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Cover Colonel Tom Parker

Hannibal Verlag

Interview

„Er war rücksichtslos“ - Eine Biografie über Elvis’ Manager

Die Biografie „Colonel Tom Parker. Das verrückte Leben des exzentrischen Managers von Elvis Presley“ diente Baz Luhrmann als Vorlage für das Biopic „Elvis“. Ein Gespräch mit dem Autor des Buches über den wohl berüchtigtsten Musikmanager der Popgeschichte.

Von Christian Lehner

Colonel Tom Parker, der weder ein Colonel der US-Army war, noch Tom Parker hieß, gilt als Prototyp des rücksichtslosen und raffgierigen Popmanagers. Im Biopic „Elvis“ (Review hier) wird er von Tom Hanks gespielt. Selbst aus dem Tod seines berühmten Klienten machte Parker ein Geschäft. Doch der „Colonel“, wie ihn alle nannten, war auch Innovator und formte Elvis zum ersten globalen Popstar. Parker erkannte früh das Potenzial des Fernsehens und zählt zu den Erfindern des Merchandise im Pop. James L. Dickerson (76) arbeitete als Journalist und verfasste zahlreiche Bücher über Musik aus dem Süden der USA. Seine Biografie ist der Goldstandard unter den Erzählungen über Parker. Sie wirft auch ein Licht auf die Querverbindungen zwischen dem Show-Business, der Politik und dem organisierten Verbrechen in der Nachkriegsära der USA.

Dickerson im Interview über einen, der stets versuchte seine Spuren zu verwischen.

Warum haben Sie Colonel Tom Parker, den Manager von Elvis, zum Gegenstand einer Biografie gemacht?

Der Grund war eine andere Biografie. Ich habe die Geschichte von Scotty Moore, dem ersten Gitarristen und Manager von Elvis, aufgeschrieben und mich bereits davor, in einem Buch über die Musikgeschichte von Memphis, mit Elvis beschäftigt. Bei meinen Recherchen und Interviews wurde mir klar, dass Colonel Tom Park ein Mysterium war, ein Mann, über den kaum jemand etwas weiß.

Was hat Sie an ihm konkret interessiert?

Aus den Erzählungen von Scotty Moore ging hervor, dass Parker ein seltsamer, exzentrischer und auch ein sehr unaufrichtiger Mensch war. Scotty war der Ansicht, dass Parker nicht gut war für Elvis. Da wollte ich wissen, wie dieser Kerl wirklich tickte. Ich glaube, ich habe das in meinem Buch ganz gut beantwortet.

Wer also war Colonel Tom Parker?

Er stammte aus den Niederlanden. Sein echter Name war Andreas Cornelius van Kuijk. Als Teenager wanderte er illegal in die USA ein. Das war in den 1920er-Jahren noch sehr einfach. Man brauchte bloß über den Golf von Mexiko nach Florida einreisen. Den Namen Tom Parker nahm er an, weil er amerikanisch klang. Er ließ sich zunächst in der Gegend um Tampa, Florida nieder. Parker wurde nie US-Bürger. Er hielt sich also sein Leben lang illegal in den USA auf.

Der Manager von Elvis - Biografie

Hannibal Verlag

Die Parker-Bio von Wilkerson ist in der Übesetzung von Waltraud Eckersberger im Hannibal Verlag erschienen.

In ihrem Buch beschreiben Sie, wie der junge Tom Parker Anschluss bei Schaustellern fand und sich dort seine ersten Tricks ausdachte.

Er kam bei „Royal American Shows“ unter, eine der größten Rummeltruppen des Landes. Als ich 1998 mit den Recherchen begann, konnte ich noch mit Carl Jr. Sedlmayr sprechen, dem Sohn des Gründers. Das war ein guter Start. Er erzählte mir so manche Schnurre. Parker arbeitete als „Carny“, er betrieb also einzelne Stände. Er dachte sich eine Show mit „tanzenden Hühnern“ aus. Dabei ließ er die armen Tiere - vom Publikum unbemerkt - über heiße Herdplatten laufen. Ein anderer Scam war seine Hot-Dog-Bude. Er schnitt die Würstchen in zwei Teile und steckte in jedes Brot nur eine Hälfte, sodass er für zwei Hot Dogs nur eine Wurst verbrauchte. Ein einzelnes halbes Würstchen warf er auf den Boden. Wenn sich jemand beschwerte, sagte er: „Da schau, da liegt ja die andere Hälfte, du hast sie verloren!“ Das beschreibt seinen Charakter ganz gut. Wie kann ich aus jeder Situation das Maximum für mich herausholen? Mit Elvis hat er es auch so gehalten.

