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Szenenfoto aus "Bullet Train"

Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH

Coolness und Melancholie

Im neuen Actionepos „Bullet Train“ ist Brad Pitt als Auftragskiller im Brachialeinsatz. Dabei gehören solche eskapistischen Rollen eher zur Ausnahme in seiner Karriere. Hier sind 10 Pitt-Figuren für die Ewigkeit.

Von Christian Fuchs

Stimmt schon, in seinem neuen Film bietet der Mann jetzt nicht gerade die spektakulärste Leistung seiner Karriere. Abgesehen von der sicher anstrengenden Action-Choreografie schüttelt Brad Pitt eindimensionale Charaktere wie den Auftragskiller in „Bullet Train“ locker aus dem Handgelenk. Am Status des wohl spannendsten Hollywoodstars seiner Generation kratzt die überzogene Thrillerkomödie aber definitiv nicht.

Brad Pitt, so liest man in aktuellen Interviews zu „Bullet Train“, ist so vieles gleichzeitig. Kunstmäzen und Künstler aus Leidenschaft, Teilzeitarchitekt, Unterstützer diverser humanitärer Projekte, neuerdings spielt er auch Gitarre und teilt sich das Hobbytöpfern mit anderen Prominenten. Dass sich Pitt in einem Gespräch mit der tollen Autorin Ottesa Moshfegh als ewig Suchender outet, als Melancholiker, der das Schöne und Hässliche gleich umarmt, steigert die Sympathiewerte ins Unendliche.

Szenenfoto aus "Ad Astra"

20th Century Fox

Vor allem ist Brad Pitt aber Schauspieler und Film-Ermöglicher. Kein vergleichbarer männlicher Star seiner Altersklasse geht mit seiner Box-Office-Macht so kreativ um. Bei Pitt spürt man eine echte Faszination für das Kino. Ohne Grenzen zwischen Realismus und Eskapismus, Cineastentum und Genre-Brachialität zu ziehen, schlüpft der Mann in abgewrackte Antihelden und brüchige Vaterfiguren ebenso wie in überlebensgroße Action-Charaktere.

Als Produzent gehört er zu den wichtigsten filmischen Vermittlern, die Kunst und Kommerz verschmelzen. Ambitionierte Regisseure wie Terrence Malick, Andrew Dominik, James Gray oder Steve McQueen verdanken ihm wichtige Filme. Daher hier nun eine streng subjektive Verbeugung vor den zentralen Rollen von Mr. William Bradley Pitt.

Up in smoke: Der kiffende Slacker in „True Romance“ (1993)

Als Brad Pitt seinen ersten größeren Leinwandauftritt in „Thelma & Louise“ hat, verreißen ihn Kritikerschnösel noch als posierendes Männermodel. Mit einer apathischen Minirolle holt er sich aber Bonuspunkte in Sachen Credibility. Dabei tut er in Tony Scotts fantastischer Tarantino-Verfilmung „True Romance“ nicht viel mehr, als verhuscht auf der Couch zu knotzen. Das ist aber mehr als genug.

Verloren im Regen: Der unnachgiebige Detective in „Se7en“ (1995)

Hoffnungslosigkeit steht im Zentrum von David Finchers Geniestreich „Se7en“. Mit seinen verstörenden Mord-Tableaus wird der Film zur Blaupause für eine ganze Reihe stylischer Killermovies. Mittendrin Pitt als getriebener Polizist, dem das Leben schrittweise ausgehebelt wird. Bis zum bitteren Ende, das damals seinesgleichen suchte - und erst durch den Hollywoodstar ermöglicht wurde, der es bei den Studios durchsetzte.

An der Nervensägengrenze: Der durchgeknallte Patient in „12 Monkeys“ (1995)

Man kann die Art und Weise, wie Brad Pitt in Terry Gilliams großartigem Zeitreisethriller einen verrückten Verschwörungstheoretiker anlegt, leicht als outrierendes Overacting auslegen. Das wäre aber reichlich humorlos. Wie eine Fleisch und Blut gewordene Comicfigur hetzt er durch den Film und lässt erstmals ein manisches Talent aufblitzen.

