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Hatching ist Coming of Age Body Horror

Polyfilm

Film

Coming of Age trifft Body Horror in “Hatching”

Nichts ist grusliger als das Erwachsenwerden. Im finnischen Body-Horror-Schocker „Hatching“ trifft die junge Protagonistin auf ihre dunkle Charakterhälfte – in monströser Form.

Von René Froschmayer

Die Kindheit ist noch nicht ganz vorbei, aber erwachsen ist man längst nicht. Die Welt als pubertierender Teenager ist aufregend, aber doch irgendwie auch gruslig. Eh klar, der eigene Körper durchläuft eine Verwandlung. Freund*innen verhalten sich auf einmal anders. Und die Eltern verstehen mich sowieso nicht mehr. Eine eigenartige, aber dennoch (zumindest aus der Nostalgieperspektive) magische Zeit. Womöglich boomt gerade deshalb das Coming-of-Age-Genre. Horrorelemente sind darin aber nichts Untypisches, wir erinnern uns an „Carrie“, „Raw“ oder „Super Dark Times“.

Der perfekte Blumenmuster-Schein trügt

So schlimm die Zeit der Pubertät sein kann, ein verständnisvolles (und vor allem geduldiges) Umfeld kann die kompliziertesten hormongeladenen Konflikte abfedern. Nichts weiter als das wünscht sich Tinja im finnischen Horror-Film „Hatching“. Ihr Leben scheint perfekt: wohlhabende Eltern, sportliches Talent, hippe Pastellfarben und Blumenmuster, soweit das Auge reicht. Perfekt ist die familiäre Idylle jedoch ausschließlich in den Augen von Tinjas Mutter: die rosarote Brille zu bewahren ist ihr Job. Als Mom-fluencerin inszeniert sie ein makelloses Alltagsleben. Also: geradestehen, Haare richten und ja kein Kilo zu viel wiegen.

Drill und elterliche Vernachlässigung prägen Tinjas Alltag. Ihre Ernährung ist mangelhaft, so will es die Mutter. Gymnastik ist Tinjas Leidenschaft, wenn es nach Mutters Vorstellung geht. Perfektionismus ist Muss – selbst wenn dafür die Hände blutig trainiert werden müssen. Das schlägt auf die Psyche.

Mädchen mit Riesenei im Kinderzimmer. Szene aus "Hatching".

Crossing Europe

Von Schuldgefühlen geplagt rettet das 12-jährige Mädchen ein verwaistes Vogelei aus dem Garten. Vorsichtig versteckt Tinja das Ei in einem riesigen Teddybären. Doch das Ei wächst und wächst, bis es das ganze Bett beansprucht. Schlimm genug - und dann tauchen plötzlich auch noch knacksende Risse im wuchernden Mitbewohner auf.

Hatching ist Coming of Age Body Horror

Polyfilm

Mental Health als Monstercontrol

Krallenbesetzte Hände, büschelweise verklebte schwarze Federn und ein mit menschlichen Zähnen besetzter Schnabel. Das frisch geschlüpfte Krähenwesen erregt Ekel, ohne Zweifel. Dabei verkörpert das monströse Biest die unperfekten Facetten von Tinjas Persönlichkeit. All der Zweifel, der psychische Druck und die aufgestaute Wut fließen in das Monster – und steuern dessen verstörendes Verhalten. Weder der Nachbarshund noch seine Besitzerin sind vor dem gefiederten Untier sicher.

Hatching ist Coming of Age Body Horror

Polyfilm

Farblich ist „Hatching“ in Pastellfarben, reinem Weiß und Blümchenmuster gehalten. Die Kostüme schreien Hipster-Hautevolee. A perfect match! Wie ein Leuchtturm aus dem Ozean ragt im finnischen Horror-Spektakel das Monsterdesign hervor. Hierbei handelt es sich aber nicht rein um aufwendige Animationen. Denn in ihrem Regiedebut hat sich Hannah Bergholm Unterstützung beim Monsterdesign-Profi Gustav Hoegen geholt. Hoegens Kreaturen sind Animatronics, mechanische Puppen. Zu sehen waren seine Kreaturen unter anderem im „Star Wars“-Franchise oder in Ridley Scotts „Prometheus“.

Body was?!

Body Horror ist ein Subgenre in der Horrorfilmlandschaft. Zentral ist darin die ausführlich dargestellte Zerstörung oder Deformierung menschlicher Körper.

Bei der diesjährigen Ausgabe des Crossing Europe Filmfestivals in Linz war Gustav Hoegen zu Gast – das FM4-Interview mit dem Monsterschöpfer ist hier zu lesen.

„Hatching“ ist vielschichtiger Body Horror, abseits von schlechten Effekten und einer oberflächlichen Handlung. Damit schafft Regisseurin Hannah Bergholm das, was schon Ari Aster in „Midsommar“ vorgemacht hat: den Horror in eine helle, scheinbar freundliche Welt zu bringen. Ebenfalls bemerkenswert: Siiri Solalinna, die mit „Hatching“ ihr Leinwand-Debut feiert. Sie verkörpert sowohl Tinja als auch gewisse Zustände ihres gefiederten Wesens - und das bravourös mit erst 13 Jahren.

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