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Elisabeth Lechner

Radio FM4 | Veronika Weidinger

Leider ein Fail

„Der Sommer gehört auch uns“, war der Claim einer Kampagne zur Body Positivity in Spanien, die schon nach wenigen Tagen wieder eingestampft wurde.

Das Herzstück der Kampagne war ein Plakat, auf dem fünf ganz verschiedene Frauen zu sehen waren: dick, behaart, auch brustamputiert. Sie sind am Strand und fühlen sich wohl in Bikini und Badehose. Dann aber wurden Vorwürfe laut, dass dafür Bilder von Frauen verwendet und verfremdet wurden, ohne sie zu fragen. Das ist problematisch, findet auch Kulturwissenschafterin Elisabeth Lechner, die so eine Kampagne dennoch wichtig findet. Veronika Weidinger hat mit ihr gesprochen.

Buchcover in Schwarz und Pink

Kremayr & Scheriau

Elisabeth Lechner ist Kulturwissenschafterin und hat zu ‚ekligen‘ weiblichen Körpern und Body Positivity an der Universität Wien promoviert. Ihr Buch „Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper“ ist 2021 bei Kremayr und Scheriau erschienen.

Als Femsista ist Elisabeth Lechner auf Twitter und Instagram.

„Als ich das Sujet das erste Mal gesehen habe, war ich gleich ganz begeistert davon, auch von dem Tweet, der dieses Bild begleitet hat. Da war die Rede davon, der Sommer gehört auch uns, genieß ihn, wo und mit wem du willst, heute stoßen wir auf einen Sommer für alle an, ohne Klischees und ohne ästhetische Gewalt gegen unsere Körper. Das ist schon eine sehr starke, wirkmächtige Sprache, und auch die Bildpolitik fand ich sehr überzeugend.“

Die linke Regierung in Spanien setzt auf feministische Politik, so wurde das Abtreibungsrecht liberalisiert und seit kurzer Zeit dürfen sich Frauen mit starken Regelbeschwerden von der Arbeit frei nehmen. Die Kampagne für Body Positivity und Diversität ist also eingebettet in einen breiteren frauenpolitischen Kontext. Nun hat der Auftraggeber, das spanische Gleichstellungsministerium, die Kampagne aber wieder von allen Kanälen entfernt und man hat sich entschuldigt – was ist passiert?

Kurz nach der Veröffentlichung haben sich drei der Frauen gemeldet, die sich auf dem Plakat wiedererkannt hatten. Die Fotos von ihnen seien ohne ihr Wissen für die Grafik der Kampagne verwendet worden, außerdem habe man die Bilder verfälscht. Zu sehen war auch das britische Model Sian Green-Lord, dessen Beinprothese wegretuschiert worden war. Auf dem Plakat der spanischen Kampagne ist sie mit zwei Beinen zu sehen.

Juliet Fitzpatrik hat Brustkrebs überlebt, ihr mussten beide Brüste abgenommen werden. Auch sie erfährt über Social Media, dass sie in der spanischen Kampagne sehen ist. Auch ihr wurde ein fehlender Körperteil hinzuretuschiert: Sie ist oben ohne mit einer Brust abgebildet.

Gerade in einer Kampagne, die Vielfalt abbilden und fördern soll, die Bilder zu retuschieren, sei besonders problematisch, sagt Elisabeth Lechner: „Man nimmt die Stimmen der Betroffenen eigentlich gar nicht ernst und ist nicht mutig genug, die Körper so zu zeigen, wie sie sind, in all ihrer Vielfalt, sondern zwängt sie erst wieder in Normgitter.“

Da wird konterkariert, was die Kampagne eigentlich machen wollte.

Grundsätzlich sei es aber ein wichtiger Ansatz, wenn von einer Regierung das Thema Bodyshaming auf die Agenda gesetzt und ernst genommen wird, erklärt die Kulturwissenschafterin.

Lookism - also Diskriminierung aufgrund des Äußeren - kann über Lebenswege entscheiden. Lechner verweist auf empirische Studien, die belegen, dass jene Menschen, die als schön gelten, daraus Vorteile im Leben ziehen, während jene, die als hässlich gelten, mit Abwertung und Benachteiligung bis hin zu physischer Gewalt konfrontiert sind.

Wo feministische „Utopie“ zum Gesetz wird
Feministische Forderungen, die weltweit von den meisten wohl als „utopisch“ abgetan werden, sind in Spanien kürzlich in Gesetze gegossen worden. Mehr dazu in ORF.at.

„Das heißt, wenn Menschen immer nur auf ihre Optik reduziert werden und diese von anderen als minderwertig eingeordnet wird, dann führt das dazu, dass diesen Menschen nicht auf Augenhöhe begegnet wird und sie nur als Objekte gesehen werden. Wenn man nur mehr ein Ding ist, ist man schneller ein Opfer von Gewalt.“ Lechner fordert ein Umdenken, gerade bei der Mehrheit, die das vielleicht gar nicht so mitkriegt, wie problematisch es ist, wenn man nicht normschön ist.

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