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Lena-Marie Biertimpels bittersüßes Roman-Debüt „Luftpolster“

Die Psychiatrie erweist sich als Zufluchtsort in Lena-Marie Biertimpels erstem Buch „Luftpolster“. Der Roman ist für den Debütpreis beim Österreichischen Buchpreis nominiert.

Von Maria Motter

Bereits in der Widmung von „Luftpolster“ ist eine Geschichte verpackt: „für mara, unsere haare sind lang gewachsen“, schreibt Lena-Marie Biertimpel dort. Ihr Talent für die sprachliche Verknappung zeigt sich in ihrem ersten Buch „Luftpolster“. Auf 184 Seiten plus „Soundtrack“ - einer Playlist all jener Songs, mit denen die Autorin die Kapitel des Romans markiert - taucht man in die Welt einer jungen Frau ein, die professionelle Hilfe in einer psychiatrischen Klinik bekommen will. Von Anthony and the Johnsons „What can I do?“ über Songs von Cat Power, Kendrick Lamar und RIN feat. Bilderbuch zu „Warum strahlst du?“ läuft der Soundtrack, doch zu Beginn steckt ihre Hauptfigur erst einmal fest.

Lena-Marie Biertimpel vor einem alten schmiedeeisernen Gitter an einer Hausfassade.

Christoph Welkovits

Lena-Marie Biertimpel studiert Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Es ist die Beschreibung der Textur des Bodenbelags, über den die Ich-Erzählerin in „Luftpolster“ barfuß geht und sich vorstellt, „wie bei jedem schritt ein bisschen hornhaut am boden kleben bleibt“. Es sind „die eine“ und „die andere“, die Schwestern der Protagonistin, und Anrufe mit besorgniserregenden Geständnissen. In konkreten Bildern aber wenigen Puzzleteilen einer Familiengeschichte setzt die Autorin diese Ich-Erzählerin auf ein Bett einer psychiatrischen Abteilung und neben die anderen Patientinnen an den Mittagstisch, auf dem das Essen aus Metallschüsseln dampft.

„meine stimmbänder haben löcher. magensäureverätzungen“, antwortet Peach, wie sie sich mit dem Kosenamen ihres Freundes vorstellt, dem behandelnden Arzt. Und das blutgetränkte Handtuch in der Wohnung ihrer einen Schwester bekommt sie nicht mehr aus dem Kopf.

Die Psychiatrie erweist sich in „Luftpolster“ als Ort der Zuflucht, wo Peach sich mit Willie anfreunden wird. Zwischen Berichten vom Klinikaufenthalt kommen immer wieder kurze Episoden aus der Vergangenheit vor. Es sind einzelne Erinnerungen an einen eigenwillig religiösen Vater, an die lauten Auseinandersetzungen der Eltern und Kindheitserlebnisse.

Buch: Luftpolster

leykam

„Luftpolster“ von Lena-Marie Biertimpel ist 2022 bei Leykam erschienen.

„Luftpolster“ könnte also ein richtiges Problembuch sein, aber Lena-Marie Biertimpel hat anderes im Sinn. Sie erzählt mit einem liebevollen Blick davon, wie sich jemand mit professioneller Hilfe wieder auffängt. Und so liest sich „Luftpolster“ überraschend leicht und bittersüß.

Man wird dabei sein, wenn Peach ihrem Therapeuten sagt, dass sie nicht wieder mit ihrem inneren Kind kommunizieren will, aber auch, wenn sie ihm sagt, dass sie verliebt ist, und sich dabei die Hände vors Gesicht hält.

Von der Psychiatrie als Ort des Alltäglichen hat man zuletzt unter anderem in Joachim Meyerhoffs Roman „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ gelesen. In Lena-Marie Biertimpels ist man auf der Seite der Patient*innen.

„Luftpolster“ ist eines von drei Büchern, die für das beste Debüt beim Österreichischen Buchpreis 2022 nominiert sind. Auch im Rennen sind Sirka Elspaß’ „ich föhne mir meine wimpern“ (Suhrkamp) und Anna Maria Stadlers „Maremma“ (Jung und Jung).

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