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Club of Rome

Survivalguide für den Planeten

Vor Kurzem ist „Earth For All“ erschienen und beim Ars Electronica Festival in Linz vorgestellt worden. Der „Survivalguide für unseren Planeten“ wurde vom renommierten Club of Rome herausgegeben, einem Think Tank von führenden Wissenschafter*innen, der bereits 1972 darauf hingewiesen hat, dass sich das unendliche Wirtschaftswachstum auf einem endlichen Planeten nicht ausgehen kann.

„Die Grenzen des Wachstumes“ hat die 1972 weltweit beachtete Schrift des Club of Rome geheißen. Die schon damals erkannten Probleme - Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen, Zerstörung der Umwelt, Armut, Ungleichheit - haben sich seitdem weiter verstärkt. Die neue Bericht mit dem Titel „Earth For All“ ist vor allem wegen zwei Dingen erstaunlich: Der Think Tank fordert nicht nur ein Umsteigen auf erneuerbare Energien und eine Abkehr von der Fleischindustrie, sondern auch durchaus unpopuläre Maßnahmen wie Vermögens- und Gewinnbesteuerung, wofür ja auch jüngere NGOs schon länger eintreten.

Fritz Hinterberger ist Ökonom und Präsident des österreichischen Zweigs des Club of Rome. Auch seiner Ansicht nach ist eine Veränderung zum Besseren nur möglich, wenn die großen sozialen Probleme der Welt zugleich mit den ökologischen in Angriff genommen werden. Diana Köhler hat mit ihm gesprochen.

Radio FM4: Worum geht es im neuen Bericht „Earth For All“?

Fritz Hinterberger: Sie zeigen zwei Szenarien. Eines heißt „Too little, too late“, dass zwar etwas gemacht wird in Richtung Nachhaltigkeit, dass das aber zu wenig ist und zu spät. Nicht nur für die Umwelt, sondern letzten Endes auch für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, für die Gleichheit. Dann gibt es das andere Szenario, „Giant Leap“, der große Sprung, wo alles besser werden kann. Es ist keine Prognose, sondern es wird einfach gezeigt, wie es gehen könnte, wenn man auf globaler Ebene vieles oder alles machen würde, was dort vorgeschlagen wird, auf allen Ebenen. Das Besondere am Club of Rome ist ja, dass er so einen systemischen Blick hat, also nicht nur auf die Umwelt schaut, nicht nur auf die Wirtschaft, nicht nur auf die Ungleichheit, sondern auf alles zusammen und auch berechnet, wie das alles zusammenwirkt.

Buchcover mit Weltkugel

Club of Rome

„Earth For All - Ein Survivalguide für unseren Planeten“ ist auf Deutsch bei Oekom erschienen.

Radio FM4: In dem Buch werden fünf große To-dos formuliert: Beendigung der Armut, Beseitigung von Ungleichheit, Empowerment der Frauen, Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems, Übergang zum Einsatz sauberer Energie. Wie sollen wir das alles schaffen?

Fritz Hinterberger: Wie es zu schaffen wäre, das zeigt der Bericht. Da muss einfach, wenn man an die Armut denkt oder an die Ungleichheit, das Geld an der einen Seite abgeschöpft werden und woanders ausgegeben werden. Das ist eigentlich relativ straight forward. Die Frage ist natürlich: Wie können wir das politisch rüberkriegen, wie können wir das erreichen gegen Mächte, die eigentlich etwas anderes wollen? Damit beschäftigt sich der Bericht aber nicht so sehr, sondern er sagt einfach, wie es gehen könnte, und hofft drauf, dass wir, die Zivilgesellschaft, das gemeinsam dann doch so stark einfordern, dass das auch passiert. Die Probleme, die Herausforderungen hängen alle zusammen. Wenn wir uns auf einer größeren Basis zusammentun, eben nicht nur die Umweltbewegten, ist die Hoffnung, dass wir so eine Kraft entfalten, dass es dann doch gehen müsste.

Radio FM4: Kannst du das Konzept der „Wellbeing Economy“ erklären?

Fritz Hinterberger: Wellbeing Economy hat als oberstes Ziel nicht die Wirtschaft, nicht mal die Natur, sondern das gute Leben von uns allen. Hier bei uns, in verschiedenen Gesellschaftsgruppen, aber auch international, in Ländern des Südens, in industrialisierten Ländern, allen soll es besser gehen. Dann ist das Wachstum nur mehr ein Mittel zum Zweck. Man weiß gar nicht mehr so genau, ob wir überhaupt Wachstum brauchen in den reichen Ländern. Wir brauchen unbedingt Wachstum in den armen Ländern, das sagt der Bericht auch, um eine Umverteilung zu schaffen. Wir haben schon mehr als genug. Wir haben uns dieses Wachstum erkauft durch wahnsinnig viel Stress an jedem Arbeitsplatz. Es kennt jeder und jede, überall werden die Kollegen abgebaut, wenn nicht sie selber, und weniger Leute müssen jetzt das gleiche erarbeiten wie vorher. Das ist zwar vielleicht gut für das Einkommen von denen, die noch die Arbeit haben, aber es ist nicht gut fürs eigene Leben. Also: das gute Leben in den Vordergrund.

