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Slowthai live in Wien in der Arena

Patrick Münnich

Momentary Bliss: Slowthai war in Wien

Nach langem Warten war es am Sonntag so weit: Das Big Yeet ging in der Arena Wien über die Bühne und hat endlich UK-Popkultur-Botschafter Slowthai in die Stadt gebracht.

Von Christoph Sepin

Es war eben das große Konzertwochenende in Österreich: das Elevate Festival in Graz mit Peaches und dem Brian Jonestown Massacre, Harry Styles und Wolf Alice in der Wiener Stadthalle, alt-J in der Metastadt, das Acoustic Lakeside in Kärnten. Und dann der Sonntag als Abschluss. Viele Shows haben nachgeholt werden müssen aus den letzten Jahren, darum halt der große Überfluss. Eine davon das ambitioniert gedachte Big Yeet, ursprünglich als Open Air in der Arena Wien geplant, dann in die große Halle dort verlegt. Macht eh mehr Sinn, denn wenn dort der zwar nicht mehr im Underground beheimatete, aber doch im Clubshow-Setting brillierende Slowthai aufspielt, dann passt das schon so.

„TYRON“ heißt Slowthai nicht nur mit eigentlichem Namen, sondern so nennt sich auch sein letztes Jahr rausgekommenes zweites Album. In Großbritannien ist der aus Northampton kommende „langsame Tyron“, der Slowthai, schon längst ein provokativer Superstar, in dem allgemein eher an UKs Politiklandschaft interessierten Österreich eine Brücke zur aktuellen Popkultur zwischen Brexit, Boris Johnson und Theresa May. High-Energy verspricht seine Liveshow. Dass Wiens Arena für eine Nacht zu einem Club in London wird, ist zu hoffen.

Slowthai live in Wien in der Arena

Patrick Münnich

Bis es so weit kommt, muss man aber zuerst einmal herausfinden, was das ist, ein „Big Yeet“: „Welche Musik spielt es dort?“, fragt ein informationssuchender Mensch auf Social-Media in Richtung der Veranstalter*innen: „UK Rap, Deutschrap und Rap aus Kanada“. Mit letzterem ist Alexander Gumuchian alias bbno$ alias Baby No Money gemeint, der nach Slav, dem Swift Circle und Boloboys quasi den Slowthai-Opener macht. Ist halt aber doch ein ganz anderer Vibe als UK-Grime.

bbno$ findet Österreich schön, hat teils echt wacke Texte, aber happy-happy Instrumentierung, lehnt am Ende seiner Show eine Flasche Wodka ab (er trinkt erst wieder im Dezember, erzählt er) und macht dann noch zum Sommer passende Hotelclub-Animation mit den Vengaboys vom Band und „Boom Boom I Want You In My Room“. Dass das nicht einmaliger Teil der Performance ist, sondern vom Gesamtkonzept des Abends kann man noch nicht erahnen.

„Rise and shine, let’s get it“

Der Dresscode des Abends ist großteils weißes Shirt, Goldkettchen und Jogginghose, dank der Wiederauferstehung der Subkulturen gibt’s aber doch zumindest fashiontechnisch ein bisschen Diversität und sehr schönes Make-Up und Tätowierungen. Am - wie alles andere auch dreiviertel vollen - Balkon der Arena starten zwei junge Dudes einen Contest, wer höher springen kann, und verpassen dabei fast das sehr low-key startende Konzert von Slowthai.

Slowthai live in Wien in der Arena

Patrick Münnich

Der kommt nämlich einfach raus auf die Bühne, durch den Nebel der Smokemachine und stellt sich hin: Tyron Frampton, Northamptons own boy, hat Präsenz und ist für 60 Minuten der Dirigent der großen Halle der Arena. Es ist ein moody Set, ein drückendes, das wohl Open-Air nicht so funktioniert hätte. Die weißen Shirts werden ausgezogen und Handtücher um den Nacken gehängt, Slowthai macht es schließlich auf der Bühne vor. Und es gibt zumindest die Ambition, schöne Moshpits zu machen, auch wenn die HipHop-Fans gar ein bissl ungeduldig sind.

Befindet man sich dann aber darin, im aufgeregten Aufeinanderklatschen der Schultern und Goldketten, macht das aber alles Sinn, obwohl hier leider ein bisschen viel gedrückt statt gehoben wird. Bis zum FM4 Frequency ist es zum Glück eh noch einen Monat hin, da können die Leute noch ein bisschen solidarisch moshen üben (der historisch schlechteste Moshpit aller Zeiten fand wohl bei Yung Hurns Frequency Show 2018 statt).

Nicht nur Lektionen in Sachen Herumspringen gibt es zu lernen, sondern auch über Slowthais Persona: Der ist nämlich ein Superpro. Nonchalant lässt er es sich zumindest nicht anmerken, dass die Halle nicht ganz voll ist, thematisiert aber akzeptiert kleine Probleme mit seinem Sound bzw. In-Ear-Piece und hyped die Crowd hoch. Er winkt hin, alle winken zurück, dann Hände in die Luft und nochmal losmoshen. Es ist der Release, das Durchatmen, der Urlaub in der eigenen Stadt. Becher fliegen und Leute tanzen sich in Richtung Freude. Doch alles Spaß.

Slowthai live in Wien in der Arena

Patrick Münnich

Man hätte vermuten können, Slowthai würde ein Konzert wie viele spielen, bisschen phoned-in, kurz auftauchen und dann wieder abhauen. Ist aber nicht so. Was man jetzt schon vom Konzertsommer lernen kann, dann ist es, dass sich Künstler*innen ihrer Aufgabe bewusst sind, zu entertainen. Greatest Hits-Show, Gute-Laune-Sets von Open-Air-Bühnen bis zu verschwitzten Clubshows. Anderswo werden Rock’n’Roll-Millionäre am Würstelstand beklatscht und zu süßem Wassermelonenpop in der Wiener Stadthalle gekreischt, in der Arena wurde sich ein eigenes Popkulturmuseum gebaut.

„There’s a hole in your pocket, so you cannot find the change“, aus „Momentary Bliss“ können alle mitsingen, weil true. „I feel so good“, wie es Slowthai in Richtung der Menge brüllt, dann aber auch, weil es ebenso wahr ist. Und auch hier zum Abschluss noch mal alle mitgrölen zu schönstem Eurotrash. „Come on Barbie, let’s go party“, tönt es aus den Lautsprechern. And a party they had.

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