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Interview

Affenpocken und Homophobie

Mit dem weltweiten Anstieg von Affenpocken-Infektionen sind auch homophobe Aussagen im Internet spürbar angestiegen. Um dem entgegenzuwirken, braucht es eine klare und nicht stigmatisierende Kommunikation durch Medien und Behörden, sagt HOSI-Wien-Obfrau Ann-Sophie Otte.

Von Ali Cem Deniz

Das Affenpocken-Virus breitet sich derzeit weltweit aus. Die WHO hat den Ausbruch zur internationalen Notlage erklärt. Betroffen sind aktuell vor allem Männer, die mit Männern Sex haben. Männer, die mit Männern Sex haben – die Weltgesundheitsorganisation verwendet diese Formulierung, um zu betonen, dass nicht nur Homosexuelle sich mit Affenpocken anstecken können. Doch die Kommunikation durch die Behörden und Medien klappt bisher nicht immer gut, sagt HOSI-Wien-Obfrau Ann-Sophie Otte.

FM4/Ali Cem Deniz: In Internetforen und auf Social-Media-Plattformen sind häufig Kommentare zu lesen, die schwule Männer für den Ausbruch der Affenpocken verantwortlich machen. Gibt es einen Anstieg an homophoben Ereignissen, sowohl im Netz als auch auf der Straße?

Ann-Sophie Otte: Ja, es ist ein Fakt, dass im Moment viele Männer, die mit Männern Sex haben, betroffen sind. Dieses Virus kann aber jeden treffen und unterscheidet eigentlich nicht nach Geschlecht oder sexueller Orientierung. Und da diese Information leider oft nicht verbreitet wird, sondern irgendwie gerade auch in vielen Medien und Artikeln Männern, die mit Männern schlafen oder homosexuellen Männern irgendwie eine Mitschuld mitgegeben wird, schürt das natürlich mehr Anfeindungen. Und das Netz ist immer auch ein Ort, an dem Homophobie doch sehr regelmäßig auftritt. Und das sehen wir leider bei dieser Krankheit auch schon wieder, dass da Stigmatisierung passiert, die eigentlich total fehl am Platz ist.

Das Netz ist immer auch ein Ort, an dem Homophobie doch sehr regelmäßig auftritt. Und das sehen wir leider bei dieser Krankheit auch schon wieder, dass da Stigmatisierung passiert, die eigentlich total fehl am Platz ist.

Gibt es jetzt mehr Leute, die zu euch kommen und von Anfeindungen berichten?

Ann-Sophie Otte: Wir haben jetzt die ersten Meldungen, nach dem wir vor zwei Tagen an die Presse gegangen sind und Forderungen an Minister Rauch gestellt haben. Es haben sich erste Personen bei uns gemeldet, die sagen, dass sie während ihrer Erkrankung unangenehme Erfahrungen mit Gesundheitspersonal und Behörden gemacht haben. Wir sind gerade noch dabei dem nachzugehen.

In den letzten Tagen kursierte diese Meldung, dass ein Mann mit Affenpocken in der Madrider U-Bahn fährt. Viele Medien haben das übernommen und verbreitet. (Später stellte sich heraus, dass es eine Falschmeldung ist). Kann man bei solchen Meldungen von einer homophoben Stigmatisierung oder Angstmache reden?

HOSI-Wien-Obfrau Ann-Sophie Otte

HOSI Wien

Ann-Sophie Otte ist Obfrau der HOSI Wien. Das Interview mit ihr könnt ihr hier nachhören.

Ann-Sophie Otte: Also ich glaube sie sind auf jeden Fall wahnsinnig unseriös, weil aufgrund eines verschwommenen Fotos eine Diagnose zu stellen, halte ich für sehr, sehr schwierig. Ich glaube auf jeden Fall, dass das auch was mit Homophobie zu tun haben kann oder grundsätzlich mit einer Panikmache, was mit dieser Krankheit zu tun hat.