Schlag mich härter: Der prophetische Terrorist in „Fight Club“ (1999)

Für viele noch immer der beste Part des Herrn Pitt. David Fincher durchschaut beim Casting für seinen sarkastischen Milleniums-Schocker, was viele Kritiker nicht verstehen: Es gibt nicht viele Schauspieler in Hollywood, die einen arroganten Underground-Guru so charismatisch spielen können, dass Männer und Frauen ihn gleichermaßen sexy finden. Dank Pitts Engagement wird das Meisterwerk des kapitalismuskritischen Körperkinos aber überhaupt erst finanzierbar.

He’s just Pikey: Der Vagabundengangster in „Snatch“ (2000)

Okay, der Mix aus Testosteron, Gewalt und Gelächter, aus dem sich Guy Ritchie eine Karriere bastelte, ist manchmal fragwürdig. „Snatch“ gehört aber zu den Höhepunkten seines Schaffens. Brad Pitt wächst als irischer Ganove im bizarren Stakkato-Slang über sich selbst hinaus. Kulturelle Aneignung? Komik-Kunst!

Elegisch in den Untergang: Der Titelheld in „The Assassination Of Jesse James By The Coward Robert Ford“ (2007)

Meditativ kommt der Beitrag des australischen Regisseurs Andrew Dominik zum lange totgeglaubten Westerngenre daher. Melancholisch untermalt von Nick Cave und Warren Ellis fasziniert Brad Pitt als Verbrecherikone in einem hypnotischen Stück Zeitlupenkino. Ganz nebenbei sorgt er durch seine Anwesenheit auch für Reflexionen zum Celebritykult der Gegenwart.

I was thinking how nothing lasts: Der jugendliche Greis in „The Curious Case of Benjamin Button“ (2008)

Viele hassen diesen Film; der Schreiber dieser Zeilen hält ihn für einen der besten im Gesamtwerk von David Fincher. Ein manieristisches, romantisches, barockes Fantasy-Epos über das Altwerden, die Begrenztheit unserer Existenz, die Sterblichkeit. Auf den Punkt gebracht in der Sequenz, in der Brad Pitt plötzlich CGI-verjüngt auftaucht und die Vergänglichkeit der Jugend symbolisiert.

Someday we’ll fall down and weep: „The Tree of Life“ (2011)

Während sich in den Nullerjahren der gleichaltrige Johnny Depp in kindischen Rollen vom echten Leben abgrenzt, stürzt sich Brad Pitt mitten hinein. Im wunderbarsten Teil von Terrence Malicks Gänsehautmeisterwerk spielt er den strengen Vater in einer texanischen Familiengeschichte. Eine vielschichtige Rolle, die die Coolness vergessen lässt, mit der Pitt manchmal hausieren geht.

Die Oscar-Rolle: „Once Upon A Time in Hollywood“ (2019)

„Once Upon a Time in Hollywood“ zeigt Los Angeles anno 1969 von seiner flirrendsten, prachtvollsten und zugleich gruseligsten Seite. Mittendrin ein Stuntman mit düsterer Vergangenheit, den Brad Pitt aber maximal sonnig spielt. Cliff Booth ist gefährlich, entspannt, sexy und clever zugleich. Regisseur Quentin Tarantino hält Pitt für einen der „letzten verbliebenen großen Filmstars“ und hat recht.

Space is the place: „Ad Astra“ (2019)

Brad Pitt als Astronaut, der die Isolation des Alls sucht. Mutig in seinem Job, will er sich mit seinen irdischen Gefühlen nicht konfrontieren, vor allem, was seine Beziehung betrifft. Bis Major McBride einen dringenden Auftrag bekommt, der ihn an äußere und innere Grenzen zugleich führt. Brad Pitt, eben noch Mr. Lässig bei Tarantino, jetzt sinnsuchender Raumfahrer: Kein männlicher Star seiner Generation verkörpert so überzeugend den Sprung vom Genrekino zur Arthouse-Ambition.

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