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Disney's Dreamlight Valley

Gameloft

Zuckerwatte und Betäubungsmittel

Die Life-Sim „Disney’s Dreamlight Valley“ ist belanglos, harmlos und niederschwellig - zuckersüßer Eskapismus für die Dauerkrise.

Von Rainer Sigl

Klimakollaps, Pandemie, Krieg, Horrorteuerungswelle: Die reale Welt da draußen ist in letzter Zeit irgendwie ein besonders ungemütlicher Ort geworden, da braucht man zumindest am Bildschirm nicht unbedingt noch eine Welt am Abgrund, schönen Dank auch.

Einmal nicht die Welt retten, einmal den ganzen digitalen Monstern, die mir auch noch das Leben schwer machen, die kalte Schulter zeigen, einmal nichts leisten müssen. Stattdessen: reinster harmonischer Eskapismus. Und der darf gern zuckersüß, kitschig und jugendfrei ausfallen. Das schreit nach jenem Konzern, der mehr als jeder andere für genau das steht: Disney.

Schrebergarteln mit Onkel Dagobert

„Disney’s Dreamlight Valley“ heißt die angesagteste virtuelle Zuckerwatte diesen Herbst, und die ist eine Mischung aus „Animal Crossing“, „Stardew Valley“ und den „Sims“. Allesamt Spiele, in denen es ja irgendwie auch ums beschauliche digitale Schrebergarteln geht. Blumen gießen, Fischen gehen, den Garten jäten und zwischendurch neue Teppiche kaufen und Möbel fürs Eigenheim aussuchen, das ist leistbares, weil nur virtuelles Neo-Biedermeier für Millionen.

In „Disney’s Dreamlight Valley“ wandern dann natürlich noch Mickey, Onkel Dagobert und jede Menge vom Disney-Konzern zugekaufte Pixar-Animationsfilmhelden wie Wall-E oder Buzz Lightyear herum, die meine Hilfe brauchen. Nur ich kann das dem magischen Vergessen anheim gefallene Zauberreich wieder wachküssen, und zwar indem ich aufräume und das Vertrauen der Disney-Promis gewinne - meist durch mehr oder minder simple Botengänge. Es ist ein bisschen, als wäre man auf einen Schlag Hausmeister in Disneyland geworden, nur dass die Figuren alle echt sind; nimm das, triste Wirklichkeit.

Disney's Dreamlight Valley

Gameloft

Shopping macht happy, zumindest in „Dreamlight Valley“. Die Mikrotransaktions-Zahnrädchen des Spiels drehen derzeit noch leer - nächstes Jahr startet das Spiel aber als Free-to-Play-Game das große Geschäft mit dem Disney-Appeal.

Harmlos durch den kalten Winter

Besonders schön ist das nicht, spielerisch ist hier alles höchst altbacken und auch sonst spricht objektiv eigentlich wenig für dieses Spiel, außer vielleicht das: „Dreamlight Valley“ ist in seiner Einfachheit herrlich entspannend, seine Abenteuer sind wunderbar harmlos und das repetitive Abgrasen der immerselben Tasks ist wie Urlaub für die von der echten Welt stressgeplagte Psyche. Eskapismus eben, mit einer Extraportion Kleingartenidyll obendrauf, eine Life-Sim light, ein virtuelles Puppenhaus mit Disney-Branding.

„Disney’s Dreamlight Valley“, entwickelt und vertrieben von Gameloft, ist für so gut wie alle Plattformen im Early Access erschienen. Achtung: Mit Bugs und technischen Problemen ist überall zu rechnen.

Kein Wunder, dass das Spiel bei diversen Social-Media-Influencern, mit und ohne Games-Hintergrund, eine kleine virale Sensation ist: Es ist leicht, in diesem seichten Planschbecken die Zeit zu vergessen, der Nostalgiefaktor ist dank Disneys jahrzehntlanger Dominanz in allen Kinderzimmern sozusagen universal und die Mechanismen, die die Spielerschaft bei der Stange halten, sind exakt so feingetunt, wie es das Free-to-Play-Handbuch voller Psychotricks vorsieht.

Moment: Free-to-Play? Aktuell muss der Eintritt nach „Dreamlight Valley“ bezahlt werden, das Spiel ist noch im kostenpflichtigen Early Access, die Mikrotransaktions-Zahnrädchen, die schon im Spiel implementiert, aber noch mit keinem Marktplatz verbunden sind, drehen also noch leer. Irgendwann nächstes Jahr soll das Spiel dann sein Geld ausschließlich durch Mikrotransaktionen einspielen - angeblich auf „sanfte“ Art und Weise. Ob der notorisch turbokapitalistische Disney-Konzern hier Wort hält und nicht wie quasi alle großen Player angesichts der lockenden Millionengewinne der Verlockung erliegt, hier doch noch kräftig zuzugreifen, wird sich erst herausstellen.

Bis dahin ist „Disney’s Dreamlight Valley“ ein mildes, leicht abhängig machendes Betäubungsmittel gegen den Schmerz der echten Welt.

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