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Die Band Metric

Justin Broadbent

Metric aus Kanada und ihr 8. Album „Formentera“

Die kanadische Band Metric nennt ihr neues, bereits achtes Album „Formentera“. Manchmal klingen Emily Haines, James Shaw und Co darauf ein wenig mehr nach Ibiza als Formentera, aber das macht nichts. Metric und ihr subversiver Pop haben mehr Kraft denn je zuvor.

von Eva Umbauer

Emily Haines kann alles, so scheint es jedenfalls, von schimmerndem Gitarrenpop über eisgekühlten Synth-Pop bis zu Kammerpop. Letzteren gibt es auf einer Soloplatte von Emily zu hören. Ersteres macht sie zusammen mit James Shaw, Joshua Winstead und Joules Scott-Key unter dem Bandnamen Metric. Die Band wurde Ende der 90er Jahre in Toronto gegründet und ist nun mit „Formentera“ bei ihrem achten Album angelangt. Alles, was Metric bisher gemacht haben, fließt ein in „Formentera“ - und dazu kommt natürlich praktisch Unvermeidbares wie die Erfahrungen von Pandemie und Lockdowns.

Es ist Jahre her, dass die Kanadierin Emily Haines auf der Baleareninsel Formentera war, und doch ist diese kleine, ruhige Schwester von Ibiza zu einem Sehnsuchtsort für alle Bandmitglieder von Metric geworden. James Shaw hatte in den letzten Jahren damit begonnen, das bandeigene Studio aus Toronto abzusiedeln, an einen ruhigen kleinen Ort nördlich der kanadischen Millionenstadt, und zwar in eine ehemalige Kirche.

Die Übersiedlung des bandeigenen Aufnahmestudios war ein großes Projekt für Metric. Emily Haines machte es zwischendurch auch schon einmal Angst, schließlich war damit auch mehr als nur ein wenig Geld verbunden. James Shaw hatte zuvor zusammen mit dem kanadischen Musiker Sebastien Grainger - von der Band Death From Above 1979 - in Toronto ein Tonstudio betrieben; als Sebastien aber nach Los Angeles übersiedelte, gab James diesen Space auf und übersiedelte all das Equipment aufs Land in besagte ehemalige Kirche.

Albumcover von Metrics "Formentera"

Metric Music-Thirty Tigers

„Formentera“ von Metric ist bei Metric Music International (Membran) erschienen.

„Am Ende“, so James Shaw von Metric, „war es eine surreale Erfahrung, dass alle im selben Raum waren, denn das Studio ist in einer umgebauten Kirche und wir haben keine Wände gebaut. Alles befindet sich in einem großen, offenen Raum, einschließlich der Küche. Zu viert konnten Liam, Gus - die Toningenieure -, Emily und ich uns um alles kümmern, was nötig war, und das alles zur gleichen Zeit: Aufnehmen, Schneiden, Konzipieren und außerdem das Kochen von leckerem Essen, das wir nach getaner Arbeit mit einer Flasche Wein genießen konnten. Und als wir dann endlich Josh und Joules ins Land holten und sie Teil des Ganzen wurden, war es, als würden wir völlig abheben. Es war eine einzigartige Aufnahmeerfahrung, ganz anders als alles, was ich je zuvor erlebt habe.“

Ein realer Ort wird imaginär

Emily Haines hatte James Shaw vertraut, dass letztlich alles gut klappen würde mit der Studioübersiedlung. Es klappte. Einmal ließ Emily im neuen Studio ein Magazin liegen, das Traumziele der Welt auflistete; Formentera war darunter. Die Seite, auf der diese kleine spanische Insel vorgestellt wurde, blieb aufgeschlagen, und vermutlich ist sie es weiterhin. „Formentera“ wurde zu einer Art Sehnsuchtsort für Metric - und zum Titel ihres neuen, achten Albums.

In Interviews zum Album sagt Emily Haines, dass Formentera für einen Ort steht, den sich die Band im Kopf vorgestellt hat, als man während der Pandemie nirgends hinfahren konnte, ja, nicht einmal wo hin gehen konnte. Was immer es genau ist, was einen im Leben gefangen hält, woraus man nicht zu entkommen scheint, so Emily Haines, vielleicht hat man die Kraft, sich im Kopf einfach, und sei es nur für kurze Zeit, daraus wegzubeamen.

Am Albumtitelsong singt Emily Haines „on Formentera beach why not walk away...“. Der Song hat ein großes orchestrales Intro und endet auch mit Streichern. Das sehr poppige „All Comes Crashing“ - samt toller Gitarre - handelt wieder von schwierigen Situationen: Welche Menschen - oder auch Tiere - würdest du an deiner Seite haben wollen in einer schwierigen oder gar Weltuntergangssituation, fragt Emily Haines. Dieser Song über die letzte Nacht unseres Lebens erhielt mehr als eine Million Streams.

„Oh Please“ basiert auf einem Funk-getränkten Bass und „I Will Never Settle“ hat etwas Melancholisches, aber auch etwas magisch Funkelndes: „This is not the song I wanted to write for you, this is not the way I wanted to make you feel, it´s loud and it´s distorted“, singt Emily Haines.

Aber gleich mit dem Albumopener werfen uns Metric mitten in ihr neues Album. Der Track heißt „Doomscroller“ und wandelt sich innerhalb von zehn Minuten von dunklem Rave-Pop zu wunderhübschem Indie-Pop mit akustischen Gitarren und einem erhabenen Piano. „I´m a doomscroller“, singt Emily Haines. Ein „Doomscroller“ ist jemand, der oder die sich am Handy von einer schlechten Nachricht zur nächsten wischt und in kompletter Hoffnungslosigkeit verharrt: „Rabbit in a hole, keep on digging“, singt Emily Haines in diesem gewaltigen Track.

„Paths in the sky, paths in the sky, that´s you and me and we´ll always be“, heißt es in „Paths In The Sky“. Davor hören wir aber noch das sich aufbäumende „False Dichotomy“, das richtig hübsche „Enemies Of The Ocean“ und einen der key tracks von „Formentera“, nämlich den Powerpop-Song „What Feels Like Eternity“ mit seinem tollen Stop-Start-Groove.

Vier Jahre nach ihrem letzten Album, „Art Of Doubt“ kehren Metric mit „Formentera“ kraftvoll zurück. Das neue Studio erzeugt einen tollen Klang für die Songs, die energetisch sind, aber auch tiefsinnig, voller Wärme, träumerisch und auch schon einmal elegisch, abgekämpft oder gar resigniert. Metric sind auf „Formentera“ subversiv und poppig zugleich. Wenn sie Rave-Pop machen, sind sie mehr Ibiza als Formentera, aber letztlich überwiegt der Formentera-Vibe. Welcome back, Metric!

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