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"The Gray Man" mit Ryan Gosling

Netflix

FILM

Auch Ryan Gosling kann „The Gray Man“ nicht retten

Der Goslinger ist wieder da. Nach mehrjähriger Leinwandabsenz kehrt der charismatische Darsteller mit einem Action-Blockbuster fürs Heimkino zurück. Aber er hätte sich einen besseren Comebackfilm verdient.

Von Christian Fuchs

Eigentlich ist Keanu Reeves an allem schuld. Seit der Schauspielstar mit seiner Rolle des rabiaten John Wick Erfolge feiert, wollen diverse Hollywoodkollegen ebenfalls mitnaschen. Abtrünnige Auftragskiller im Actionmodus sind ein Trend der Stunde. Auch in der weiblichen Variante mit Charlize Theron oder Jessica Chastain. Demnächst wird Brad Pitt in „Bullet Train“ einen Hitman im Kampfeinsatz portraitieren. Vorher prügelt und schießt sich aber Ryan Gosling um sein Leben.

Für sein Comeback, nach mehrjähriger Babypause, hat sich der Mann, den bei FM4 alle den Goslinger nennen, einen Spionagethriller ausgesucht, den der Streaminggigant Netflix finanzierte. Die Grundstory von „The Gray Man“ passt auf eine Serviette - und wurde schon unzählige Male erzählt.

Ein Auftragskiller, der für den Geheimdienst arbeitet, gerät selbst ins Mündungsfeuer. In einem kurzen Prolog lernen wir einen jungen Häftling kennen, der für ein CIA-Spezialprogramm rekrutiert wird. Zwei Dekaden später steht Spezialagent Six alias Court Gentry im Mittelpunkt einer internen Verschwörung. Ganze Teams von Killern sind ihm auf den Fersen.

"The Gray Man" mit Ryan Gosling

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Bourne und Bond zugleich

Ganz kurz wirkt dieses Spektakel im Hier und Jetzt geerdet, aber der anfängliche Eindruck täuscht. „The Gray Man“ will Jason Bourne (Realismus!) und James Bond (Überhöhung!) zugleich sein, mit dem lärmigen Action-Bombast von Michael Bay als Bonus.

Im Regiestuhl sitzen aber die Brüder Anthony und Joe Russo, denen wir Marvel-Highlights wie „Avengers: Infinity War“ verdanken. Ihren Captain America haben sie auch mitgebracht: Chris Evans gibt hier aber den sadistischen Gegenspieler, eine Karikatur von einem gewissenlosen Bösewicht.

Was die Russos auch von Marvel mitgenommen haben: die extrem kostspieligen, aber irre billig wirkenden digitalen Effekte. Kaum eine große Actionsequenz, ob zu Land oder in der Luft, vermittelt einen glaubwürdigen Eindruck, alles schaut ein bisschen nach Festplatte aus. Da nützt es nichts, dass der Film durch unzählige Locations hetzt, von Thailand und Berlin bis zu Prag und sogar Wien, wo er im Hundertwasser-Haus einen Stopp macht.

"The Gray Man" mit Ryan Gosling

Netflix

Die Meisterwerke des Goslingers

Seine Drehfotos als schriller Ken in der kommenden „Barbie“-Verfilmung ließen das Internet kurz explodieren. Es ist aber schön, endlich wieder Ryan Gosling frisch aus der Babypause auch in Bewegung zu sehen. Müsste ich vier echte filmische Meisterstücke nennen, um die Faszination des Kanadiers zu beschreiben, die Nachdenkpause wäre nicht lang.

In "First Man"begeistert er als enigmatischer Astronaut Neil Armstrong und erster Mann auf dem Mond. „Blade Runner 2049“ zeigte ihn als düsteren Replikantenjäger in einer dystopischen Zukunft. In der grandiosen Krimikomödie „The Nice Guys“ spielt er einen herrlich derangierten LA-Cop. Und in dem Neo-Noir-Juwel „Drive“ fährt er mit Skorpionjacke dem Abgrund entgegen. Ryan Gosling kann sowohl wortkarg und mysteriös als auch schnoddrig-verblödelt ausnehmend gut.

"The Gray Man" mit Ryan Gosling

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Deepfake-Kopie eines Blockbusters

An all diese und andere tolle Werke des Goslingers kann „The Gray Man“ nicht anschließen. Der charismatische Darsteller hätte sich einen besseren Film für sein Comeback verdient. Und auch Ana de Amas oder Billy Bob Thornton versuchen ihren hohlen Charakteren vergeblich etwas abzugewinnen. Emotionale Anknüpfungspunkte, wie bei Bourne und Bond, gibt es in „The Gray Man“ nicht.

Um 200 Millionen Dollar wurde ein Streaming-Epos kreiert, dass sich wohl Algorithmen ausgedacht haben. Die Stärken von Netflix liegen eindeutig bei Prestigearbeiten wie „The Irish Man“ oder „Roma“, die kein anderes Studio finanzieren wollte. Versucht sich der Heimkino-Gigant aber an Blaupausen klassischer Popcorn-Eventmovies, kommt dabei nur Content vom Reißbrett heraus.

„The Gray Man“ verhält sich zu echten Hollywood-Blockbustern wie eine Deepfake-Kopie, meinte ein US-Journalist äußerst treffend. Bleibt Gosling-Fans also nur die Vorfreude auf die knallbunten Extravaganza „Barbie“, immerhin sitzt die göttliche Greta Gerwig im Regiestuhl.

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