Parker wechselte später ins Musikgeschäft und managte u.a. die Karrieren der Country-Stars Eddy Arnold und Hank Snow. Wie ist er auf Elvis gekommen?

Elvis, Scotty Moore und Bassist Bill Black tourten in ihren Anfängen als “The Blue Moon Boys” durch den Süden. Sie veröffentlichten ihre ersten Songs auf Sun Records in Memphis, Tennessee. Das war das Label von Sam Phillips, der eine zentrale Rolle im frühen Rock’n’Roll spielte. Scotty Moore kontaktierte das Büro von Tom Parker. Dessen Assistent meinte aber, dass sie keine Interesse an „Hillbillies“ hätten. Parker sah sich trotzdem eine Show an und erkannte sofort das Potenzial von Elvis. In Folge begann er ein Netz aus Intrigen zu spinnen, um sich das exklusive Vertretungsrecht zu sichern. Er manövrierte alle aus: die Eltern, die Manager und schließlich auch die Band. Das ist besonders traurig, denn Moore und Black hatten einen großen Anteil am Sound von Elvis. Keith Richards von den Rolling Stones hat mir einmal erzählt, dass Scotty Moore, neben all den Blues-Größen, sein größtes Idol war. Er malte seine Gitarren-Licks um Elvis Stimme herum und ließ viel Raum für die Wirkung des Sounds. Ein wahrer Künstler!

Parker hat Elvis innerhalb kurzer Zeit zum Major-Label RCA-Victor und ins boomende Fernsehen vermittelt und ihn so zum ersten globalen Popstar gemacht. Das ist doch eine beeindruckende Bilanz.

Dabei hat er sich gar nicht für Musik interessiert! Er hat überall nur grüne Scheine gesehen. Die Deals mit RCA, den Fernsehstationen und Filmfirmen waren unglaublich. Parker legte besonders großen Wert auf Details – oft sehr bizarre Details. In einem Vertrag für einen Elvis-Film bestand er darauf, dass die Produktionsfirma für die Garderobe „seines Jungen“, so nannte er Elvis, aufkommen müsse. Bei Vertragsbruch würde eine Strafe fällig. Die Leute von der Filmfirma dachten sich nichts dabei - für die Ausstattung der Schauspieler sorgte ohnehin die Kostümabteilung. Als die ersten Szenen abgedreht waren, stürmte Parker auf das Set und rief: „Stopp! Elvis trägt seine private Armbanduhr! Das kostet euch jetzt 25.000 Dollar!“ Er provozierte bei Verhandlungen: „Und der schöne Aschenbecher hier auf dem Tisch, der kommt auch noch in den Vertrag!“ Das Erstaunliche: Parker kam mit seinen Frechheiten fast immer durch.

Der Manager von Elvis - Biografie

Warner

Pakt mit dem Teufel? Der „Colonel“ (Tom Hanks) und Elvis (Austin Butler)

Offensichtlich beförderte der Colonel die Karriere seines Schützlings in vielen Bereichen. Wo aber richtete er den größten Schaden an?

Der Colonel war spielsüchtig. Es war schlimm. An manchen Tagen verspielte er eine Million Dollar. Er hatte hohe Spielschulden – etwa bei der Mafia, die Las Vegas kontrollierte. Dieses Laster war der wahre Grund für viele Eingriffe in die Karriere von Elvis. Die offizielle Geschichtsschreibung will, dass Elvis 1958 zur US-Army eingezogen wurde. Elvis wollte aber gar nicht zum Militär. Mit den Connections von Parker wäre es überhaupt kein Problem gewesen, Elvis diese zwei Jahre in der Armee zu ersparen. Parker aber hatte Angst, dass der Mob als Kompensation für die Spielschulden den Vertrag mit Elvis kassieren würde. Er überredete seinen Schützling, sich freiwillig zu melden. So konnte er ihn in Sicherheit bringen und sich überlegen, wie es danach weitergehen würde. Die Fans hätten Elvis nicht verziehen, dass er freiwillig seine Karriere aufs Spiel setzte, also musste es so aussehen, dass er eingezogen wurde.

