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Screenshot Fashionmuseum

KULTURA Ex Machina

Wer sagt, was Kunst ist? Du!

Im kostenlosen Game „Occupy White Walls“ eröffnet man ein digitales Museum und erstellt eine Ausstellung ganz nach dem eigenen Geschmack. Das Entwicklerstudio will Kunst zugänglicher machen und kritisiert die Kunstszene als abgehoben und elitär.

Von David Riegler

Der Besuch in einem Kunstmuseum ist für manche Menschen eine ergreifende und emotionale Erfahrung, bei der sie stundenlang vor den Werken stehen und sich inspirieren lassen. Wer schon einmal in einem Museum war, weiß jedoch, dass solche Menschen eher die Ausnahme sind. Ein realistischer Besuch im Museum ist eher geprägt von Schulklassen, die sich von einem Raum in den nächsten schleifen, und vielen Menschen, die durchgehen, aber keinen Zugang zur Ausstellung finden – so ist es mir selbst schon oft gegangen.

Holt die Bilder aus dem Keller

Das Game „Occupy White Walls“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Erlebnis zu verändern und Kunst zugänglicher und demokratischer zu machen. Das Spiel ist kostenlos und bietet einem die Möglichkeit, selbst ein Museum zu eröffnen, in digitaler Form. Der Entwickler Yarden Yaroshevski will damit auch die vielen Werke an die Öffentlichkeit bringen, die es oft jahrelang in keine Ausstellung schaffen: „Die meisten Museen stellen nur rund 10 Prozent ihrer Sammlungen aus, alles andere liegt im Keller.“

Screenshot aus Spiel Marmorstatue in Neonlicht

KULTURA Ex Machina

Diese physischen Grenzen sind im Spiel abgeschafft. Man hat unendliche Möglichkeiten sein Museum zu gestalten, egal, wie groß, bunt, futuristisch oder klassisch man es haben will. Der Baumodus funktioniert dabei ähnlich wie das Hausbauen in der Sims-Reihe und hat auch spannende Architektur-Tools zu bieten, mit denen man sich bis ins Surreale austoben kann. Sobald man sein Traumgebäude erstellt hat, taucht man in die Kunstdatenbank ein, die mittlerweile über 30.000 verschiedene Werke enthält, darunter digitalisierte Klassiker, aber auch viele Bilder von noch unbekannten Künstler*innen.

Klimt und Penisbild

An dieser Stelle beginnt ein spannender Prozess, weil man sich jetzt auf eine Art und Weise mit Kunst beschäftigt, wie es normalerweise nur professionelle Kurator*innen machen. Man scrollt sich durch und immer wieder gibt es Bilder, bei denen man stehen bleibt, die eine Wirkung haben, die man anklickt, um mehr über sie zu erfahren, und die es dann oft in die Ausstellung schaffen. Dieser Prozess wiederholt sich so lange, bist man eine Zusammenstellung von Bildern hat, die etwas in einem selbst ausgelöst haben.

Screenshot Beispielmuseum aus dem Spiel

KULTURA Ex Machina

Das Kunsterlebnis im Game ist deutlich aktiver und individueller als in der Realität. Die Regeln der Kunstszene sind außer Kraft gesetzt, hier darf ein Klassiker von Klimt neben einem Pop-Art-Penisbild hängen. Nur man selbst sagt, was Kunst ist. Für Yarden Yaroshevski vom Entwicklerstudio KULTURA Ex Machina ist es genau dieser Prozess, der für eine Demokratisierung sorgen soll, die es dringend brauche: „Die Kunst im Museum wird von einem Establishment aus Kurator*innen, Kunsthändler*innen und Kunstsammler*innen kontrolliert, die besser zu wissen scheinen, was die Menschen wollen, als die Menschen selbst.“

„Occupy White Walls“ ist natürlich auch nicht frei von Hürden, denn man verliert schon einmal die Übersicht und auch die unterstützende Künstliche Intelligenz namens D.A.I.S.Y. (Discover Art Intended Specifically for You) schafft es nicht immer, einem den Weg durch die vielen tausend Gemälde zu zeigen. Doch was das Spiel hervorragend macht, ist, wie es Menschen in die Welt der Kunst holt, die sich bisher davon ausgeschlossen gefühlt haben.

Kritik an der Kunstszene: elitär, arrogant, abgehoben

Man kann hier durch die Galerien von andere Spieler*innen schlendern und unglaublich spannende Museumskonzepte erleben, die oft von Menschen erschaffen worden sind, die noch nie etwas mit einer Kunstuni zu tun hatten. Genau das ist auch das Ziel der Entwickler*innen, die sich nicht mit Kritik an der Kunstszene zurückhalten. Schon im Trailer zeigen sie einen überzeichneten Kunstexperten, der arrogant auf den Pöbel herabblickt und damit prahlt, wie er Millionen macht mit dem Verkauf von Bildern an russische Oligarchen.

Das ist logischerweise überspitzte Satire, doch es steckt auch ein reales Problem dahinter. Kunst wird viel zu oft wie eine feingeistige Disziplin der Oberschicht behandelt. Hier im Game haben alle die gleichen Möglichkeiten und müssen mit einer gute Ausstellung überzeugen, unabhängig davon, wie gut man in der Kunstszene connected ist oder wie lange man studiert hat.

„Occupy White Walls“ wurde von Kultura Ex Machina entwickelt und ist kostenlos für Windows und Mac verfügbar.

Ganz nebenbei schafft das Game es auch noch, einigen jungen Künstler*innen eine Plattform zu geben, denn man kann auch eigene Werke in die Datenbank einfügen. Ganz im Mainstream ist das Spiel noch nicht angekommen, und böse Zungen betiteln es als Minecraft für Hipster, aber die vielen digitalen Museen und unterschiedlichen Zugänge der Spieler*innen sprechen dafür, dass das Konzept funktioniert und durchaus Menschen für Kunst begeistert, die davor wenig damit zu tun hatten. „Occupy White Walls“ ändert die Perspektive, es ist zugänglich, schön und der lebende Beweis dafür, dass Kunst niemandem und allen gehört.

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