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Florence Arman am FQ 2022

Franz Reiterer

So war der Festival-Abschluss am FM4 Frequency

Mit Bilderbuch, Regenschauer und Feuerwerk hat das FM4 Frequency in St. Pölten zu seinem großen Finale angesetzt. Nach dem letzten Festivaltag sollte man sich außerdem noch diese zwei Musikerinnen sehr gut merken: Baby Queen und Florence Arman.

von Michaela Pichler

Festivals sind Orte des Ausnahmezustands, der Ekstase, der Gegensätze, der Ambivalenzen und der Bewunderung. Und all das gab es auch am letzten Tag des FM4 Frequency Festivals in St. Pölten zu erleben. Seit Mittwoch haben Festivalbesucher*innen den Campingplatz an der Traisen belagert, sich Bier an die verschwitzten Hände geklebt, die beste Freundin im Konzert-Tumult verloren, verzweifelt nach einem freien Klo gesucht oder den besten Konzert-Moment des Sommers erlebt.

„Bisher war es wirklich ein unglaublicher Festivalsommer! Mein bisheriges Highlight war tatsächlich gestern, am Lowlands Festival!“ Eine glückliche Florence Arman steht neben dem FM4-Container, wo gerade eine Sondersendung Live vom Frequency läuft. Die britisch-österreichische Musikerin ist direkt erst eingeflogen, am Freitag hat sie noch in den Niederlanden neben Artists wie James Blake, Jungle, Stromae, oder den Arctic Monkeys gespielt. Ihr schönster Moment dabei war aber gar nicht das Auf-der-Bühne-Stehen, sondern das Selbst-Fan-Sein. Florence Arman hegt schon lange eine Bewunderung für den Londoner Singer-Songwriter KAMAL. Am niederländischen Lowlands konnte sie ihn nun nach ihrem eigenen Auftritt im Backstage persönlich kennen lernen.

Einen Tag später, am Frequency-Samstag, dreht sich der Spieß wieder um und die Newcomerin steht auf der großen Space Stage. Im Publikum sind bekannte Gesichter, die beiden Kolleginnen Keke und Adaolisa sind auch gekommen, um Florence Arman bei ihrem ersten Frequency-Auftritt zuzujubeln. Der entwickelt sich am frühen Nachmittag zu einem Wechselspiel aus mittlerweile schon bekannten Radio-Melodien á la „Naked“, „In A Heartbeat“ oder „Out Of The Blue“ und noch unveröffentlichten Material.

Einer dieser neuen Songs handelt zum Beispiel von Florence Armans erstem Verliebtsein in eine andere Frau. „I didn’t know that I could do that!“, kommentiert sie lachend Richtung Publikum. Der Track hat ähnlich viel Pop-Appeal wie einst Katy Perrys „I Kissed A Girl“, stimmlich hat Florence Arman ihrem Ruf alle Ehre gemacht. Das Fazit nach ihrem Frequency-Debüt: Florence ist nicht nur eine der spannendsten, aktuellen Pop-Hoffnungen in Österreich, sondern auch eine ziemlich coole und lustige Socke.

Wie auch schon am Vortag entwickelt sich die Red Bull Stage in der Halle zu einem Geheimtipp für beste Konzerte. Am Freitag hat das Musikerinnen-Duo Nova Twins bereits ein Moshpit-Fest gefeiert. Und auch fürs Konzert-Highlight am Samstag ist eine Künstlerin verantwortlich: Bella Latham ist dank des Internets mittlerweile besser unter ihrem Pseudonym Baby Queen bekannt. Mitten im Lockdown hat sie mit ihrem popverliebten Indie-Rock viele Herzen an den Endgeräten erobert und mit ihren ersten Songs auch einen Labeldeal an Land gezogen.

Erst letztes Jahr konnte sie diese Fans zum ersten Mal in der realen Welt, auf echten Bühnen und bei tatsächlich nicht verschobenen Konzerten kennen lernen. „Es ist so ein aufregendes Jahr für mich. Seit meinem ersten Festival-Auftritt als Baby Queen letztes Jahr hat sich so viel verändert, so viele Fans sind dazu gekommen!“ Baby Queen ist munter und motiviert und das, obwohl sie quasi durchgemacht hat. Am Vorabend hat sie ihren 25. Geburtstag gefeiert und wo geht das besser als auf einem Festival!? Gefeiert wurde im Londoner Viktoria Park, beim All Points East Festival. Baby Queen war privat dort, um sich Pop-Kollegin Self Esteem und die Gorillaz anzusehen. Als sie nach den Konzerten dann auch noch Damon Albarn kennenlernt, wird der Tag zum schönsten Geburtstag ihres bisherigen Lebens.

FM4 Live vom Frequency 2022
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Mit dieser Geburtstags-Energie betritt Baby Queen für ihr allererstes Österreich-Konzert die Red Bull Stage am Samstagabend. Sie hat eine knallpinke E-Gitarre umgehängt, an der sie noch einiges an gut-verschrammelten Hooks rausholen wird. Ganz vorne hat sich eine kleine Hardcore-Baby-Queen-Fantraube versammelt, die jeden Song nicht nur lipsynct, sondern aus vollen und weniger vollen Kehlen mitgrölt. Das Live-Set sitzt, Baby Queen hatte die letzten Wochen und Monate mit ihren drei Bandkollegen viel Zeit zum Live-Proben - mit dem US-amerikanischen Shootingstar Olivia Rodrigo ging es gemeinsam auf Tour.

