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Jakob Schubert klettert im Überhang

KVÖ/Lanzanasto

Klettern: Neues Olympia-Format im Härtetest

Die Europameisterschaften im Klettern in München küren diesmal nicht nur die Kontinentalchampions in den traditionellen Kletterdisziplinen Speed, Bouldern und Lead, sie sind auch Schauplatz des ersten internationalen Tests für das neue olympische Kombinationsformat, das 2024 in Paris zum Einsatz kommt. Olympiamedaillengewinner Jakob Schubert hat dazu ganz eigene Gedanken.

Von Simon Welebil

Gerade mal ein Jahr ist es her, dass Jakob Schubert bei der olympischen Premiere von Sportklettern die Bronzemedaille geholt hat. Trotzdem ist er froh, dass das Olympic Combined Format von damals jetzt Geschichte ist, und dem Großteil der Kletter*innen geht es wohl ähnlich. Denn in Tokio hat es nur eine einzige Medaillenentscheidung für das Sportklettern gegeben, die Kletterkombination, die alle drei Disziplinen umfasst hat: Speed, wo eine immer gleiche Route möglichst schnell geklettert wird, Bouldern, wo schwierigste Kletterzüge auf kurzer Strecke geklettert werden, und Lead (Vorstiegsklettern, das klassische Seilklettern), wo es darum geht, möglichst hoch auf einer schweren Route zu kommen.

Speziell Speedklettern stellt dabei ganz andere Anforderungen an die meist sehr spezialisierten Kletter*innen, wird oft mit einer Disziplin der Leichtathletik verglichen. Für Speed gibt es deshalb bei den nächsten Olympischen Spielen in Paris 2024 eigene Medaillen, was für Bouldern und Lead auch angestrebt wird, aber für 2024 noch nicht realisierbar ist. Die beiden letzteren Disziplinen gibt es als immer noch nur in der Kombination, doch auch das hält seine Tücken bereit.

Neue Kombination aus Bouldern und Lead

Bouldern und Lead zu verbinden, ergibt jetzt mehr Sinn, sagt Kletterer Jakob Schubert, „weil die Disziplinen schon sehr miteinander verwandt sind“. Im Gegensatz zum Speedklettern geht es bei beiden um Schwierigkeit. Die meisten Boulder*innen würden auch im Vorstieg klettern und als Vorstiegskletter*in müsse man auch bouldern. Schwierig wird es allerdings, die Leistungen aus beiden Disziplinen zusammenzuzählen.

Für diese Angelegenheit hat der Kletterweltverband IFSC eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die dafür ein neues Wertungsformat entwickelt hat. Die internationale Athletenkommission, der Jakob Schubert auch angehört, sei zwar um ihre Einschätzung gebeten worden, hätte aber nicht aktiv mitgearbeitet.

Leistungen werden addiert, statt Platzierungen multipliziert

Der aktuelle Vorschlag, der diese Woche bei den Kletter-Europameisterschaften in München erstmals bei einem internationalen Wettkampf erprobt wird, sieht vor, dass die Leistungen aus Bouldern und Lead in Punkte umgerechnet und dann zusammengezählt werden. Insgesamt können 200 Punkte erreicht werden, 100 pro Disziplin.

Im Bouldern können bei jedem der vier sogenannten Boulderprobleme 25 Punkte erreicht werden. Dafür muss der Boulder flash, also im ersten Versuch, bis ans Top geklettert werden. Jeder weitere Versuch geht mit einem Abzug von 0.1 Punkten einher. Kann der Boulder nicht bis zum Top geklettert werden, kann man Punkte für zwei Zwischenwertungen erhalten, 3 Punkte für die erste Zone, 6 Punkte für eine neu eingeführte zweite Zone.

Im Leadklettern gibt es 100 Punkte für den Durchstieg der Route, wobei die höchsten Griffe mehr Punkte bringen als die am Anfang. Für die obersten 15 Griffe bekommt man je fünf Punkte, darunter dann 3 oder weniger.

Problem der gerechten Gewichtung

Der große Vorteil dieses Formats ist nach Jakob Schubert, dass man nicht mehr so stark von der Leistung anderer Athlet*innen abhängig ist wie im alten Format, wo die Einzelplatzierungen in den jeweiligen Disziplinen miteinander multipliziert wurden. In Tokio 2021 hat etwa Jakob Schuberts Sieg in der Disziplin Vorstieg dazu geführt, dass Klettersuperstar Adam Ondra statt der Goldmedaille nur mehr die blecherne geholt hat. Ein Nachteil sei aber, dass die Kletter*innen jetzt noch abhängiger vom Routenbau würden und die Gewichtung der Disziplinen gleich bleibt: „Wenn beispielsweise die Vorstiegsroute viel zu leicht geschraubt wird und viele Kletterer das Top erreichen, dann geht es viel mehr ums Bouldern. Andersrum kann es natürlich genauso passieren.“

TV-Hinweis
Die Kletter-EM aus München wird am 17. und 18. August auf ORF-Sport+ live übertragen.

Welche Auswirkungen dieses neue Format schlussendlich mit sich bringt, wird sich diese Woche zeigen. Die EM-Silbermedaillengewinnerin im Vorstieg, Jessica Pilz, wird am Mittwoch, 17. August 2022, ab 15 Uhr die erste österreichische Athletin sein, die das Format testet. Für den frischgebackenen Boulder-Europameister Nicolai Užnik aus Kärnten und Jakob Schubert geht es dann am Donnerstag, 18. August, ums den Premierentitel im neuen Format. Jakob Schubert vermutet, dass es noch wichtiger werden wird, im Bouldern gut abzuschneiden, weil hier eher große Vorsprünge herausgeklettert werden können. Sich selbst sieht er dafür gut gerüstet:

„Im Bouldern und Vorstieg war ich in der Vergangenheit schon sehr erfolgreich. Ich glaube, normalerweise bin ich schon ein großer Favorit, dass ich es nach Paris schaffen werde.“

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