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Bunte Luxustaschen

Pixabay/FranckinJapan

Todor Ovtcharov

Haben und Sein

Manchmal führt der Drang, etwas zu besitzen, zu schlechten Träumen. Und die Unmöglichkeit, etwas zu besitzen, zu gar keinen.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Das Bedürfnis, zu „haben“, ist etwas, was Menschen ausmacht. Man sagt, dass man durch das Verlangen, so viel wie möglich zu besitzen, die Angst vor der Ungewissheit der Zukunft überwindet und gleichzeitig Übermacht gegenüber der Natur demonstrieren will. Jeder hat schon einmal das Gefühl gehabt, etwas nicht „haben“ zu können, was man wirklich will. Das kann mitunter zu einer Depression führen.

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Eine Freundin von mir konnte sieben Monate lang nicht schlafen, da sie einmal träumte, sich eine Handtasche zu kaufen. Am nächsten Morgen sah sie die Tasche aus dem Traum in einer Geschäftsvitrine. Das Schlimme aber war, dass es ein „Cartier“ oder ein ähnliches Nobelgeschäft war und sie die Tasche vier Monatsgehälter gekostet hätte.

Aber dann nistete sich diese verdammte Handtasche in ihrem Kopf ein. Beim Mittagessen sah sie die Tasche. Als sie mit der U-Bahn fuhr, sah sie die Tasche. Im Kino hatten alle Kinohelden diese Tasche. Nicht, dass meine Bekannte keine Tasche hatte – sie hatte sehr wohl eine, sogar eine sehr schöne -, aber die Tasche aus dem Traum verdrängte alles. Sie musste diese Tasche haben. Sie fing an, kräftig Geld dafür zu sparen und hörte auf, ihr Lieblingssushi zu essen. Sie konnte nicht mehr normal schlafen, sie wachte nachts auf und sah die Tasche mitten im Raum hängen, in gespenstischem Licht. Sie machte sich echt Sorgen, den Verstand zu verlieren.

Auslage mit Taschen

Pixabay/Gerhard Kienzle

Sie fing an, das Taschengeschäft so weit wie möglich zu umgehen. Aber das Verlangen war stärker als sie. Am Ende sparte sie die benötigte Summe zusammen. Sie ging zu dem Geschäft. Die Tasche war nicht mehr da. Es stellte sich heraus, dass die Kollektion, zu der sie gehörte, ausrangiert war, die Tasche wurde nicht mehr verkauft. Sie boten ihr andere Taschen an, aber keine gefiel ihr, trotz ihrer berühmten Marke. „Ihre“ Tasche war verschwunden. Ihr Traum hat sich aufgelöst. Sie ging ins Sushilokal und aß so viel Sushi, bis ihr Reis aus den Ohren herauskam. In der Nacht schlief sie gut und träumte von nichts.

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