Was noch?

Parker sicherte sich 25% an den Einnahmen. Üblich waren damals 10%. Nach der US-Army machte er aus Elvis einen familienfreundlichen Star, der am Fließband schlechte Filme und mittelmäßige Musik produzierte. Parker drückte bei jeder Möglichkeit die Kosten, um noch mehr Geld aus Elvis herauszupressen. Qualität spielte keine Rolle. Auch nicht der Wunsch von Elvis nach seriösen Drehbüchern. Als die Spielschulden zu hoch wurden, verlangte Parker 50% und bekam sie! Aufgrund seiner Verschwendungssucht benötigte auch Elvis dringend Geld, also verhökerte Parker die Rechte an den Masteraufnahmen an RCA und strich dabei viel mehr Geld ein als Elvis. Das Schlimmste aber war, dass ihm der Gesundheitszustand von Elvis völlig egal war. Solange das Zirkuspferd tanzte, war für ihn alles in Ordnung. Parker ignorierte die Medikamentensucht seines Klienten, obwohl alle davon wussten. Ein guter Manager hätte Elvis geholfen, diese Probleme zu lösen. Parker war aber kein einfühlsamer Mensch. Er war rücksichtslos. Auf vielen Fotos schüttelt er die Hand von Elvis, es gibt aber keine Aufnahme, auf der sich die beiden umarmen.

Oft kolportiert, aber umstritten ist die These, dass Elvis deshalb nie außerhalb von Nordamerika aufgetreten ist, weil Parker das aus eigennützigen Gründen verhindern hat.

Parker hatte Angst, dass seine wahre Identität auffliegen würde. Er vermied jeden Kontakt zu Einwanderungsbehörden, die bei der Ausstellung eines Visums dumme Fragen stellen und in seinem Lebenslauf herumschnüffeln könnten. Er besaß ja nicht einmal einen Pass! Lieber sperrte er Elvis mit einem Dauer-Engagement in Las Vegas ein. So konnte er ihn kontrollieren, er bekam in den Casinos Kredit und er hatte nicht weit zu den Spieltischen. Elvis wollte unbedingt in Europa auftreten. Wie so oft konnte er sich aber nicht durchsetzen.

Parker gilt als Vermarktungsgenie und als einer der Erfinder des Merchandise. So verkaufte er nicht nur „I Love Elvis“-Buttons, sondern auch „I Hate Elvis“-Anstecker.

Das Vermarkten hatte er bei den Schaustellern gelernt und es mit dem Musikgeschäft verbunden. Kein Manager davor dachte je daran, Kugelschreiber und Kaffeetassen mit dem Konterfei ihrer Klienten zu verkaufen. Parker war ein Verkaufsgenie. Daran gibt es keinen Zweifel. Leider kamen bei ihm eine unstillbare Raffgier und eine Menge krimineller Energie hinzu. In den Fünfzigerjahren gab es kaum Sänger, die ihre Songs selbst schrieben. Dafür gab es Songwriter. Wer jedoch für Elvis einen Song schreiben wollte, musste einen gewissen Prozentsatz der Verwertungsrechte an Elvis abtreten. Auch das gab es vorher nicht. Die meisten Deals, die Parker aushandelte, waren vor dem Gesetz legal, aber sie waren höchst unmoralisch.

Elvis Film von Baz Luhrman

Warner

Austin Butler als gefeierter King of Rock’n’Roll im neuen Elvis-Biopic von Baz Luhrmann.

Ehemalige Geschäftspartner, Freunde und selbst die Familie von Presley beschreiben den Colonel als charismatisch, humorvoll und durchaus menschenfreundlich. Ist die Dämonisierung nicht übertrieben?

