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Midjourney: "Giant Rhinoceros in a brutalist style"

Midjourney/Rainer Sigl

Wenn die Kunst aus dem Computer kommt

Künstliche Intelligenzen wie DALL-E, Midjourney & Co liefern auf Knopfdruck beeindruckende Bilder. Die Auswirkungen auf Künstler*innen und die gesamte Kreativbranche werden dramatisch sein.

Von Rainer Sigl

Ein Druck auf die Eingabetaste und es geht los: Zuerst gibt es nur verschwommene Umrisse zu sehen, ein paar Sekunden später schälen sich Figuren, Gesichter und konkrete Formen heraus, bis das Kunstwerk schließlich fertig ist. Ein Nashorn als brutalistisches Hochhaus; Dinosaurier im Auto, gemalt von Pablo Picasso; ein Schwarzweißfoto von Natalie Portman unter Wasser; der Eiffelturm auf dem Mars.

Es gibt fast nichts, das Midjourney, Dall-E und Stable Diffusion nicht in wenigen Sekunden als Bild generieren können. Die Namen stehen für drei der größten Experimente mit Bilderzeugung durch künstliche Intelligenz.

KI-Kunst erzeugen ist einfach: Als Nutzer*in einer der genannten KI-Communitys gibt man - per Discord-Chat oder direkt auf der jeweiligen Webpage - per Text einen „Prompt“, also eine Aufforderung ein, etwa: „Eiffel tower on Mars“. Wer will, darf zusätzliche Parameter, etwa die gewünschte Auflösung oder das Seitenverhältnis ergänzen, dann wartet man darauf, was die KI aus diesem Prompt macht. Kurz darauf ist das Ergebnis da; je nach Programm darf dieses weiter variiert werden.

Die Ergebnisse sind ganz unterschiedlich und haben je nach der gewählten KI unterschiedliche Stärken: Midjourney ist besonders gut im künstlerischen, malerischen Bereich und tut sich leicht mit der Imitation realer Kunststile, im Prompt etwa durch die Zugabe von Ergänzungen wie „in the style of Hieronymus Bosch“ erreichbar, während DALL-E seine Stärken in der Erstellung fotorealistischer Bilder und realer Menschen hat.

Wer bei den so generierten Bildern allerdings genauer hinsieht, erkennt immer noch meist schnell, dass hier kein Mensch am Werk war; etwa anhand unmöglicher Geometrien oder gelegentlich seltsamer Gesichter. Aber das ist nicht das größte Problem. Manche Künstler*innen sehen in KI-Kunst sogar eine rasant herankommende Katastrophe.

Midjourney Image

Midjourney/toraco

Von User Toraco in Midjourney generiertes Bild zum Prompt „medium shot, uplight, a skeleton in a red robe sits on a golden throne, thick gold chains shackle its arms and legs to the throne, piles of gold coins and precious stones surround it by Gustav Klimt“

Das Ende der Kreativbranche?

Illustrationen, Artworks und Bebilderung auf Knopfdruck, in Sekundenschnelle und quasi gratis - das ist das Ende für tausende Jobs in der Kreativbranche. Schon jetzt ist ein Überleben bei globaler Billigkonkurrenz schwer, die Kunst aus dem Computer würde ein Leben von kreativer Arbeit für viele unmöglich machen. Das befürchten zumindest Kritiker*innen der KI-Kunst. Die ersten Beispiele dafür haben in den letzten Wochen für Aufregung und Empörung gesorgt.

Zur zusätzlichen Konkurrenz kommt eine weitere Ungerechtigkeit: In die riesigen Bilddatenbanken, mit denen die Algorithmen gefüttert werden, sind Millionen Werke toter, aber auch noch lebender aktueller Künstler eingeflossen. Von der diesbezüglichen Verwendung ihrer Bilder als „KI-Futter“ wussten die Schöpfer*innen allerdings in den allermeisten Fällen nichts. Populäre lebende Künstler wie Ross Tran oder Simon Stalenhag sehen KI-generierte Bilder, die bis an die Grenze zum Plagiat ihren Stil nachahmen.

Wenn eine Maschine, die mit Bildern einer Künstlerin trainiert wurde, dieser dann den Job wegnimmt - ist das dann nur „Inspiration“, ein unter Umständen verbotenes Plagiat, eine Copyrightverletzung, oder etwas ganz anderes? Aktuell haben nicht einmal spezialisierte Urheberrechts-Anwält*innen eine Antwort auf solche Fragen.