Also was diese Krankheit betrifft, merken wir einfach, dass Schuldkarten verteilt werden, die absolut fehl am Platz sind, weil es eine Krankheit ist, die jede Person betreffen kann, die engen Körperkontakt mit einer infizierten Person hat. Und natürlich gibt es da immer wieder auch Vorfälle wie diesen.

Wie würdest du die Kommunikation der Behörden bewerten? In Deutschland gab es etwa Kritik an Informationsbroschüren vom Robert-Koch-Institut. Wie schaut es in Österreich aus?

Ann-Sophie Otte: Ehrlich gesagt findet viel zu wenig Kommunikation statt. Also nicht nur, dass Teile der Kommunikation nicht sensibel genug sind. Das ist ein Faktor. Der andere Faktor ist, dass hier überhaupt keine Informationen an die Mehrheitsgesellschaft rausgehen, dass die Informationen nicht in Einfacher Sprache zur Verfügung stehen und auch nicht in der Sprache von den migrantischen Communities, die wir hier in Österreich durchaus auch haben. Es werden einfach die Fehler, die während Corona passiert sind, wiederholt und die Informationen an die Bevölkerung sind viel zu langsam.

Es werden einfach die Fehler, die während Corona passiert sind, wiederholt und die Informationen an die Bevölkerung sind viel zu langsam.

Teile davon sind bestimmt auch stigmatisierend und nur auf homosexuelle Männer abgezielt oder bezeichnen auf einmal die monogame Beziehung als einzig stabile Beziehung. Und das sind einfach Faktoren, die durchaus schon diskriminierend sind.

Wie kann man Männer, die mit Männern Sex haben, informieren, ohne dass es eben stigmatisierend wird?

Ann-Sophie Otte: Die Fakten darf man ja sagen. Man kann sagen, dass es in dieser Personengruppe eine hohe Ansteckung gibt, aber man muss im gleichen Atemzug auch den anderen Menschen den Dienst erweisen zu sagen, dass es auch heterosexuelle Personen betreffen kann. Es kann jeden treffen, es ist keine Sexualkrankheit. Man muss aufklären, dass es durch engen Hautkontakt übertragen wird und so kann man das nicht-stigmatisierend darstellen, indem man darauf hinweist, dass alle betroffen sein können.

Es kann jeden treffen, es ist keine Sexualkrankheit.

Und während es sich jetzt auf eine bestimmte Personengruppe konzentriert, ist es möglich, dass es sich auch auf die Mehrheitsgesellschaft überträgt. Wenn wir etwa daran denken, dass die Krankheit bei Sexarbeiter*innen auftritt und die das an Kund*innen weitergeben, die dann wiederum nach Hause gehen und engen Körperkontakt mit anderen Menschen haben.

Würdest du die aktuelle Debatte mit der AIDS-Hysterie der 1980er Jahre vergleichen? Oder kann man schon sagen, dass wir da sensibler geworden sind?

Ann-Sophie Otte: Ich glaube der Versuch ist auf jeden Fall da und es ist mehr Awareness da als in den 1980er Jahren. Trotzdem sind es total unterschiedliche Krankheiten und es gab damals auch viel weniger Wissen. Ich glaube, deswegen ist das ein schwieriger Vergleich. Aber man kann durchaus sagen, dass in der Kommunikation sich einiges verbessert hat und dass viele Medienschaffende versuchen, nicht-stigmatisierend zu berichten.

Und wie kann man damit umgehen, wenn man jetzt im Umfeld doch homophobe Aussagen hört?

Ann-Sophie Otte: Ich glaube: mit den Fakten ganz klar Aufklärungsarbeit leisten, die Person darüber aufklären, dass es eben eine über Hautkontakt übertragbare Krankheit ist, ihnen zu sagen: wenn du Symptome bekommst, solltest auch du zum Arzt gehen und dich auschecken lassen. Und dass es etwas ist, das, wenn wir es nicht jetzt eindämmen, auch sehr schnell alle anderen interessieren könnte, weil es dazu führen könnte, dass diese sehr, sehr schnell sich verbreitende Krankheit dann doch auch ganz dezidiert Heteros treffen kann.

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