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Soccer Mommy

Sophie Hur

Paint it black, Soccer Mommy!

Auf ihrem dritten Album „Sometimes, Forever“ kehrt die US-amerikanische Indie-Rock-Musikerin Soccer Mommy ihren inneren Goth raus.

von Michaela Pichler

Als Soccer Mommy wird Sophie Allison seit 2018 von Kritikern und Fans des klugen Indie-Rocks gefeiert. Kurz vor der Pandemie hat sie zuletzt eine Platte veröffentlicht. Damals ist es ihr trotz der Release-Freude ziemlich schlecht gegangen. Die US-amerikanische Musikerin hatte mit Trauer, Angstzuständen und Depressionen zu kämpfen. Sie wollte ihre Welttournee schon absagen, doch dann kam Covid sowieso dazwischen. Und Sophie Allison hat sich Hilfe von Außen gesucht, eine Therapie begonnen und sich von Social Media verabschiedet. Und natürlich auch gleich viele neue Songs über all diese Zustände geschrieben. Die sind jetzt auf dem neuen Album „Sometimes, Forever“ erschienen.

„I don’t know how to feel things small
It’s a tidal wave or nothing at all“ (aus dem Song „Still“)

Alles kommt in Wellen. Der Schmerz, genauso wie das Glück. Und beständig ist sowieso nichts. Davon ist Sophie Allison alias Soccer Mommy überzeugt. Mit ihren 25 Jahren hat die in Nashville lebende Musikerin schon einiges erlebt und ertragen. Eine steile Karriere im Alternative-Bereich, die tatsächliche, instabile Realität eines Musikerinnen-Lebens, zehrende Tourneen und gleichzeitig eine todkranke Mutter zuhause, der man on the road schnell ein Lied schreibt. All das hat sich thematisch auch auf dem letzten Soccer Mommy Album „Color Theory“ wiedergefunden. Mit dem neuen Wurf „Sometimes, Forever“ setzt sie noch eins drauf und wagt noch einen Schritt näher an den Abgrund, rein in die unendliche Dunkelheit. Oder wie Soccer Mommy es selbst auf einem ihrer neuen Songs bezeichnet: Auf in die „Darkness Forever“!

Songwriting im Schauermärchen-Stil: Das hat Soccer Mommy auf ihrem dritten Album mehr als nur einmal praktiziert. „Darkness Forever“ ist dafür das beste Beispiel, der Song beschäftigt sich mit der Schriftstellerin Sylvia Plath und ihrem Suizid im Jahr 1963. „Head in the oven / Didn’t sound so crazy / My brain was burning, hot to the touch / Lithium readings / Making me dizzy / But they keep my feelings shimmering low“. Eine Mental-Health-Parabel, wie man sie auch schon von früheren Soccer Mommy Platten kennt. Trotzdem geht es einem durch Mark und Pein, wenn Soccer Mommys entfernter Schrei zwischen Doom-Akkorden durch die Dunkelheit durchblitzt.

Soccer Mommy "Sometimes, Forever"

Loma Vista

„Sometimes, Forever“ ist Soccer Mommysdrittes Studioalbum und gerade via Loma Vista erschienen.

Süßes, sonst gibt’s Saures!

Für den Sound hat sich Soccer Mommy diesmal einen ganz neuen Verbündeten ins Studio geholt: Daniel Lopatin, auch bekannt als Oneohtrix Point Never, Experimentalmusiker, Producer und Filmmusikpreisträgers. Wer Soccer Mommy bisher von ihren beiden Alben „Clean“ und „Color Theory“ kennt, wird auf den ersten Blick nur wenig Schnittmenge mit dem experimentellen Noise-Komponisten erkennen. Oder gar mit The Weeknd höchst persönlich, für den Lopatin den aktuellen Erfolg „Dawn FM“ mit-produziert hat. Doch für „Sometimes, Forever“ haben sich Soccer Mommy und Daniel Lopatin in der Mitte getroffen, in irgendeiner weirden Musiknerd-Ecke. Als „gleichzeitig süß und sauer“ hat er Soccer Mommys Sound kürzlich in einem Pitchfork-Interview bezeichnet und damit ließe sich eben arbeiten. Am besten gelingt diese Kollaboration auf dem Stück „Unholy Affliction“…

„Unholy Affliction“ beschreibt das Leben als Künstlerin in der Musikindustrie, in der sich Soccer Mommy nicht mehr wie ein Mensch fühlt, sondern wie ein ausgehöhltes Produkt. Sprachlich wird die Kapitalismuskritik in starke Bilder verpackt: Knochen, Blut, Eingeweide und Fleisch – das sind nur einige der Körperlichkeiten, mit denen sich Soccer Mommy auf der neuen Platte spielt. Ein bisschen Body Horror, gemixt mit dem passenden Sound aus Industrial, softem Noise und Goth-Pop.

Zwischen dem schaurigen Unbehagen sorgt Soccer Mommy allerdings auch wieder für die leichtverdaulichen Momente, für verwaschene Grunge-Hooks im Stile der 90er, für eine Leichtigkeit, die sie stellenweise wieder näher an Vergleiche wie Snail Mail oder Girl in Red rückt – die sie dann wiederum im nächsten Stück wieder über Bord wirft. Dabei hilft ein durchgedrücktes Shoegaze-Pedal. Das klingt nicht nur manchmal, sondern immer gut.

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