dafür die richtige Stelle ist, sei dahingestellt. Das ist nicht die einzige merkwürdige Sache, die an diesem Abend passieren soll. Als die Band für eine Zugabe zurück auf die Bühne kommt, macht Marco Wanda einen Dab. Um es mit seinen eigenen Worten als Starmania-Juror zu sagen: Das war hart an der Cringe-Grenze.

Außerdem, der absolute Höhepunkt der fragwürdigen Vorkommnisse: Nach dem vorletzten Song haut Marco mal eben seine E-Gitarre kaputt, was erst nicht so richtig funktionieren will. Als er sie dann nach mehrmaligem Auf-den-Boden-Werfen und Draufspringen erfolgreich zerstört hat, schenkt er sie einem Fan. Na, der hätte sich, glaub ich, auch über eine funktionierende Gitarre gefreut. Das zweite Konzert am Samstag kann also wohl leider nicht stattfinden - außer Marco findet schnell ein gutes Instrumentengeschäft, das geöffnet hat. Auch die Bandkollegen scheinen nicht gerade amused über die Aktion: Bassist Ray Weber zerrt Marco zurück und schaut so aus, als würde er ihn fragen, was der Scheiß soll.

Don’t stop the rock!

Na ja, „Don’t stop the rock“, oder? Immerhin ist „Mach, was du willst“ Marcos neue Catchphrase, vielleicht aber auch ein Hint auf die nächste Single des neuen Albums, das Ende September erscheinen wird. Die Vorfreude darauf kann auch einfach durch nichts getrübt werden, weder durch die alten Schmähs (zum Beispiel, gefühlte zehn Minuten lang „1234“ mitzusingen) noch durch die weirden Aktionen von Marco. „Das bist du, Wien!“, sind seine letzten Worte, bevor er die Zugabe zur Zugabe anstimmt - wie sollte es auch anders sein - „Luzia“. Wanda beenden das Konzert, wie sie es begonnen haben: Mit demselben Lied, tausend Bussis und ganz viel Amore.

Wanda in der Stadthalle

Chris Stipkovits | FM4

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