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Unterricht in der Wiener Lerntafel

Wiener Lerntafel

Lernen, Spaß und Lebensfreude bei der Wiener Lerntafel

Ein wichtiges Angebot in Zeiten der Teuerungen und steigendem Lerndruck: Bei der Lerntafel bekommen Kinder im Volksschulalter, deren Eltern sich Nachhilfe nicht leisten können, Lernhilfe und umfassende Unterstützung.

Von Livia Praun

Bei der Wiener Lerntafel ist auch im Sommer so einiges los. In überschaubaren Gruppen lernen die Kinder mit Arbeitsblättern und kleinen Büchern das Alphabet und üben schreiben, lesen und rechnen. Ein Mädchen zeigt mir stolz, wie man sich mit den Händen beim Kopfrechnen helfen kann, wie viele Buchstaben sie kennt und was für Wörter sie schon schreiben kann. Sie hat eine andere Muttersprache als Deutsch, wie die meisten Kinder hier.

Die Psychotherapeutin Sabrina, die bei der Lerntafel arbeitet, erklärt, dass hier viele Kinder mit Migrationshintergrund sind, und auch Kinder mit Fluchthintergrund (momentan auch viele aus der Ukraine). Aber: „Wir haben auch Kinder, die einfach einen Förderbedarf haben.“

Bildung wird in Österreich vererbt

Das private Umfeld ist entscheidend für den Lernerfolg von Kindern, erklärt die Bildungsexpertin Elke Larcher von der AK Wien. Im österreichischen Schulsystem werde nach wie vor stark auf Lernzeit zu Hause gesetzt: „Dadurch ist entscheidend, welche Ressourcen privat vorhanden sind. Haben die Eltern Zeit, Geld und Bildung?“, meint Larcher und stellt fest: „Wir sehen eine massive Vererbung von Bildung.“ Das heißt: Wie gut die Kinder im Bildungssystem zurechtkommen und wie hoch am Ende ihr Abschluss ist, hängt zu einem sehr großen Teil vom Bildungsniveau der Eltern ab.

Neben der Wiener Lerntafel gibt es mittlerweile auch Lerntafeln in Linz, Wels und Hollabrunn.

Um dem etwas entgegenzusetzen hat Stefan Unterberger vor zwölf Jahren die Lerntafel gestartet. Er wollte Kindern einen Raum zum Lernen zu geben, die zu Hause keine Lernumgebung haben: Zu kleine Räumlichkeiten, keine Ressourcen, keine Ruhe. Und die Kinder nehmen laut Stefan Unterberger das Angebot auch gerne an: „Alle Kinder kommen freiwillig, und viele Kinder wollen nicht nach Hause gehen, wenn sie einmal hier waren, weil sie sich hier wohlfühlen.“

Unterricht in der Wiener Lerntafel

Wiener Lerntafel

„Es geht darum, dass die Kinder mit Spaß lernen“

Möglich ist das durch die vielen Lernhelfer*innen, die sich hier ehrenamtlich engagieren und den Kindern beim Lernen oder Hausaufgaben machen helfen. Auch sie fühlen sich hier sichtlich wohl.

Bei einem Besuch bei der Lerntafel merkt man schnell, dass die Kinder und die Lernhelfer*innen nicht nur Stoff abarbeiten. Vor allem jetzt im Sommer bleibt auch viel Zeit zum Spielen, Basteln und Spaß haben. Was essentiell für den Lernerfolg ist: „Es geht ja darum, dass die Kinder mit Spaß lernen“, meint der ehrenamtliche Lernhelfer Werner, „sonst können sie ja auch zu Hause sitzen und im stillen Kämmerlein strebern.“

Das ist anscheinend ein guter Ansatz. Die Kinder bei der Wiener Lerntafel wirken regelrecht lernbegeistert. Ein Kind erzählt mir, dass es sich schon die ganzen Ferien auf die Zeit hier gefreut hat, um endlich Lernen und Spielen zu können. Ein anderes, anfänglich schüchternes Mädchen stimmt ihr zu und erzählt mir von ihren großen Plänen, Lehrerin zu werden. Oder Doktorin für Babies, da ist sie sich noch nicht so sicher.

Unterricht in der Wiener Lerntafel

Wiener Lerntafel

Wandel bei der Wiener Lerntafel

Während des Jahres werden die Kinder individuell von den Lernhelfer*innen betreut, um möglichst gut auf ihre persönlichen und sehr unterschiedlichen Bedürfnisse eingehen zu können. Neben diesem Nachhilfe-Angebot leistet die Wiener Lerntafel auch psychologische und pädagogische Unterstützung an einer Wiener Sonderschule und startet im September mit einem weiteren Projekt: dem Elternraum. Bei diesem geht es darum, erstmals auch die Eltern von den betreuten Kindern abzuholen und ihnen Unterstützung anzubieten.

Die Wiener Lerntafel hat in den elf Jahren ihres Bestehens einen Wandel vollzogen - von reiner Gratis-Nachhilfeplattform zu einer nun umfassenden Betreuung und Begleitung von Kindern mit Förderbedarf und ihren Familien. War sie anfangs spendenbasiert, wird sie jetzt von den Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert, verteilt über das Bildungsministerium. Diese finanzielle Absicherung ist richtig und extrem wichtig - besonders in Zeiten einer Pandemie und Teuerungen.

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