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Murder Mystery im Dunklen

Kein Wifi, kein Strom, dafür eine Leiche mit durchgeschnittener Kehle auf der Terrasse. Eine Hurricane Party von wohlhabenden Mittzwanzigern wird im sensationellen Film „Bodies Bodies Bodies“ zur Satire meets Murder Mystery Melange - und einem Schnappschuss der Gefühlswelt und der Sprache der Gen Z.

Von Pia Reiser

Die Gen Z gilt als eine Generation, die immer unter Strom steht und genau den nimmt Regisseurin Halina Reijn ein paar Gen-Z-Prachtexemplaren in „Bodies Bodies Bodies“ weg. Doch der Stromausfall ist nur die Spitze des Eskalations-Eisberges: Vier Mittzwanziger aus reichen Familien (und ein Gen X-ler) treffen sich für eine Hurricane Party in einer abgelegenen Familienvilla. Sie sind jung, sie haben Geld, nur wirklich entspannt, das sind sie nie. Anxiety ist das Wort, ohne das kein Text und kein Gespräch über die Gen-Z auskommt und auch „Bodies Bodies Bodies“ gönnt seinen Figuren nur ganz wenige Sekunden Ruhe: Wenn die Kamera sie im Pool unter Wasser einfängt, quasi schwebend und man sich angesichts von Pete Davidsons nacktem Oberkörper fragt, wieviel Arbeit das wohl in der Postproduktion war, Davidsons Tätowierungen zu entfernen. Sophie (Amandla Stenberg) und ihre neue Freundin Bee (Maria Baklova) sind nicht nur late to the party, sondern auch eigentlich unangekündigt. Schnell surren Sticheleien durch die Luft, die Stimmung ist angespannt, die Gruppendynamik gordisch verknotet, der Ruf nach Xanax liegt in der Luft.

Filmpodcast

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Der FM4 Filmpodcast am 24. Oktober 2022 dreht sich um „Bodies Bodies Bodies“ und „Do Revenge“. Um Mitternacht auf FM4 - und ab 22 Uhr, überall, wo es Podcasts gibt.

Während der Hurricane Wind und Regen ums Haus peitscht, entscheidet man sich für eine Runde des Spiels Bodies Bodies Bodies - und dann fällt der Strom aus. Für das Spiel ist das egal, es ist ein Partyspiel, das man ohnehin im Dunklen spielt: Jeder zieht einen Zettel, wer den Zettel mit dem „X“ zieht, ist der Mörder und muss möglichst unbemerkt durch ein Tappen auf den Rücken seine MitspielerInnen umbringen. Wird man angetippt, legt man sich hin, wer über eine Leiche stolpert, ruft „Bodies Bodies Bodies“ und man berät, wer der Mörder ist.

Was aber macht man, wenn man einen Mitspieler mit durchgeschnittener Kehle auf der Terrasse findet? „Bodies Bodies Bodies“ greift zurück auf das alte Geschichten-Gerüst der Murder Mystery zurück, das Agatha Christie 1939 mit „And then there were none“ auf den Punkt gebracht hat: Eine Gruppe an (meistens gut situierten) Menschen ist an einem abgelegenen Ort, der Mörder muss im Grunde einer aus der Gruppe sein, die Frage ist dann nicht nur: Wer ist der Mörder, sondern auch: Wer stirbt als Nächster?

Szenenbild "bodies bodies bodies"

Sony

Diesem vertrauten Genre, das aus dem Fernsehen nie weg war und seit Kenneth Branaghs „Murder in the Orient Express“ und „Knives Out“ eine Wiederauferstehung im Kino erlebt, legt Regisseurin Halina Reijn eine Zeitgeist-Infusion. Aktuelle Befindlichkeiten und Entwicklungen eingepackt in Genrekino ist oft eine Kombination, die ganz großartiges Kino hervorbringt und „Bodies Bodies Bodies“ ist da keine Ausnahme. Es ist ein Schnappschuss von Ideen, Ängsten, Wehwehchen und sprachlichen Eigenheiten der Gen-Z. Der Generation, die quasi mit dem Smartphone aufgewachsen ist und für die Selbstdarstellung und Kommunikation via Social Media doch definierende Bausteine sind, muss in dem Film ohne all die vertrauten Dienste auskommen. Denn Strom weg, Wifi weg.

Umso schöner, dass die Dunkelheit des großes Hauses und der Hurricane-Nacht fast ausschließlich von Handy-Taschenlampen (und Knicklichtern) erleuchtet wird. Wahrlich erleuchtend - und sehr unterhaltsam - sind die Zeilen, die die Mitzwanzigerinnen zwischen Todesangst und Verdächtigungen einander an den Kopf werfen. Eine verbale Eskalation, die auch die Dynamiken - und Begriffe - aus sich schnell hochschaukelnden Online-Diskussionen spiegelt. Und die ultimativ größte Beleidigung ist es einerseits, wenn man dann zugibt, den Podcast einer Freundin gar nicht gut zu finden - oder einer anderen Freundin zu unterstellen, einen auf middle class zu machen. In Sachen wokeness und check your privilege sind die jungen Frauen am neuesten Stand und Dinge werden auch dann noch ausdiskutiert, wenn man über Leichen stolpert.

BODIES BODIES BODIES

slash Filmfestival / BODIES BODIES BODIES

Die Kombination aus der Überforderung mit der bedrohlichen Situation und dem Bemühen, alles auszudiskutieren ist großartig, ebenso wie Regisseurin Rejn dem Suspense immer wieder Dialoge untermengt, die auf die komplizierten Freundschaften hinweisen. Man kann durchaus eine Freundin in einem dunklen Haus suchen, Angst haben, dass sie vielleicht schon tot ist und aber auch erwähnen, dass besagte Freundin in der Schulaufführung von „Hedda Gabler“ nicht so gut war, wie alle immer tun. Allen voran ist es Rachel Sennot („Shiva Baby“) als Alice, die mit an „Girls“ erinnernden Dialogzeilen über weite Strecken das humoristische Zentrum des Film ist.

„Bodies Bodies Bodies“ startet am 28. Oktober 2022 in den österreichischen Kinos

Die Genre-Bezeichnung „Slasher“, die an „Bodies Bodies Bodies“ klebt ist im Grunde nämlich irreführend, zwar ist der Konzept Gruppe an jungen Menschen, die nach der Reihe Sterben auch im Slasher-Genre zu finden, doch „Bodies Bodies Bodies“ ist formal vielmehr an Satire und Murder Mystery als am Horror-Genre interessiert, also auch ruhig Zartbesaitete können sich hier in den dunklen Kinosaal wagen und sich an Sätzen wie „Feelings are Facts!“ erfreuen.

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