Radio FM4: Was unterscheidet die Berichte von 1972 und 2022?

Fritz Hinterberger: Der Bericht von 1972 war bahnbrechend, weil er zum ersten Mal gezeigt hat, dass wir so nicht weitermachen können. Wir haben trotzdem so weitergemacht. Die jetzigen Berechnungen zeigen, dass wir auch genau auf dem Pfad sind, der damals als negativer Pfad gezeichnet wurde. Die haben ja damals nicht gesagt, die Welt geht nächstes Jahr unter, sondern sie haben gesagt, sie geht in ein paar Jahrzehnten unter, also ungefähr jetzt. Sie geht natürlich auch nicht unter, aber wir merken jetzt, es wird an vielen Ecken und Enden schlechter: gesellschaftlich, das Bevölkerungswachstum ist weitergegangen, die Umwelt ist den Bach runter gegangen, über Klimawandel hat man damals noch gar nichts gewusst. Es war damals auch das erste Mal, dass es überhaupt solche globalen Studien gegeben hat, mit relativ einfachen Mitteln. Zum ersten Mal wurde mit großen Computern gerechnet. Jetzt hat man viel mehr Wissen, viel mehr Daten, viel bessere Computer. Aber die Szenarien sind immer noch ähnlich. Damals gab es auch verschiedene Szenarien, aber das Doomsday-Szenario, sozusagen, haben sie nach vorne gestellt - mit dem Vorteil, die Welt aufzurütteln, mit dem Nachteil, dass es halt nicht besonders attraktiv war. Jetzt wird ganz explizit dieses „Too little, too late“ einem sehr positiven Szenario gegenübergestellt und gezeigt, dass es geht, wenn wir wirklich sehr schnell alles machen, dass das auch möglich ist und dass das für die überwiegende Mehrheit der Menschen auf der Erde positive Effekte hätte.

Radio FM4: Man versucht jetzt also, durch eher positive Bestärkung Menschen zum Handeln zu bewegen.

Buchcover mit Weltkugel

Club of Rome

„The Limits To Growth“ (1972), PDF

Fritz Hinterberger: Es zeigt sehr schön, sie haben auch andere kommunikative Möglichkeiten, wie das heute so ist. Storytelling ist ein großes Wort. Sie machen das teilweise am Beispiel von fünf Mädchen aus der ganzen Welt, deren Lebensweg sie nachzeichnen. Die werden jetzt gerade geboren, an einem Tag, das ist halt so eine Geschichte, aber sie zeigen dann diese Szenarien, die im Grunde Computermodelle sind, was das bedeuten könnte für diese fünf Mädchen bis ans Ende des Jahrhunderts, in dem einen und in einem anderen Fall in ganz unterschiedlichen Welten. Schon der Bericht von 1972 ist sehr groß in den Medien angekommen, es hat große Versammlungen gegeben, auch Weltpolitiker sind zusammengekommen und haben darüber geredet. Der Bericht heute ist aber doch globaler. Damals wurde zwar die ganze Welt berechnet, aber noch nicht so in Regionen runtergebrochen, es ist alles jetzt ein bisschen genauer. Die Message ist die gleiche: Let’s go for it - dann können wir noch was erreichen.

Radio FM4: Der Club of Rome, das sind quasi die Großeltern der Fridays-For-Future-Bewegung, die ja sehr von jungen Menschen getragen wird und in der öffentlichen Wahrnehmung oft nicht ganz für voll genommen wird. Besteht da jetzt mit dem neuen Bericht des renommierteren Club of Rome die Chance, dass man den Argumenten der jungen Menschen wieder mehr Gewicht verleiht?

Fritz Hinterberger: Ich sehe es umgekehrt: Weil es Fridays For Future gibt, hat sich in den letzten paar Jahren trotz Pandemie doch so viel getan in Österreich. Dass es die Fridays For Future gab, hat auch die Wahl mitentschieden. Dass wir überhaupt eine grüne Partei in der Regierung haben, die doch einiges umsetzt, viel zu wenig, aber immerhin, dass wir in Europa einen Green New Deal haben, das ist vor allem der Erfolg von Fridays For Future. Und wo kommt deren Wissen her? Man muss wissen, dass es etwas zu tun gibt und dass man es tun kann. Da baut das eine auf dem anderen auf, und zwar in beide Richtungen.

Radio FM4: Kann der Club of Rome von Fridays For Future etwas lernen?

Fritz Hinterberger: Es ist wirklich ein Zusammenwirken. Ältere Wissenschaftler können etwas anderes als junge Schüler, die auf die Straße gehen. Es gibt viele Veranstaltungen, wo beide auftreten. Wenn ich mich an meine Jugend erinnere, da gab es das eigentlich nicht. Da haben wir gesagt, wir sind die Jungen und wir brauchen euch Alte nicht. Es war auch eine andere Generation, sowohl die damals Alten als auch die damals Jungen und jetzt Alten. Jetzt gibt es dieses wirklich gute Zusammenwirken, wo jeder weiß, was die andere Gruppe beitragen kann. Das ist das Entscheidende. Zusammen sind wir mehr.

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