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Zwei Buchcover mit gezeichneten Musikerinnen

Ventil Verlag

Weibliche Role Models in der Musik

„These Girls, Too“ erzählt von so unterschiedlichen Musikerinnen wie Bessie Smith, Angel Olsen oder Billie Eilish. Die Musikbranche ist immer noch männerdominiert, dabei gibt es in jedem Genre in jeder Gegend Frauen, die mit ihrer Musik die Welt verändern. Ihre Geschichten erzählt dieses Buch.

Von Eva Umbauer

„These Girls, Too - Feministische Musikgeschichten“ ist die Fortsetzung zum vor ein paar Jahren erschienenen „These Girls - Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte“. Die Herausgeberin dieser Musikgeschichten ist, wie schon beim ersten Mal, Juliane Streich, Journalistin und Kulturwissenschafterin aus Berlin. Die Autorinnen und Autoren dieser Geschichten sind ganz unterschiedliche, genauso wie die Musikerinnen, von denen in diesem Buch erzählt wird. „These Girls, Too“ geht zurück bis in die 1920er Jahre, während der erste Teil, „These Girls“, mit den 1950ern begonnen hat. Auch sind nun ganz aktuelle Musikerinnen dazugekommen.

„These Girls, Too“ bietet über hundert Texte, geschrieben von Journalist*innen, Musiker*innen, Fans und Friends über Musikerinnen, die sie berühren und bewegen oder beeinflusst haben, Künstlerinnen, die Musikgeschichte geschrieben haben oder einfach „nur“ gute Songs. Nicht jede der Frauen, über die hier geschrieben wird, ist ein Star geworden, aber jede eine Inspiration.

Juliane Streich

Franziska Barth

„Dieses Buch will nicht nur von prägenden Musikerinnen erzählen, sondern natürlich auch empowern, also greift zu den Instrumenten, liebe Frauen, und wenn ihr keine habt, nehmt die Demo-Taste eures Keyboards, beatboxt oder ladet euch ein Programm herunter, das das für euch macht. Oder denkt euch zumindest schon mal einen Bandnamen aus.“ (Juliane Streich)

So schreibt Kerstin Grether - sie war in der Hamburger Riot-Grrrl-Band Parole Trixie und spielt heute bei Doctorella - für „These Girls, Too“ über Amy Winehouse. Kerstin, oder Kersty, wie sie sich nun nennt, war schon mit 15 Jahren Autorin für die deutsche Musikzeitschrift Spex und liebt das Schreiben noch immer, auch Romane gibt es von ihr, etwa „Zuckerbabys“.

Bei Amy Winehouse fällt Kersty Grether auf, dass ihre besondere Fähigkeit zur mitreißenden Songzeile oder auch die Tatsache, dass sie ihre Lieder selbst auf der Gitarre komponieren konnte, den Menschen - Fans, wie Kritiker*innen - nicht annähernd so viel Anerkennung abnötigten wie ihre dunkle Jazz-Stimme, die Mitte der 2000er Jahre besonders viel Respekt erfuhr, weil sie das beste Beispiel für einen Paradigmenwechsel im weiblichen Stimmklang war.

„Je mehr gesellschaftliche Emanzipation man Frauen zugesteht, desto männlicher und tiefer darf ihre Gesangsstimme sein. Amy löste das ‚Sopran-Ideal‘ (der schreiend-hohe Klang der Madonna und Disco-Ära) ab, und bezauberte stattdessen mit einer atemberaubend angenehmen Melange aus viel Brust- und auch ein wenig Kopf-Stimme, die als viel weiser und erwachsener gelesen wurde als die hellen Stimmen des Pop.“

Jacinta Nandi, eine britische Autorin, Bloggerin und Kolumnistin, die seit 20 Jahren in Berlin lebt, zeigt uns das Londoner Indie-Pop-Duo Shampoo, das in den 90ern wie eine Leuchtrakete mit kurzer Wucht in den britischen Pophimmel abhob.

„Sie sangen über verpasste Nachtbusse und geklaute Autos. ‚Uh oh we’re in trouble!‘, sangen sie wie Kleinkinder, die aus Versehen einen Hamster getötet haben. Sie wussten, dass sie Ärger kriegen würden. Das Lied war gleichzeitig gefährlich und harmlos, und so sahen die Teenagerinnen aus: glamourös, aber punk, gefährlich, aber auch süß. Riesen Sonnenbrillen, blonde Haare, Bubble Gum, Superman-T-Shirts. Baby Spice, aber auf Ketamin.“

Herausgeberin Juliane Streich thematisiert die Menstruation im Pop, Blond heißt die (deutsche) Band dazu: „Es gibt viele Beispiele, wie und wo die Menstruation das Leben erschwert. Und trotzdem gibt es selbst in den provokativsten und subversivsten Musikgenres und -gruppen kaum Songs darüber. Anders bei Blond. Die Chemnitzer Band hat mit ‚Es könnte grad nicht schöner sein‘ einen Song geschrieben, der zu einer Mitsing-Melodie erzählt, was die Tage alles kaputt machen.“

Von Elastica rund um Justine Frischmann - eine der wenigen Musikerinnen während der Britpop-Zeit in den 90ern - über die New Yorker Rapperin MC Lyte bis zur Bassistin Toody Cole von der US-Band Dead Moon lesen wir, von großen Namen wie Stevie Nicks oder Joan Jett und auch von sehr aktuellen Musikerinnen wie der Wiener Band Dives, Girl In Red aus Norwegen oder der ukrainischen Rapperin Alyona Alyona.

„These Girls, Too - Feministische Musikgeschichten“ ist eine tolle Ergänzung zum ersten Band, ein Update, in dem sich richtig gut schmökern lässt, wo man dabei immer wieder hängen bleibt, und gleich Lust auf den nächsten Text bekommt, ganz gleich, ob er von britischen Drum&Bass-Musikerinnen handelt, von Billie Eilish, Lena Stoehrfaktor oder Kae Tempest.

Eines ist Herausgeberin Juliane Streich noch wichtig: „[M]it Frauen meine ich alle, die sich angesprochen fühlen. Denn bewusst werden in diesem Buch auch Musikerinnen porträtiert, die mal männlich gelesen wurden oder die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen. Denn Feminismus bedeutet Gleichberechtigung, Diversität und Teilhabe für jede:n!“

„These Girls, Too - Feministische Musikgeschichten“ ist im Ventil Verlag erschienen.

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