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Szenenbild "Triangle of Sadness"

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Das Narrenschiff

Alle sind reich, aber manche sind reicher! Ruben Östlund inszeniert mit „Triangle of Sadness“ eine grelle Satire über das schlechte Benehmen und die Weltfremdheit der Superreichen.

Von Pia Reiser

Die Weltfremdheit der Reichen, in die sich bei ihrem Umgang mit Menschen oft beiläufige Grausamkeit mischt, die wird in Serien wie „Succession“ oder „White Lotus“ fein filetiert. Regisseur Ruben Östlund nimmt aus dem Satire-Werkzeugkasten lieber den Vorschlaghammer und skulptiert uns eine ganz herrlich unterhaltsame Farce über die hässliche Fratze, die meistens dann auftaucht, wenn Vermögen das Sein definiert. Fratzen-Farce also und Klotzen statt Kleckern. Zum Kotzen kommen wir dann auch noch.

Nachdem Ruben Östlund sich mit „Force Majeure“ die Kleinfamilie und mit „The Square“ den Kunstbetrieb - unter genauerer Betrachtung von Konzepten der Männlichkeit - vorgenommen hat, sind in „Triangle of Sadness“ jetzt die Superreichen dran. Auf einem Luxuskreuzfahrtschiff sind alle Gäste reich, aber manche sind reicher. Ein freundliches Waffenhersteller-Ehepaar, ein russischer Dünger-Magnat, ein einsamer Tech-Millionär und ein Model-Paar, Carl und Yaya. Diese beiden Figuren lässt uns Östlund ein bisschen besser kennenlernen, bevor wir an Bord gehen und wir werden Zeugen von herrlich haarsträubenden Dialogen von zwei Superverdienern über den Umgang mit Geld in einer Beziehung.

Unangenehme Situationen faszinieren Östlund, er ist der Cringemaster des europäischen Kinos, der hier große Freude hat in Hochglanz-Bildern von der Verderbtheit, Plumpheit aber auch einer in Ahnungslosigkeit gefußten Taktlosigkeit der Superreichen zu erzählen. Rat in Sachen Drehbuchentwicklung - das erzählt er im Interview mit dem Monopol-Magazin - hat sich Östlund bei einem Regisseur geholt, der auch ein paar Dinge über das Inszenieren des Unangenehmen weiß: Michael Haneke.

Szenenbild aus "Triangle of Sadness"

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Und auch über viele unangenehme Dinge weiß auch Östlunds Frau, Modefotografin Sina Görtz Bescheid, Östlund ist fasziniert von den Geschichten aus ihrem
Arbeitsalltag - und von der Idee, dass Schönheit im Modebusiness eine Währung ist. Da lacht auch der Dünger-Mogul, wenn er erfährt, dass das Model/Influencer-Paar keinen Groschen für die Luxuscruise bezahlen muss. Möglicherweise noch absurder findet er, dass die junge Frau sich mit aufgerollter Pasta auf der Gabel fotografieren lässt, aber natürlich niemals Kohlehydrate in ihren Körper gelangen lassen würde.

Influencer*innen und Superreiche sind natürlich nur allzu leichte Kandidat*innen für eine satirische Abwatschung, doch die Inszenierungen über Machtgefälle, Imponiergehabe und den ultimativen Kontrollverlust, die „Triangle of Sadness“ auf die Leinwand bringt sind großartig. Während die Models in der Sonne liegen und alibihalber „Ulysses“ in den Händen halten, sitzt der Kapitän (Woody Harrelson), der sich als ansich überzeugter Marxist definitiv den falschen Beruf ausgesucht hat, in seinem Zimmer und hört die Internationale. Mit dem russischen Dünger-Millionär liefert er sich mal ein Zitate-Duell, Kapitalismus gegen Marxismus, das ist hier nicht wirklich Brutalität, aber doch leinwandfüllend komisch.

Szenenbild aus "Triangle of Sadness"

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„Triangle of Sadness“ startet am 14. Oktober 2022 in den österreichischen Kinos. Am 17.10 ist Sunnyi Melles zu gast im FM4 Filmpodcast (0-1)

„Triangle of Sadness“ ist ein Jahrmarkt der Eitelkeiten und der Breitseiten und Ruben Östlund der Zirkusdirektor, der eine szenische Attraktion nach der nächsten durch einen Feuerreifen hüpfen lässt. Östlund hat Freude am Inszenieren von Eskalationen an der Entgleisung, die passiert, während man vielleicht noch versucht, das Gesicht zu wahren. Wann werfen wir soziale Konventionen über Bord, wie benehmen wir uns in welcher Gesellschaft und: Was kann man tun, wenn einem beim Kapitänsdinner so schlecht wird, dass man sich am Tisch ins Essen des Tischnachbarn übergibt? Aus dem als Paradies gedachten Leben an Bord wird ein stinkender Alptraum. In einer fürs europäische Kino eher unüblichen Weise begibt sich Östlund in den Bereich, für den die englischen Begriffe crude und gross am besten funktionieren.

Trotz all der übergehenden Toiletten und der sensationell-inszenierten Speiberei ist die Szene mit dem größten Magenschlag-Potential eine viel ruhigere: Sunnyi Melles, mit Champagner am Jacuzzi sitzend, deklamiert we are all equal und um diese Gleichheit zu demonstrieren, bittet sie, eine junge Frau, die am Schiff arbeitet, doch auch in den Jacuzzi zu gehen. I command you to enjoy yourself befiehlt die Millionärsgattin und was soll man da tun. „Triangle of Sadness“ ist keine Lehrveranstaltung über Kapitalismus oder Karl Marx, sondern Spektakelkino, das Unbehagliches, Absurdes und Groteskes grell ausleuchtet.

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