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Win Butler beim Arcade Fire Konzert in der Stadthalle 2018

Franz Reiterer

Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Arcade Fire-Frontman Win Butler

In die Liste von Musikern, denen sexuelle Belästigung vorgeworfen wird, reiht sich nun auch Arcade-Fire-Frontman Win Butler. Vier Frauen* erheben Anschuldigungen; Butler selbst dementiert.

Von Katharina Seidler

Sie galten als eine der familienfreundlichsten Bands der Pop-Welt und haben mit ihren mutmachenden, nachempfindbaren Songs zwei Generationen von Indiefans die Jahre der Teenage Angst und des Aufwachsens in der Kleinstadt, die Zeit des Wegträumens und der Wünsche nach kollektivem Glück versüßt. Im Zentrum der auch tatsächlichen Familienband Arcade Fire, der bis vor Kurzem auch Will „der Bruder“ Butler angehörte, stand seit jeher das Ehepaar Win Butler und Régine Chassagne, das mit ihrer Musik den Weg hinaus aus der Heimatszene von Montreal auf die internationalen Bühnen gefunden hatte.

Dass nun auch die heile Welt rund um das Bandkollektiv bröckelt, erfuhr man aus einem vor zwei Tagen auf Pitchfork veröffentlichtem Artikel, der ausgiebig und detailreich den Anschuldigungen von vier Personen nachgeht, die Win Butler sexuelle Bedrängung vorwerfen. Es ist vor allem eine Geschichte von unausgeglichenen Machtverhältnissen.

Via Instagram und in weiterer Folge Reddit haben in den letzten Monaten drei Frauen und eine gender-fluide Person ihre Erfahrungen mit dem Popstar öffentlich geteilt. In allen vier Fällen lernten die Frauen* Win Butler im Kontext seiner Band kennen, entweder live bei Konzerten oder via Social Media. Die ausführliche Recherche der Pitchfork-Redaktion, die mit allen Betroffenen direkt oder indirekt gesprochen hat, rekonstruierte aus einer Vielzahl an Erzählungen, Gegen-Erzählungen und Screenshots die Beziehungen, in denen Butler und die Frauen* in den Jahren zwischen 2016 und 2020 zueinander standen. Oftmals fand der erste Kontakt via Privatnachrichten und SMS statt; Butler bedankte sich etwa für Fotos, in denen er getaggt worden war und schlug recht schnell ein persönliches Treffen oder weiteren privaten Austausch vor.

Wie sich dieser Austausch, der in manchen Fällen zu intensivem Sexting, teilweise auch zu realen sexuellen Begegnungen führte, im Detail gestaltete, darüber gehen die Statements der fünf involvierten Personen auseinander. Win Butler versichert, dass er in allen Fällen deutliche Avancen der anderen Person gespürt habe; die Fans geben an, dass sie sich von dem um Vielfaches älteren Mann (Butler war in der besagten Zeit zwischen Mitte und Ende 30; die Frauen* zumeist Anfang 20), den sie als Künstler auch noch verehrten, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt fühlten.

Die gesamte Geschichte, inklusive der Erzählungen der Opfer sowie der Statements von Win Butler und Régine Chassange, kann man hier im Detail nachlesen.

Eine* Betroffene*, die unter dem Pseudonym Lily mit Pitchfork sprach, schildert eindeutige sexuelle Bedrängungen durch Win Butler; zwei andere Fans stellten Screenshots zur Verfügung, in denen laut Pitchfork der Popstar in einander ähnelnder Form erotische Videos und Livechats fordert. Butler selbst kommuniziert in dieser Causa über eine „Public-Relations-Krisen-Managerin“ und schreibt in einem Statement, dass jede der Begegnungen in seinen Augen einvernehmlich geschah, wenngleich er die starke Machtdynamik zwischen einem Idol und seinen Fans zweifellos unterschätzt habe.

Er berichtet von einer persönlichen Depression und Krise, ausgelöst unter anderem durch sexuellen Missbrauch in der Kindheit, betonte aber auch, dass er dies nicht als Entschuldigung für sein Verhalten verstanden wissen wollte: „None of this is intended to excuse my behavior, but I do want to give some context and share what was happening in my life around this time.“ Seine Frau, Arcade Fire-Frontwoman, Co-Songschreiberin und Multiinstrumentalistin Régine Chassange, mit der Butler seit 2003 verheiratet ist, sei zu jeder Zeit über seine außerehelichen Affären im Bilde gewesen und verlautbarte in einer eigenen Aussendung: „He has lost his way and he has found his way back.“

Die betroffenen Personen leiden zum Teil bis heute an den psychischen Folgen der Affären und bezeichnen Butlers Reaktion und teilweise gegenteilige Darstellungen der Ereignisse als „frustrierend“. Was die Angelegenheit für die ausgiebige Arcade-Fire-Tour zum jüngsten Album „WE“, die morgen, am 30.8.2022, in Dublin ihren Anfang nehmen soll und sich über den ganzen Herbst zieht, bedeutet, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu sagen.

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