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der Song zum Sonntag

Yard Act liefern den Song zum Sonntag

Die britischen Post-Brexit-Kommentatoren Yard Act geben mit der neuen Version von „100% Endurance“ der Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz einen Soundtrack und holen sich dafür niemand geringeren als Elton John ins Studio.

von Michaela Pichler

Es gibt diese Orte in der Popkulturgeschichte, an denen sich Kreativität in unausgewogener Weise anhäuft. Vielleicht ist an solchen Orten ja wirklich irgendetwas im Wasser oder an dem Law of Attraction ist doch etwas dran. Im Norden Englands trifft all das in irgendeiner kosmischen Weise auf jeden Fall zu. In Yorkshire findet nicht nur das legendäre Leeds Festival statt, aus der Region kommen auch viele wichtige Bands wie Pulp, Alt-J, Soft Cell, Arctic Monkeys oder Yard-Act.

Yard Act

Yard Act

Im Jänner 2022 ist das Debütalbum „The Overload“ von Yard Act erschienen.

Letztere ist noch ziemlich grünschnäblig, gegründet kurz vor Corona, haben Yard Act gerade erst diesen Jänner ihr Debütalbum „The Overload“ veröffentlicht. Damit hat das Quartett es auf Platz 2 der UK-Charts geschafft. Und aus diesem ersten Album haben Yard Act jetzt noch einmal einen Song in einer neuen Version veröffentlicht. Der Schlusstrack „100% Endurance“ wurde neu arrangiert und dafür haben sich die Musiker aus Leeds eine wahre britische Pop-Ikone ins Studio geholt: Elton John höchst persönlich.

Am Anfang war der Urknall. Und weil es in Yard Acts „100% Endurance“ um nichts anderes geht als schlichtweg ums ganze Universum, beginnt auch dieser Song mit einem Knall: I was woken by a bang /
And I could already taste the shame /
The sudden fear that grips and shakes you /
When you face the truth

Stell dir vor, du wachst auf, du bist verkatert. Die Erinnerungen an den Vorabend sind verschwommen, aus irgendeinem Grund ist deine Hose komplett versaut, die du dir natürlich nicht ausgezogen hast vor dem Ins-Bett-Fallen. Die Sonne scheint dir ins Gesicht, weil du schon wieder einmal vergessen hast, die Rollos runterzuziehen. Doch das ist alles egal. Zumindest in der Story, die Yard Act erzählen. Denn was in den TV-Nachrichten passiert, ist viel wichtiger.

Basically, thеy’d discovered, that therе were others just like us /
Other beings, other creatures, other planets with other species /
Who had other gods that they believed in /
And they interviewed all of them and everyone of them /
Not one could give any hint of a clue / what they were doing here either

Die Entdeckung des Jahrhunderts, des Jahrtausends - andere Lebensformen, andere Spezies wurden nun endlich entdeckt und belegt. Und Yard Act, die als junge Beobachter der britischen Arbeiter*innenklasse gefeiert werden, ziehen daraus den einzigen, wahren Schluss:

It’s all so pointless
It is and that’s beautiful, l find it humbling, sincerely
And when you’re gone
It brings me peace of mind to know that this will all just carry on

Der Zustand dieser Welt kann momentan nur noch als absurd abgetan werden. Die Klimakrise, Kriege, Menschenrechtsverletzungen á la Abtreibungsgesetzesänderungen, Verarmung oder rechte Politik, wo man nur hinschaut - die Liste kann noch lange so weiter gehen. Das wissen auch Yard Act, die mit ihren Songs immer wieder in einen Post-Brexit-Kontext gestellt werden. Umso eher gilt: Die Zeit ist eine Illusion und alles, was du jemals gedacht, gesehen und gefühlt hast, war schon vor dir da. Der Yard Act Sänger James Smith tut diese Beobachtung im Song zwar immer wieder schulterzuckend als „hippie bullshit“ ab, deshalb ist sie aber nicht weniger wahr.

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  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

Dem stimmt auch Elton John zu. In der neu arrangierten Version von „100% Endurance“ hält sich der Pop-Veteran hauptsächlich im Hintergrund, am Klavier. Damit fehlt der unaufgeregte Dance-Beat der Album-Version und stattdessen taucht da ein großes, letztes musikalisches Aufbäumen auf, bevor sich die Menschheit endgültig selbst abschafft - inklusive Streichern, natürlich. Für die Pop-Version wird in einer Strophe sogar der Songtext abgeändert. Statt die Aliens zu bekämpfen, will man sie mit Elton John an der Seite lieber beeindrucken, seine zwei Cents dazu: „It’s alright, I’ve had more hits than I’ve had hot dinners“.

Als Yard Act ihn für die Kollaboration angefragt haben, soll er mit einem einfachen „abso-fucking-lutely“ zugestimmt haben. Der Rest ist an einem Nachmittag in einem Londoner Studio passiert, John ist für seine jungen Kollegen wieder an seine Wurzeln zurückgekehrt. Ende der 1960er Jahre, als seine Pop-Karriere noch reine Zukunftsmusik war, hat sich Elton John als unbekannter Session-Musiker seinen Unterhalt verdient. Ein halbes Jahrhundert später ist das eine nette Anekdote, die er mittlerweile einer immer länger werdenden Liste an jungen Feature-Gästen (Miley Cyrus, Lil Nas x, Rina Sawayama, Dua Lipa, ...) erzählt.

Dass Sir Elton John, der - wenn wir uns ehrlich sind - nie so wirklich zu den coolen Kids des Popzirkus gehört hat, einmal auf einer modernen Hymne des Nihilismus als einfacher Session Musiker auftauchen wird, hätte man wohl auch nicht mehr erwartet. Das wirkt zwar Pathos-geladen aber nicht pathetisch. Dafür sorgt die Post-Punk-beheimatete Abgeklärtheit, die in Yard Act und ihrem Sound eingeschrieben ist. Dafür benötigt man als Hörer*in auch nicht 100% Ausdauervermögen, es reichen vier Minuten.

Gimme some of that good stuff, that human spirit
Cut it with a hundred percent endurance

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