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Holy Shit! -„Church Ladies“ von Deesha Philyaw

Am Sonntag lassen sie sich vom Pastor die Moral vorbeten, während der Woche haben sie Sex mit ihm. Doppelmoral de luxe und Nächstenliebe auf eine eigene Art. In neun unterhaltsamen und grandiosen Geschichten zeigt Deesha Philyaw unterschiedlichste Lebenswelten von Schwarzen Frauen.

Von Zita Bereuter

Jeden Sonntag gehen sie zur Messe – rausgeputzt im Kostüm, gern mit passendem Hut und Handtasche und hängen dem Pastor an den Lippen. Die sogenannten „Church Ladies“. Eine davon ist die Mutter der Erzählerin. Lange hat die Erzählerin geglaubt, der Pastor der Hope-in-Christ Baptist Church, sei Gott. „Er war groß, schwarz und allmächtig, genau, wie ich mir Gott vorstellte.“ So wettert er Sonntags moralisierend von der Kanzel. Am Montag kommt Gott zu ihnen zum Abendessen, erhält den besten selbstgebackenen Pfirsich-Cobbler (eine Art Auflauf/Kuchen) und verzieht sich anschließend mit der Mutter in deren Schlafzimmer. „O Gott! O Gott! O Gott!“ schrie meine Mutter. Und Gott hörte ich auch, seine leise, heisere Stimme, die „ja“ keuchte, „Ja, ja, ja!“

Buchcover von "Church Ladies": Beine einer Schwarzen Frau mit hohen Schuhen

ars vivendi

„Curch Ladies“ von Deesha Philyaw ist bei ars Vivendi erschienen und wurde von Sabine Roth und Elke Link aus dem amerikanischen Englisch übersetzt.

Die Tochter, die Erzählerin dieser Geschichte, darf nicht mal die Backform des Pfirsich-Cobblers auskratzen. Ihre Mutter verweigert ihr auch sonst alles, was Freude macht. „Aber ich werde meine Tochter nicht so erziehen, dass sie ein süßes Leben erwartet, denn süß wird ihr Leben nicht werden. Je eher sie begreift, was für sie drin ist und was nicht, desto besser. Sie soll das süße Leben gar nicht erst kennenlernen, sonst wird sie den Hals nicht vollkriegen und immer nur warten, ob nicht irgendwo ein paar Krümel für sie abfallen.“

Doppelmoral und dunkle Geheimnisse

Ein süßes Leben führt keine der Protagonistinnen dieser neun Geschichten. Erzählt werden sie alle von Schwarzen Frauen. Im Süden der USA leben sie, die Väter sind meist abwesend, die Mütter suchen ihr Heil in den Kirchengemeinden und erschweren ihren „sündigenden“ Töchtern das Leben. Mit Moral und vor allem Doppelmoral werden dunkle Geheimnisse bedeckt:

Sei es das Teenagermädchen, das die Frau des Pastors extrem hot findet; Sei es die Verfasserin eines Briefes, den sie nach dem Tod des Vaters an ihre unbekannte Stiefschwester schreibt und ihr mitteilt, dass sie nicht viel versäumt hat, wenn sie den Vater nicht kannte; Oder sei es ein lesbisches Paar, das in den Norden ziehen musste, weil ihre Beziehung von der Mutter der Erzählerin nicht akzeptiert wird. Dennoch sehnt sich die Erzählerin nach dem Leben im Süden und letztlich der Mutter: „Aber wie eine schöne Steppdecke im Sommer konnte die Liebe meiner Mutter etwas Erdrückendes haben; man stöhnt darüber und vermisst nichts, bis der Winter da ist und sie fehlt.“

Auch wenn Erzählformen und Stil erfreulich variieren, findet sich in jeder Geschichte ein gleicher Kern: die Suche nach Liebe und Verständnis im engsten Umfeld und das Streben nach Freiheit und Selbständigkeit.

Deesha Philyaw studierte u.a. in Yale und lebt mit ihren beiden Töchtern als Schriftstellerin und Kolumnistin in Pittsburgh. Ihr Debüt wurde mehrfach ausgezeichnet und wird von HBO verfilmt.

Mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Debüt zeigt die Autorin Deesha Philyaw ein breites Spektrum der Lebenswelten afroamerikanischer Frauen. Teilweise ist das autobiographisch geprägt. Auch Deesha Philyaw musste in ihren jungen Jahren oft in die Kirche. „Church Ladies“ ist unterhaltsam und sehr gut und man hofft - wie bei einem g’schmackigen Pfirsich-Cobbler - auf mehr.

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