Nun rollen ihre Songs durch die St. Pöltner Indoor-Halle. Musikalische Gedanken über Sex, Probleme mit dem eigenen Selbstwertgefühl oder die „Internet Religion“ - unsere toxische Beziehung zu Social Media. Zwischen den Songs quatscht Baby Queen mit ihrem kleinen, aber feinem Baby Kingdom, wie sie selbst ihre Fangemeinde nennt. Und wenn sie dann folgende Zeilen aus dem noch nicht veröffentlichten Song „Lazy“ singt - „I could be the new Scorsese / I could drive a pink Mercedes / I could be a hero baby / But I’m too fucking lazy“ - ja dann verwandelt sich Baby Queen für sehr glückliche Fans im Publikum zur Frequency-Heldin des Tages.

Kurz bleiben wir noch auf dieser besagten Red Bull Stage. Denn der nächste Act möchte entdeckt werden. Es ist Oliver Malcolm, der in Schweden geborene, in Großbritannien aufgewachsene und in Los Angeles lebende Musiker und Producer. Letztes Jahr hat er mit seinem Hit „The Machine“ die FM4-Charts erobert, sein Mix aus Abgeklärtheit, großen Posen, britischem Zorn und Attitüde klingen vielversprechend.

Im FM4-Interview fragt Kollegin Melissa Erhardt ihn, ob man denn für den Job eines Artists, der auf riesigen Bühnen steht, ein großes Ego benötige. „Schau mich an, würde ich mich so anziehen, wenn ich keins hätte!?“, lautet die prompte Antwort, er tippt auf sein sleeky Sakko. Live wird dieses Ego dann auch auf eine seltsame Weise sichtbar. Oliver Malcolm beginnt ein bisschen zu spät und hört viel zu früh auf - sein Set kommt auf eine knackige halbe Stunde. Ob es die kleine Crowd war, die ihm nicht gereicht hat oder ob es doch Soundprobleme gab? Am Ende springt Oliver Malcolm jedenfalls von der Bühne, um mit seinen eingefleischten Fans aus der ersten Reihe zu schäkern. Die hätten aber schon lieber ein ganzes Konzert erlebt.

Für das Grande Finale am diesjährigen Frequency spalten sich noch einmal die Musikmengen: Die einen strömen Richtung Green Stage, wo Kontra K auf seine vielen Deutschrap-Fans wartet. Die andere, eingefleischte Indie-Hälfte, bahnt sich den Weg Richtung Space Stage. Bilderbuch sind gekommen, um ein Festival-Heimspiel zu feiern. Zwar nicht mit Pauken und Trompeten, dafür aber mit einem riesigen Tuch, das vor die Bühne gespannt ist. Bunte Kritzeleien sind darauf zu sehen und in krakeliger Schrift steht darauf „Am Ende, das Wir, das Uns, das Alles“ geschrieben. Als die Lichter auf der Bühne angehen, sind die Bilderbuch-Schemen hinter dem vielen Stoff schon zu erahnen. „Bungalow“ setzt ein und der Vorhang fällt.

Outfit-technisch sehen Bilderbuch anfangs aus, als würden sie gerade in einer harten Gustav-Klimt-Phase stecken. Die wehenden langen Kleider bilden das modische Äquivalent zu dem psychedelischen Sound, der sich immer wieder zu den vielen Hits mischt. Neben den altbekannten Bandmitgliedern Ernst Maurice, Michael „Mizzy Blue“ Krammer, Peter Horazdovsky und Philipp Scheibl bekommen die vier mit Lukas König und Katrin Paucz als Live-Band Unterstützung. Letztere kennen wir normalerweise als Sharktank-Gitarristin - dank ihr gibt es bei diesem Headliner-Konzert zumindest eine Frau auf der Bühne zu sehen.

Für Bilderbuch haben sich die Festivalbesucher*innen wieder zu einem Menschenmeer vereint - ähnlich wie schon am Freitagabend bei den deutschen Headlinern AnnenMayKantereit. Während unzähligen Gitarrensoli werden immer wieder die Luftgitarren im Publikum ausgepackt, man diskutiert, welcher Bilderbuch-Song denn nun wirklich der beste ist („Checkpoint (Nie Game Over)“!), Menschen liegen sich in den Armen. Und dann, dann gibt es ja auch noch das Feuerwerk, das nicht nur nach dem allerletzten Frequency-Konzert in die Luft verballert wird, sondern auch schon bei Bilderbuch in den euphorischsten Momenten als Extra. Wirklich gebraucht hätte es wohl niemand.

Eine mit Endorphinen vollgepumpte Festivalbesucherin meint nach den letzten Bilderbuch-Akkorden beim Vorbeigehen: „Ich will, dass mein ganzes Leben ein Festival ist.“ 365 Tage volle Festival-Madness? Wem das dann doch ein bisschen zu arg ist, der kann ja schon mal die Tage im Kalender wegstreichen, bis zum nächsten Frequency. Die ersten Namen fürs Line-Up 2023 gibt es sogar schon, darunter z.B. K.I.Z., Kraftklub oder Mathea. Man merkt: Da ist noch viel Platz für gute Flinta-Acts. Hoffentlich.

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