KI-generiertes Artwork im Game Shoon

Nao_u/Unity

KI-Kunst und Games

Die Ambition der KI-Pioniere geht aber weit über das Erstellen einzelner Bilder hinaus. Irgendwann in naher Zukunft werden Spielkonsolen einen eigenen Chip haben, der per Künstlicher Intelligenz die Spielegrafik jedes Mal aus sich heraus völlig neu generiert; die Spiele werden dann so etwas wie Träume sein, die man als Gamer*in nur für sich selbst entdecken darf. Das sagt David Holz, Gründer und CEO von Midjourney. Aktuell ist das noch - leicht esoterische - Science-Fiction, trotzdem wird schon jetzt an der Verbindung der KI-Bildgenerierung und Videospielen gearbeitet.

Im Game „Shoon“ fliegt man mit einem Raumschiff von links nach rechts und ballert auf Aliens und andere Fluggeräte, das kurze Spiel ist kostenlos im Webbrowser spielbar. Das Besondere an diesem sonst absolut mittelmäßigen Game: Die gesamte Grafik, Hintergründe sowie Spielelemente wurden mit der KI Midjourney generiert und dann vom japanischen Entwickler im Spiel zusammengefügt.

Das ist noch meilenweit von dem entfernt, was sich David Holz für die Zukunft der Spiele als Träume zusammenspinnt. Die Probleme mit dieser Idee sind aber jetzt schon zu sehen: Nichts an „Shoon“ ist originell. Dass sein Macher wenig Sinn für Ästhetik hat, kann auch die KI nicht kaschieren.

Trotzdem wird KI-generierter Kunst wohl noch eine große Rolle in der Gamesbranche zukommen - denn da spielt Qualität leider viel zu oft keine große Rolle. Die Cashcows der Branche sind bekanntlich billig produzierte Free-2-Play-Titel, und für die schnelle Generierung endloser kosmetischer Items, Powerups oder digitaler Assets ohne Anspruch auf Originalität ist der Jetztstand der KI-Generierung ideal. Die ersten Spiele, die massiv auf KI-Bebilderung setzen, werden also wohl eher billiger Ramsch sein.

KI-Kunst als Werkzeug für Digital Artists, Architekten, KünstlerInnen

Midjourney/Rainer Sigl

KI-Kunst als Werkzeug für Digital Artists, Architekten, KünstlerInnen: Die KI generiert, der Mensch sichtet, wählt aus und verarbeitet weiter

Ohne Menschen geht - noch - nichts

Für richtig gute Spiele, und eben: für richtig gute Kunst, wird man wohl auch auf längere Sicht noch Menschen brauchen, die die Spreu vom Weizen trennen und eine sinnvolle Auswahl treffen können. Das ist die gute Nachricht: In den richtigen Händen könnte die Kunst aus dem Prozessor aber dafür sorgen, dass auch kleinere Games ohne großes Grafikbudget toll aussehen. Bis die KI, wie David Holz sich das vorstellt, aus sich heraus ganze Spiele generiert, wird aber noch sehr viel Zeit vergehen.

Im Moment sprießen beinahe täglich neue KI-Kunst-Generatoren im Web, seit diesem Frühjahr haben sich schon Millionen Neugierige mit den Algorithmen beschäftigt. Auch digitale Künstler*innen selbst nutzen die KIs für ihre eigene Arbeit als mächtige Werkzeuge. Namhafte Mixed-Media-Künstler wie der Spanier Nekro oder der französische Illustrator Pascal Blanché haben die KI-Tools bereits im Einsatz. Diese Technologie, so sind auch sie sich sicher, wird die kreative Arbeit auf eine radikale Art und Weise verändern, wie das vielleicht zuletzt bei der Erfindung der Fotografie der Fall war.

Ein kleiner Trost: Ohne die Anleitung menschlicher Kreativität und Sinn für Ästhetik bei der Auswahl geht dabei noch gar nichts, denn die KI-Kunstgeneratoren sind letztlich etwas Ähnliches wie Synthesizer: hochkomplexe Instrumente, die potenziell universell verwendbar sind; man muss sie aber auch erst einmal zu beherrschen wissen.

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