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Neven Subotic

Kiepenheuer & Witsch

Der beste Fußballer der Welt

„Alles geben“ will der Ex-Fußballer Neven Subotić nicht mehr auf dem Platz, sondern dort, wo es wirklich zählt. Seine Stiftung bohrt Brunnen in Afrika, um Menschen mit dem Notwendigsten zu versorgen: sauberem Wasser. Für Subotić ist das keine schicke Charity, sondern eine Lebensaufgabe.

Von Rainer Springenschmid

Der Multimillionär Neven Subotić lebt zusammen mit seiner Freundin in einer 90 Quadratmeter großen Wohnung, aber nur, weil seine Freundin die Wohnung geerbt hat. Eigentlich, findet er, sind 90 Quadratmeter zu viel für nur zwei Menschen. Als Neven noch ein Kind war, hatte seine Familie zu viert gerade mal zwei Zimmer.

Kurz vor den Jugoslawienkriegen flüchten seine Eltern mit Neven und seiner Schwester aus Bosnien nach Deutschland, in den Schwarzwald. Dort werden sie von Frau Stumpf aufgenommen, die selbst am Ende des Zweiten Weltkriegs aus Schlesien geflohen war. Für Familie Subotić weicht Frau Stumpf auf ihre Couch aus und überlässt ihnen Schlaf- und Gästezimmer.

„Er ist für mich der außergewöhnlichste Spieler, mit dem ich je zusammengearbeitet habe. Nicht fußballerisch, aber menschlich“, schreibt Jürgen Klopp im Vorwort zu „Alles geben“.

Als Neven zehn Jahre alt ist und sich auf seinen Übertritt aufs Gymnasium vorbereitet, ist der Krieg in Bosnien vorbei und die Familie muss Deutschland wieder verlassen. Sie übersiedeln nach Salt Lake City. Dort wird Nevens Fußballtalent entdeckt, er wird amerikanischer Jugendnationalspieler. Schließlich kommt er als Fußballer wieder nach Deutschland, zum Zweitligisten Mainz 05 unter dem Trainer Jürgen Klopp, der ihn ein Jahr später zu Borussia Dortmund mitnimmt. Ein Leben wie im Traum beginnt, so möchte man zumindest meinen.

Subotić lebt sein Fußballerleben so, wie es alle machen. Er hat ein großes Haus, mehrere Autos, eine Sneakersammlung, diverse Liebschaften und Affären, und er verbringt den Großteil seiner Freizeit an der Playstation oder in Clubs. Aber er kann seinen Reichtum nicht genießen, dieses Fußballerleben kommt ihm zunehmend hohl und sinnlos vor.

Nach fünf Jahren als Profifußballer gründet er eine Stiftung, in die er sein Vermögen einbringt, und beginnt, den Großteil seiner Statussymbole zu verkaufen. Neven Subotić möchte sein Geld für etwas Sinnvolles einsetzen. Er sucht sich nicht irgendein Charityprojekt, sondern geht dorthin, wo die Not am größten ist. Mit Hilfe von NGOs und lokalen Aktivist:innen beginnt er, Brunnen in Gemeinden der äthiopischen Region Tigray zu bohren.

Neven Subotić hat den Willen eines Menschen, der in relativer Armut aufgewachsen ist, er hat das Arbeitsethos seiner Eltern als Vorbild, die während des Bosnienkrieges neben zwei oder drei Jobs noch VW-Busse voll Lebensmittel für Bosnien organisiert haben, und die Menschlichkeit von Frau Stumpf. Gleichzeitig ist er getrieben von postkolonialen Schuldgefühlen und vom schlechten Gewissen, Jahre seines Lebens als Fußballerklischee vergeudet zu haben.

Helfen möchte er dort, wo es am notwendigsten ist, und nirgendwo anders, er entwickelt eine Rastlosigkeit, weil er, egal, wieviel er gibt, seiner privilegierten Position nicht entkommt. Neven Subotić möchte, wie der Titel seines Buches sagt, wirklich alles geben.

„Alles geben“ ist eine sehr ungewöhnliche Fußballerbiografie. Im Mittelpunkt stehen nicht seine Heldentaten auf und neben dem Platz, sondern seine Zweifel und sein Hadern mit der Rolle als Fußballer und als Mensch, der auf die Butterseite des Lebens gefallen ist. Ganz nebenbei lässt er aus dem aufgeblasenen Fußballbusiness noch ein bisschen die Luft raus, wenn er sich wundert, dass er von Fans gelobt wird, weil er mit der S-Bahn zum Training fährt – schließlich fahren Millionen Menschen mit der S-Bahn zur Arbeit.

Auf 270 Seiten erzählen er und seine Co-Autorin Sonja Hartwig in einfachen Worten Karriere und Gedankenwelt von Neven Subotić nach, um seine Motivation, sein Leben den ärmsten Menschen auf diesem Planeten zu widmen, herauszuarbeiten. Das Buch macht die Getriebenheit dieses Menschen sichtbar, aber auch seine Fähigkeit, die Getriebenheit in Energie umzuwandeln. Im besten Falle kann „Alles geben“ uns dazu motivieren, es Neven Subotić zumindest ein kleines bisschen gleich zu tun.

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