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Yugo

Stefan Kokovic

YUGO ist „nicht von hier“

In seinem neuen Song widmet sich der Rapper dem Schamgefühl und dem Fremd-Sein.

Von Susi Ondrušová

Das Thema Anpassung ist für YUGO nicht neu. Auf seiner ersten EP „Ajde“ hat der in Skopje im heutigen Nordmazedonien geborene, in Wien aufgewachsene und zurzeit in Berlin lebende Musiker schon den Song „Österreicher“ veröffentlicht. „Heute ist ein gottverdammter Feiertag, denn ich habe endlich den rotweißroten Reisepass … Sag, Herr Türsteher, wen willst du nicht reinlassen? Heast. Ich bin Österreicher.“

Sein neuer Song „Nicht von hier“ handelt von Schamgefühl, von Anpassung und extraschöner Aussprache, um nicht aufzufallen. Es ist einer der besten und vielleicht auch der einzige deutschsprachige Rap-Song, der die migrantische Lebenserfahrung so stark und ehrlich auf den Punkt bringt.

Im Interview erzählt YUGO, dass sein Song „Österreicher“ vom Thema her gut und „ähnlich“ war, aber musikalisch verfehlt: „Das war ja irgendwie so KIZ-mäßig und ‚Nicht von hier‘ ist halt jetzt einfach ehrlich. Todernst. Ohne irgendeinen Witz drinnen. Auch wenn ich sage: Mama was ist ein Adventkalender? Wusste ich nicht. Von wo? Warum haben die das? Was ist das? Keine Ahnung.“

Entstanden ist der Song, als sich YUGO aus dem Vertrag mit seinem alten Berliner Plattenlabel lösen konnte. Der Beat war gemacht, der Text kam und hat ihn in seiner ehrlichen Wucht überrascht. Vielleicht war diese berufliche Trennung der Anstoß dafür, mal ganz in die Vergangenheit zu schauen. Wie wird man behandelt und wie behandelt man sich eigentlich selbst? Wie stehe ich zu dem, wer ich bin, und welche Rolle spielen da die Erfahrungen als jemand, der in diesem Land aufgewachsen ist, aber trotzdem eine andere Heimat hat, vielleicht aus einem Land kommt, in dem es keinen Adventkalender gab, keinen Altbau im Sinne von Wien-Neubau, und wo man nicht als Kind Skifahren lernte. Das Gefühl aus der Vergangenheit, das YUGO hier aufgreift, ist das Schamgefühl.

„Ich schäme mich im Restaurant für meinen Vater. Ich schäme mich am Magistrat für meine Mama. Denn man merkt ihnen an, sie sind nicht von hier … Ey, ich glaub, ich brauch mehr als’n Pass, ja. Weil’s einfach nicht reicht, wenn ich mich anpass!“

Yugo

Stefan Kokovic

Mit dem Song „Läuft“ hat YUGO seiner Mama ein musikalisches Denkmal gebaut: „Danke, Mama, für die Augen, danke für die Wangenknochen.“ Ein Mama-Tattoo ziert seinen Oberarm. Den neuen Song musste er seiner Mutter vorspielen und auch erklären. Nicht einfach, auch in Hinblick auf die Zweisprachigkeit, wie er im Interview meint:

„Bestimmte Ausdrücke werden auch ganz anders aufgefasst. Wenn du sie eins zu eins übersetzt, kommt dann was anderes dabei raus. Ich habe meiner Mutter den Song im Auto vorgespielt und dann war sie so ‚Was! Du schämst dich!? Wie?‘ Dann musste ich ihr das ewig lang erklären natürlich. Weil, wenn du das einfach nur so hörst, du schämst dich halt für deine Eltern, was soll das? Das war ein längerer Prozess, sie hat das dann auch verstanden. Aber ich musste das natürlich mit der Mama abklären.“

Das Schamgefühl sagt nichts über fehlende Liebe und Zuneigung der Eltern aus, sondern entsteht aufgrund von Erfahrungen, die man als jemand, der „nicht von hier“ ist, hat. Man versucht akzeptiert zu werden und „dazuzugehören“, indem man versucht, um jeden Preis NICHT aufzufallen. Diese Erfahrung werden einige Migrant*innen teilen, wenn es zum Beispiel um „eingedeutschte“ Namen geht. So rappt YUGO zum Beispiel über „Alex mit X und nicht Aleksandar“.

Es braucht mehr als einen Reisepass, heißt es im Song „Nicht von hier“. Angesprochen auf seine Staatsbürgerschaft meint Aleksandar Simonovski, formerly known as Jugo Ürdens aka YUGO:

„Nächstes Jahr ist es dann tatsächlich so weit, dass ich das dann endlich alles beantrage, so wie sich das gehört. Es erleichtert alles. Angefangen bei den Passkontrollen, man wird komisch angesehen, das dauert immer länger in jeder Schlange, wo man steht. Es fühlt sich dann auch irgendwie minderwertig an. Leider. Von den Autoritäten her, die es da halt gibt. Und natürlich auch zum Wählen. Man kann endlich auch mal seine Stimme wirklich abgeben. So fühlt man sich halt immer ein bisschen außen vor.“

Ende Oktober 2022 erscheint das neue Album von YUGO, das er am 4. November im Wiener Flex live präsentieren wird.

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