Der tüchtige Miro

Ich habe einen Bekannten, der schon seit frühem Kindesalter sehr tüchtig ist. Als Kind organisierte Miro unterschiedliche Unternehmen – zum Beispiel das Putzen der Straße, in der wir wohnten.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Alle Kinder machten gerne mit, wir sammelten Müll und pflückten Unkraut. Danach stellte sich heraus, dass Miro die Putzaktion mit einem der Nachbarn vereinbart und Geld dafür bekommen hatte. Danach kam er mit einem neuen Fahrrad an - den anderen Kindern blieb nichts als ihr nackter Enthusiasmus.

Manchmal wurde Miro deshalb geschlagen, manchmal winkten alle nur ab: Sie wussten, dass ihn Schläge nicht ändern würden.

Ich hatte von Miro seit Jahren nichts mehr gehört, als plötzlich mein Telefon läutete. Es war Miro. Er rief mich aus dem Gefängnis an. Er hatte im Garten von seiner Oma in einem bulgarischen Dorf Gras gezüchtet - zum Eigenbedarf, sagt er. Ein neidischer Nachbar hatte das bemerkt und der Polizei gemeldet. Worauf war der Nachbar neidisch? Auf seinen neuen BMW, sagte Miro leise. Ich fragte ihn nicht, wie man mit „Cannabis für Eigenbedarf“ einen neuen BMW kaufen kann - jedenfalls kamen Spezialeinheiten, das Gras wurde vernichtet und Miro landete für drei Jahre im Gefängnis.

Aus dem Knast hat er von meiner Kolumne erfahren. „Du musst den Leuten über mein Schicksal berichten!“ Er erzählt mir, wie Kakerlaken in der Nacht sein Bett hoch raufklettern und versuchen, sich in seinen Ohren einzunisten. Und wie die Bettwanzen aus ihm und den anderen Insassen Hackfleisch machen.

Ich frage Miro, ob er im Gefängnis eine Beschäftigung hat. Die hat er. Er macht Möbel. Die würden dann vom Wachpersonal verkauft, er bekomme nur Kleingeld dafür. Jeder, der es wage zu protestieren bekomme eine Medikamentendosis, die ihn in Gemüse verwandelt.

Die Gefängnisse in Bulgarien haben sich wohl in den letzten fünfzig Jahren nicht wirklich verbessert. Leider kann ich nichts machen, damit man Miro in ein österreichisches Gefängnis verlegt.

Das einzige was ich machen kann, ist, jeden Abend mit ihm zu telefonieren. Und so warte ich jeden Tag auf neue Nachrichten aus dem Gefängnis.

Glaubt ihr, wird mich Miro noch anrufen, wenn er wieder draußen ist?