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Beyonce in einem Spiegel

Mason Poole

Das Sommer-Mixtape, das wir uns verdient haben

Beyoncé gibt uns auf ihrem heiß erwarteten siebenten Album einen DJ-Mix durch die Geschichte der (afroamerikanischen) Tanzmusik.

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Beyoncé Knowles sitzt, lehnt und liegt auf einem Polizeiauto, das - einem sinkenden Schiff gleich - langsam im Bayou untergeht. Die Schlusseinstellung ihres Videos zu „Formation“ ist kraftvoll und hat sie von der braven R&B-Sängerin zur rebellischen Popikone erhoben. Nach eher angepassten Anfängen als Teil der Girlgroup Destiny’s Child stellte sich Beyoncé jetzt offensiv gegen die Exekutive der USA und war bei der zugehörigen Superbowl-Halftimeshow von Tänzerinnen in Black-Panther-inspirierten Outfits umringt. Dem unweigerlich folgenden Backlash des konservativen Amerika hielt die gebürtige Texanerin problemlos stand.

Das und ihr sehr persönliches Album „Lemonade“ sind jetzt schon sechs Jahre her. Beyoncé brachte bei einer lebensbedrohlichen Geburt Zwillinge auf die Welt und war nur ein Jahr später für das gigantische „Homecoming“-Konzert auf der Bühne zu körperlichen Höchstleistungen imstande. Ein gemeinsames Album, auf dem sie Ehemann Jay-Z zeitweise an die Wand rappte, und der Soundtrack zum Remake von „Lion King“ folgten. Obwohl es also eigentlich keinen Mangel an Musik von ihr gab, war die Aufregung über ein echtes neues Solo-Album groß, und die erste Single „Break My Soul“ gab mit 90er-House-Orgeln die Marschrichtung unmissverständlich vor.

Das Herz von „Renaissance“ schlägt großteils im Viervierteltakt der House Music, die ja bekanntlich in den 80er Jahren in afroamerikanischen Clubs in Chicago entstanden ist. Aber auch rhythmische Einflüsse aus Südafrika, Nigeria, der Karibik oder dem Südstaaten-Rap spielen wichtige Rollen. Das Album ist wie ein DJ-Mix aufgebaut, wo die Songs fließend ineinander übergehen. Das passiert teilweise so raffiniert, dass man die Übergänge gar nicht mitbekommt.

Beyoncé sitzt auf einem glitzernden Pferd

Beyoncé

Beyoncé - „Renaissance“

In einer kurzen Nachricht an die Fans beschreibt Beyoncé die Platte als ersten Teil einer Trilogie, die während der Pandemie entstanden ist. Da hat sie sich einen safe space geschaffen, um ohne Perfektionismus an der Musik zu experimentieren. „Renaissance“ ist auch eine Hommage an die afroamerikanische Kultur und Musikgeschichte, deshalb gibt es sehr viele textliche und musikalische Zitate zu entdecken. Da wird der hypnotische Discoklassiker „I Feel Love“ von Donna Summer und Giorgio Moroder zur Basis von „Summer Renaissance“, der Song „Church Girl“ ist eine astreine Hommage an den New Orleans Bounce, und sogar ein Projekt des leider verstorbenen österreichischen Produzenten Peter Rauhofer hat es in die ausgedehnten Credits geschafft: Der Song „Unique“ aus dem Jahr 1991 von Danube Dance featuring Kim Cooper wird in „Alien Superstar“ zitiert.

Neben vielen Referenzen und Samples haben auch echte Legenden im Studio mitgearbeitet: Nile Rodgers von Chic hackt auf „Cuff It“ seine unnachahmliche Rhythmusgitarre und die große Grace Jones verleiht „Move“ an der Seite von Afrobeats-Königin Tems ihre ganz eigene Energie (im Song „Energy“ ist wiederum Dancehall-Vokalist Beam zu hören). Produzent*innen wie Honey Dijon, Syd von The Internet oder Skrillex schaffen zusammen ein sehr vielseitiges Hörerlebnis, wo zwischen abgehangenen Discogrooves, infektiösen Polyrhythmen und technoiden Clubknallern sehr viel möglich ist.

Beyoncé ungeschminkt

Mason Poole

Weil „Renaissance“ ein Wohlfühlalbum für den Sommer ist, bleibt die Politik eher auf der symbolischen Ebene - in der Feier der afroamerikanischen Kultur, von weiblicher Sexualität, aber auch von Queerness. Beyoncé hat das Album ihrem Onkel Johnny gewidmet, einem schwulen Mann, der ihr viel Tanzmusik vorgespielt hat, auf die sie sich jetzt bezieht. Explizite politische Äußerungen findet man hingegen kaum, was ja prinzipiell kein Problem ist. Man hätte nur bei einem Songtitel wie „America Has A Problem“ womöglich Hinweise auf rassistische oder patriarchale Unterdrückung in ihrem Heimatland erwartet - es geht aber eher um Beyoncés Hotness.

Abgesehen davon ist das aber ein sehr gut gemachtes, sommerliches Mixtape für die Pool- oder Parkbankparty. Vollgepackt mit Samples, Zitaten und Referenzen, die sowohl eine gewisse Nostalgie bedienen als auch zum Weiterforschen in Richtung Afrobeats, Amapiano oder Atlanta Bass einladen. Inhaltlich und stimmlich gibt uns Beyoncé viel Selbstbewusstsein und Selbstermächtigung mit. Wenn man „Renaissance“ im Ohr hat, geht man also auf jeden Fall mit erhobenem Haupt und höchstwahrscheinlich auch mit einem Tänzeln im Schritt.

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