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Studentin vor Laptop

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Die Krux vom Studieren und Arbeiten

Der Studienerfolg entscheidet in weiten Teilen der Gesellschaft, ob Studierende als faul oder fleißig gelten. Was in der Kalkulation fehlt: die Arbeit. Denn über die Hälfte aller Studierenden in Österreich ist erwerbstätig. Im Mittel ist die Arbeitszeit höher als 20 Stunden pro Woche. Wie geht sich das aus?

Von René Froschmayer

„Ich sehe mich nicht als klassische Studentin, obwohl ich mein Masterstudium ernsthaft abschließen möchte. In erster Linie arbeite ich und bin froh überhaupt studieren zu können“, erklärt Manu.

Manu studiert Publizistik im Masterstudium und arbeitet 20 Stunden in der Woche. Das Studium und die Arbeit miteinander zu kombinieren ist für sie ein Drahtseilakt. Ohne finanziellen Rückhalt bleibt ihr keine andere Option als neben dem Studium zu arbeiten.

Damit ist Manu nicht allein, denn mehr als die Hälfte aller Studierenden in Österreich ist erwerbstätig. Der Großteil von ihnen arbeitet zwar unter der Geringfügigkeitsgrenze (monatlich 485,85 Euro), im Mittel beträgt die Arbeitszeit aller arbeitenden Studis jedoch über 20 Wochenstunden. Ergebnisse einer Studierendenbefragung vom Frühjahr 2022 zeigen: Die Vereinbarung von Studium und Job belastet rund die Hälfte von ihnen. Kein Wunder, immerhin beanspruchen die meisten Studiengänge – vor allem Bachelorstudiengänge – ein Vollzeitpensum. Hilfreich für arbeitende Studierende ist in dem Zusammenhang das Angebot von hybrider Lehre und Fernlehre. Blöd aber, wenn diese Lehrveranstaltungstypen den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen.

Wenn die Uni auf das Handy kommt

Fernlehre, das ist die Übertragung und Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen. In den letzten Semestern wurde der Modus als Pandemiebekämpfungsmaßname in den meisten Hochschulen eingeführt. Flexibleres Studieren wurde dadurch erleichtert, vor allem für erwerbstätige Studierende wie Manu: „Nach der Arbeit habe ich mich abends hingesetzt und die Lehrveranstaltungen vom selben Tag nachgehört.“ Der Fernlehremodus hat für die Masterstudentin sehr gut funktioniert. „So habe ich jeden Tag im laufenden Semester mitlernen können. Ich habe also trotz Arbeit studieren können, wie es vorgesehen ist.“

Mit dem Start des Wintersemesters 2022 kehren viele Hochschulen der Fernlehre den Rücken. Man wolle den Studierenden ermöglichen zurück in die Hörsäle zu kommen und wieder etwas Normalität in den Studienalltag einkehren zu lassen. Aber auch Sparmaßnahmen im Zuge der Teuerung sprechen von Seiten der Hochschulen gegen ein weiterführendes Fernlehrangebot.

Klar, der Austausch unter Kolleg*innen ist wertvoll und wichtig, aber durchaus nicht für alle Studierenden im selben Ausmaß möglich. So auch für Manu - sie merkt an:
„Das klassische Studileben leidet unter der Fernlehre. Wenn ich 20, 30 oder sogar 40 Stunden in der Woche arbeiten muss, habe ich sowieso keine Zeit dafür .“

Steigende Mieten und ein teureres Leben führen dazu, dass Studierende mehr arbeiten müssen. So verschiebt sich die Priorität vom Studium zur Arbeit, denn verhungern will schlussendlich niemand. Expert*innen haben dafür einen eigenen Begriff.

Job-Out statt Drop-Out

„Oft fehlt Studierenden ein bestimmter Betrag am Konto, sagen wir 200 Euro. Einen Job, für den sie diese 200 Euro bekommen findet man aber häufig nicht. Also arbeiten sie einfach noch mehr Stunden“, erklärt Martin Unger vom Institut für Höhere Studien (IHS). Er ist Autor der aktuellen Studierenden-Sozialerhebung.

So beginnt laut ihm der Teufelskreis. „Je mehr man verdient und als Folge auch arbeitet, umso weniger Zeit bleibt für das Studium“, fügt Unger an. Gerade Jobs, die mit der Studienrichtung zu tun haben, sind unter Studierenden heiß begehrt. Diese Stellen sind jedoch oft keine geringfügige Tätigkeit, sondern können 20 oder mehr Wochenstunden in Anspruch nehmen. „In dem Zusammenhang sprechen wir von einem Job-Out statt Drop-Out. Am Ende der Spirale entscheiden sich einige Studierende für den Job und brechen das Studium ab“, meint Martin Unger.

Alles wird teurer und nichts ist leicht

Weniger zu arbeiten ist in Zeiten, in denen das Leben immer teurer wird, für die wenigsten eine Option. „Zur Arbeit gibt es für mich einfach keine Alternative. Ich muss ja schließlich meine Miete bezahlen“, merkt die Studentin Manu an.

Der österreichischen Hochschüler*innenschaft ist diese Entwicklung ein Dorn im Auge. „Es kann nicht sein, dass Studierende Halb- oder Vollzeit arbeiten und sich das Studieren nicht leisten können.“ Um diese Situation zu entschärfen, fordern sie einen allgemeinen Mietpreisdeckel und eine höhere und zugänglichere Studienbeihilfe. Schon seit Beginn der Pandemie fordert die Hochschüler*innenschaft das Aussetzen der Studiengebühren.

Das gerade erst begonnene Semester wird für Manu zum Gradmesser ihrer weiteren akademischen Laufbahn. „Wenn ich sehe, dass sich mein Leben finanziell nicht mehr ausgeht, dann muss ich mir einen zweiten Job suchen. Ohne Fernlehre werde ich dann mein Masterstudium abbrechen müssen, dann habe ich eben keinen Master.“

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