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PK "KLIMARAT DER BÜRGERINNEN UND BÜRGER PRÄSENTIERT EMPFEHLUNGEN AN DIE POLITIK": Kameras filmen Pressekonferenz des Klimarats

APA/TOBIAS STEINMAURER

Wie der Klimarat die Politik verunsichert

Schon lange vor der Präsentation der 93 Empfehlungen des Klimarats hat die ÖVP das Projekt heftig kritisiert. Wir haben zwei Expert*innen gefragt, was hinter den Attacken steckt und welche politische Relevanz der Klimarat hat.

Von Ali Cem Deniz

Der Klimarat habe gezeigt, dass informierte Bürgerinnen und Bürger bereit sind, weiter zu gehen als die Politik, sagt Klimapolitik-Professor Reinhard Steurer von der BOKU in Wien. Als Beispiel nennt er die Forderung nach einem Verbrenner-Verbot schon ab 2027 und damit ganze acht Jahre vor dem geplanten EU-weiten aus für Benzin, Diesel und Co.

„Und tatsächlich wäre 2027 das angemessenere Datum, wenn man berücksichtigt, dass diese Fahrzeuge noch 20 Jahre im Verkehr sind und wir bis 2040 klimaneutral sein wollen.“ Allein mit den 93 Empfehlungen des Klimarats könne man die Klimaneutralität allerdings auch nicht erreichen, man würde aber deutlich näherkommen.

Kritik aus der ÖVP

Dass die Vorschläge bei der Politik ankommen, glaubt Steurer aber nicht. „Partizipation funktioniert nur, wenn man ernsthaft daran interessiert ist, vieles umzusetzen.“ Man habe viel Zeit und Geld in ein Projekt investiert, „wo schlussendlich eine Enttäuschung herauskommen wird, weil der Koalitionspartner ÖVP vieles nicht mittragen wird.“

Der Klimarat ist aus dem Klimavolksbegehren hervorgegangen und wurde von den Grünen ins Regierungsprogramm aufgenommen. Man hätte dabei, wie auch bei anderen klimapolitischen Agenden, mehr Druck auf die ÖVP aufbauen können, glaubt Steurer. Besonders nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz wären die Grünen in der Position gewesen.

Die ÖVP habe dem Klimarat schon vor der Präsentation die Legitimität abgesprochen. Der türkise Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager bezeichnete das Projekt als absolut untauglich. Bei der gestrigen Übergabe der Empfehlungen an die Bundesregierung war jedoch Arbeitsminister Martin Kocher anwesend und versprach wie Umweltministerin Leonore Gewessler, alle Empfehlungen genau zu überprüfen. Das öffentliche Interesse und der Druck würden die ÖVP zu einem Umdenken bewegen, meint Reinhard Steurer. Trotzdem bleibt er skeptisch, was die Langlebigkeit der Klimarats-Empfehlungen betrifft: „In der Umsetzung wird sich das ganze eher auf der Seite des Herren Schmuckenschlager wiederfinden.“

Kein neues Konzept

Dabei sind Bürger*innenräte kein neues Konzept. In Vorarlberg sind sie seit langer Zeit in der Landesverfassung verankert und werden als politisches Instrument eingesetzt, sagt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Eine Diskussion im Bürger*innenrat habe etwa dazu geführt, dass Vorarlberg zu einer Modellregion für die „Gemeinsame Schule“ geworden ist. Sowohl auf der Gemeinde-, als auch auf Landesebene kommen die Räte zum Einsatz.

Die zufällig ausgesuchten Bürgerinnen und Bürger seien viel aussagekräftiger als Volksbegehren oder Unterschriftenlisten, wo häufig bereits politisch aktive Menschen aus bestimmten Bevölkerungsgruppen mitmachen. Bei einem Bürger*innenrat würde es nicht darum gehen, wer gewinnt oder die Mehrheit bekommt, sondern um die Suche nach einem Konsens. „Da könnte die Politik nicht nur von den Ergebnissen als Beratung was mitnehmen, sondern auch von der Art, wie gesprochen wird und von der Diskussionskultur.“

Entscheidung bleibt bei der Politik

Ein Bürger*innrat habe nicht den Anspruch, dass alle Vorschläge umgesetzt werden, aber die Politik müsse den Bürgerinnen und Bürgern Feedback geben, warum bestimmte Empfehlungen nicht umgesetzt werden. Außerdem seien die Räte nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung bestehender demokratischer Strukturen gedacht.

In der ablehnenden Haltung von Seiten der Politik erkennt Stainer-Hämmerle auch eine Verunsicherung gewählter Vertreter*innen, die das Gefühl hätten, dass sie einen Teil ihrer Macht abgeben müssen. Das sei jedoch eine unbegründete Angst: „Die letzte Verantwortung und Entscheidung muss natürlich bei gewählten Politikerinnen und Politikern bleiben. Diese Verantwortung kann und soll ein Bürger*innrat ihnen natürlich nicht abnehmen.“

FM4 Auf Laut: Der Klimarat als Klimaretter?

Österreich soll bis 2040 klimaneutral werden. Kann das erreicht werden? Und wie? Das haben sich 100 Menschen aus Österreich miteinander ein halbes Jahr überlegt. Junge Teilnehmer*innen vom Klimarat sind Dienstag, 5.7.2022, bei Alexandra Agustin in FM4 Auf Laut und erzählen über ihre Forderungen, wie sie dazugekommen sind und wie es damit nun weitergeht. Was sagst du zu den Vorschlägen des Klimarates? Diskutier mit ab 21:00. Die Nummer ins Studio: 0800 226 996, oder schick uns eine Sprachnachricht an 0664 828 44 44

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