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Maja Göpel hält die Eröffnungsrede beim Elevate-Festival in Graz 2022

Philipp Bohar

festivalradio

Fünf Erkenntnisse zu Transformation von Maja Göpel

Das Elevate Festival in Graz bringt Publikum, Musiker*innen und auch Wissenschafter*innen zusammen. Zum diesjährigen Festival-Thema „Transition“ hat die deutsche Wirtschaftswissenschafterin Maja Göpel augenöffnende Erkenntnisse.

Von Maria Motter

Künstliche Bienen sind auch keine Lösung. Das und noch viel mehr wird klar, wenn man Maja Göpel zuhört und ihren Bestseller „Unsere Welt neu denken“ liest. Mit dem Beispiel einer Mini-Drohne, die Pflanzen bestäuben sollte und die US-amerikanische Patentnummer 2018/0065749 trägt, macht die Ökonomin klar, welchen Wert Insekten für unser Leben haben. Ja, man kann die Arbeit der Insekten als Dienstleistung begreifen und käme dann auf Summen in Euro-Milliarden-Höhe.

Maja Göpel, deutsche Ökonomin und Nachhaltigkeitsforscherin, lächelt.

Anja Weber

Maja Göpels Buch „Die Welt neu denken - eine Einladung“ ist ein Bestseller geworden. Im Herbst erscheint ihr nächstes Buch.

Maja Göpel forscht und lehrt zu Nachhaltigkeit und am Elevate Festival in Graz hat sie die Eröffnungsrede im Leslie-Hof gehalten, vor dem sehr schönen Konzert von Sophia Kennedy. Göpel erklärt komplexe Begriffe in einer Weise, die an die Zeichentrickserie „Es war einmal... der Mensch“ erinnert. Sie hat „Scientists for Future” in Deutschland mitbegründet und ist Mitglied im Club of Rome. Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen aus vielen Ländern und hat bereits vor 50 Jahren Klartext gesprochen: „Die Grenzen des Wachstums“ ist der Titel der damaligen Studie gewesen. Jetzt sagt Maja Göpel: Wirtschaftswachstum heißt Klimawandel.

Die „Transition“, also den Übergang, die Veränderung, stellt das Elevate Festival diesmal in den Mittelpunkt. Maja Göpel hat dazu sehr praktische Gedanken. Hier fünf Erkenntnisse zu Transformation von ihr.

Den Tatsachen ins Auge schauen

„Natürlich haben wir ein blödes Problem, wenn Wachstum stoppt“, hält Maja Göpel fest. Sie sagt, wir haben uns in einer Scheinrealität eingerichtet in den letzten Jahrzehnten. „Aber wenn ich immer so tue, als wäre es kein Problem, das Wachstum vom Umweltverbrauch zu entkoppeln und noch mehr und noch mehr, werde ich nie die Lösung finden. Dann kommt irgendwann die Ökodiktatur, aber nicht von ‚irren, durchgeknallten’ Wissenschaftlerinnen, sondern - sehen wir doch überall: durch Dürren, durch Überschwemmungen, durch Ahrtalüberflutungen, die dann wieder Milliarden verschlingen, weil wir wieder aufbauen müssen. Hätten wir anders gewirtschaftet. Und das ist mein Trost: Wir können auch anders.“

Die Menschheit hat schon große Transformationen erlebt

Sesshaft geworden, Ackerbau entdeckt und Viehzucht begonnen, die Industrialisierung in Gang gesetzt - die Menschheit hat bereits massive Veränderungen erlebt und vorangetrieben. Jetzt haben wir dringenden Veränderungsbedarf. Das ist diese Transformation. „Es gibt überhaupt keinen Grund, dass irgendwer, nur weil er viel Reichtum hat, sich zurücklehnt“, so Maja Göpel. "Es kann ja so nicht bleiben. Bei den einen sind die sozialen Aufträge größer, weil wir die sozialen Ziele nicht erreichen, und bei all denen, die die weitgehend erreichen, sind die ökologischen Ziele riesengroß. Weil sie eben pro Kopf viel zu viel Planet dafür in Anspruch nehmen.“

Aggressive Framings bringen uns nicht weiter

Maja Göpel stellte bei Gesprächen immer wieder fest, wie sehr wir uns in Lagern, also in Ideologiekämpfen verhaken und nicht mehr miteinander sprechen können über das, was sich ändern soll. Weil die sogenannten "-ismen" im Spiel sind. „Ohne diese aggressiven Framings mal ein bisschen runterzufahren und zu sagen, worum geht’s eigentlich, können wir nicht die richtigen Lösungen finden.“

Zum Beispiel: Kapitalismus

„Kapitalismus – ‚wenn du dafür nicht bist, bist du für Kommunismus oder Sozialismus‘. Ja, aber was heißt denn überhaupt Kapitalismus? Da gibt es wieder einige Freunde aus meiner Ökonomen-Zunft, die sagen, Kapitalismus ist das Gleiche wie Marktwirtschaft. Äh-äh!“, sagt Göpel und macht ein lustiges Geräusch. „Wir können Märkte mit ganz unterschiedlichen Prinzipien organisieren, mit ganz unterschiedlichen Größenordnungen und das Finanzkapital muss da nicht so eine große Rolle spielen wie heute.“

Und nochmal: Ehrlich hinschauen

„Heute sind wir, wenn wir ehrlich hingucken, noch immer noch an dem Punkt, wo wir sagen, der Markt darf nicht gestört werden, die Staaten dürfen nicht intervenieren", sagt Maja Göpel. Spätestens jetzt mit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, mit den Abschöpfungen von bestimmten Renditen und von Krisen und von Krisengewinnern etc. kommen wir aber langsam dahin, zu verstehen: "Ja, Digitalkonzerne haben das eigentlich schon vorgemacht: Sind da eigentlich noch Marktstrukturen am Werk oder haben wir uns Oligopole geschaffen?“

Am Elevate Festival kommen noch bis inklusive morgen, Sonntagabend, Publikum und Musiker*innen und Wissenschaftler*innen zusammen. Beim Diskursprogramm ist der Eintritt frei und für alle, die es nicht nach Graz zum Elevate schaffen, gibt es einen Live-Stream. Da ist morgen Mittag zum Beispiel FM4s Natalie Brunner im Gespräch mit Peaches zu hören und zu sehen. Empfehlung!

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