Er konnte die Menschen für sich gewinnen, keine Frage, aber als Journalist, muss man sich an die Fakten halten und da wird schnell klar, dass Parker eine Spur der menschlichen Verwüstung hinterließ. Wenn man nachforscht, findet man sich bald in den dunkelsten Ecken der US-Gesellschaft wieder. Parker war Mitglied in einem einflussreichen Club. Ziel dieser Vereinigung war die Aufrechterhaltung des Status Quo im Süden. Alles sollte so bleiben, wie es ist. Auch die Segregation zwischen Schwarz und Weiß. Das war übrigens auch mit ein Grund für die Zähmung des Rock’n’Rollers Elvis Presley in der US-Army. So wie Elvis stamme auch ich aus Mississippi. Dort gibt es nur zwei Arten von Menschen: solche, die Schwarze hassen und solche, die Schwarze nicht hassen. Elvis liebte die Schwarzen und ihre Kultur. Parker nicht so sehr. Elvis wollte mit Blues-Musikern wie B.B. King zusammenarbeiten. Parker wusste auch das zu verhindern.

Elvis begehrte selten aber doch gegen Parker auf, so wie bei der Comeback-Show 1968. Dort sollte er eigentlich Weihnachtslieder singen. Stattdessen besann sich Elvis seiner Wurzeln und begeisterte mit einer furiosen Rock’n’Roll-Show. Warum schaffte er es nicht, sich dauerhaft vom Colonel zu lösen?

Anfangs gab es überhaupt keinen Widerspruch. Die beiden feierten zusammen spektakuläre Erfolge und verdienten sehr viel Geld. Ich glaube, die Beziehung bekam erste Risse, als Elvis merkte, dass ihm Parker seine Filmkarriere versaute. Elvis wollte anspruchsvolle Rollen spielen, doch sein Manager zog leichte Sommerfilme vor, weil die billig und schnell zu produzieren waren. Die Songs, die Elvis in diesen Streifen singen musste, waren Mist. Parker hinterging Elvis, indem er eigenmächtig Deals mit den Komponisten aushandelte. Die Platten verkauften sich immer schlechter. Bei der Musik kannte Elvis aber keinen Spaß. Die Spannungen wurden größer. Deshalb auch die Revolte von Elvis bei der Comeback-Show 1968. Das anschließende Album „From Elvis In Memphis“ mit Hits wie „Suspicious Minds“ oder „In The Ghetto“ war großartig. Die Leute, mit denen er dort arbeitete, traten übrigens ihre Songrechte nicht ab. Elvis und Parker trafen sich immer seltener. Am Ende führten sie eine Art Fernbeziehung, aber Elvis blieb zeitlebens ein unsicherer kleiner Junge, der sich nicht wirklich von seinem Über-Manager trennen konnte.

Parker war der erste Manager, der erkannte, dass der Tod eines Stars nicht das Karierende bedeuten muss. Als er 1977 am Telefon erfuhr, dass Elvis gestorben war, sagte er angeblich: „Jetzt beginnt das Geldverdienen erst so richtig!“

Beim Begräbnis von Elvis in Memphis tauchte er in einem Hawaiihemd und schmutzigen Khakihosen auf und beschwatzte die Hinterbliebenen – direkt am Grab von Elvis! Das war respektlos, aber typisch für ihn. Es ging um Verwertungsverträge und Ideen für Merchandising. Parker versuchte, den exklusiven Vertretungsanspruch über den Tod von Elvis hinaus für sich zu reklamieren. Damit scheiterte er jedoch. Er verschwand zunehmend aus dem Bild und wurde später sogar wegen unlauterer Management-Methoden von einem Gericht verurteilt.

Parker starb 1997. Sind sie sich jemals begegnet?

Unsere Wege haben sich nie gekreuzt.

Zum Schluss die Gretchenfrage: Hätte Elvis auch ohne Colonel Tom Parker zum King of Rock’n’Roll werden so und die Welt verändern können?

Die Antwort ist spekulativ, aber für mich doch eindeutig: Als sich die beiden das erste Mal begegneten, war Elvis bereits auf dem Weg, ein Star zu werden. Er war so gut aussehend, so talentiert und so anders. Er war auch gesellschaftspolitisch zu wichtig, man konnte ihn gar nicht ignorieren. Die Frage, ob er also ohne Parker groß rausgekommen wäre? Ich glaube schon! Parker hat ihm mehr geschadet als geholfen. Davon bin ich überzeugt. Wer weiß, vielleicht würde Elvis ohne den Colonel noch unter uns weilen. Wir würden ihn möglicherweise nicht wiedererkennen, seine einzigartige Stimme aber schon.

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