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Zwei Soldaten kontrollieren einen Kleinbus am Grenzübergang bei St. Margarethen

Radio FM4 / Paul Pant

Bundesheer im Grenzbereich

Das Bundesheer soll auf Vordermann gebracht werden. Dafür sollen 16,6 Milliarden Euro extra in den kommenden zehn Jahren ausgegeben werden. Ein Lokalaugenschein beim Grenzeinsatz im Burgenland.

Von Paul Pant

Am Grenzübergang bei St. Margarethen, auf der Landstraße nach Sopron stehen zwei weiße Container. Davor zwei junge Soldaten in Uniform, mit Warnweste und Pistole im Halfter. Sie kontrollieren stichprobenartig die vorbeifahrenden Autos. Vor allem Kleinbusse und Kastenwägen werden angehalten. In Sichtweite der Grenzkontrollen stehen Gedenktafeln, die an das Paneuropäische Picknick und das Ende des Eisernen Vorhangs 1989 erinnern. Am Denkmal „Tor Zur Freiheit“ kommen auch heute noch viele Asylsuchende vorbei.

Bis Ende September haben im laufenden Jahr 71.885 Menschen in Österreich einen Asylantrag gestellt. Die meisten kommen aus Afghanistan, Syrien, Indien, Tunesien und Pakistan. Ukrainische Flüchtlinge werden in der aktuellen Antragsstatistik nicht mitgerechnet, da sie einen Sonderstatus haben und sofort das Aufenthaltsrecht bekommen. Der Großteil der Asylwerber*innen kommt im Burgenland über die Grenze. Bis zu 3.000 Menschen pro Woche seien in den vergangenen Wochen aufgegriffen worden, berichtet der burgenländische Militärkommandant Gernot Gasser der APA. Ohne Bundesheer könnten die lokalen Polizeidienststellen der Situation nicht mehr Herr werden, erzählt Leutnant L., der stellvertretende Kompaniekommandant in St. Margarethen beim Lokalaugenschein.

Rekrut Thomas, der an der St. Margarethener Landesstraße die Autos kontrolliert, ist seit Anfang Oktober im Burgenland. Bereits in der ersten Woche hat seine Streife Flüchtlinge aufgelesen. Schwierig sei die Kommunikation mit den Fremden, erzählt der 21-jährige Oberösterreicher. Um ihnen die Angst vor der Uniform zu nehmen, sagt Thomas immer „Welcome to Austria“. Er gibt offen zu, dass er beim ersten Aufgriff sehr nervös gewesen ist: „Es gehen einem da viele Sachen durch den Kopf, ob man auch alles richtig macht, und dass die keine Angst haben sollen.“

Neben dem Burgenland ist das Bundesheer auch in Tirol, Kärnten und der Steiermark im Assistenzeinsatz. Insgesamt sind es 1.000 Soldaten.

Für den sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz des Bundesheeres sind aktuell 720 Personen im Burgenland abgestellt. Ihr Auftrag seit 2016: Menschen, die ohne Befugnis das österreichische Staatsgebiet betreten, auf gefährliche Gegenstände und ihre Ausweispapiere zu kontrollieren. Außerdem sollen sie Flüchtlinge versorgen und zu einer der vier burgenländischen Registrierungsstellen bringen, wo Asylanträge gestellt werden können.

Schlepper*innen werden der Polizei gemeldet, aber nicht verfolgt. Die Kriminalitätsbekämpfung ist nicht Aufgabe des Bundesheeres. In der Regel seien die Flüchtlinge „völlig friedfertig“, berichtet Brigadier Gernot Gasser. Dass es trotzdem gefährlich werden könne, zeige aber ein Vorfall im Jänner, wo ein Schlepper auf Soldaten geschossen habe, so der burgenländische Militärkommandant.

Den Grenzeinsatz lässt sich die Republik Österreich einiges kosten. Je nach Dienstgrad um die 3.000 Euro netto bekommen zum Beispiel Milizsoldat*innen für die Zeit an der Grenze pro Monat. Für Berufssoldat*innen gibt es eine zusätzliche Einsatzprämie zum Gehalt (Unteroffizier*innen 1.680,64 Euro, Offizier*innen 2.188,85 Euro) als Anreiz, sich dafür freiwillig zu melden. Aber auch für den Grundwehrdienst gibt es das Modell „6+3“. Das beinhaltet den freiwilligen Inlandseinsatz direkt im Anschluss an den Grundwehrdienst und ebenfalls eine höhere Entlohnung.

Zwei Soldaten kontrollieren einen Kleinbus am Grenzübergang bei St. Margarethen

Radio FM4 / Paul Pant

Wachtmeister K. erzählt, dass er sich mit seinem Dienst beim Bundesheer sein bisheriges Studium vollständig finanzieren konnte. Im Mannschaftsquartier in St. Margarethen sorgt der Unteroffizier für die Versorgung der Truppe. Er ist eigentlich Lehramtsstudent für Sport und Mathematik. Nach seinem Grundwehrdienst hat er die Milizlaufbahn eingeschlagen und sich über den Sommer freiwillig zum Assistenzeinsatz für drei Monate gemeldet.

Auch bei Maturanten soll das 9.000-Euro-Zuckerl für die längere Verpflichtung nach dem Grundwehrdienst gut ankommen. Generell wird das Modell aber trotzdem weniger nachgefragt, als es sich das Bundesheer erhofft hat. Im ersten Halbjahr 2022 gab es über 200 Freiwillige, im Juli 2022 140 Interessierte. Oberst Günter Leitner vom Militärkommando Burgenland sieht einen Grund dafür, dass wegen der aktuellen Personalsituation Grundwehrdienstleistende oft schon in ihren sechs Monaten an der Grenze eingesetzt werden. Weitere drei Monate seien da sehr fordernd, besonders für jemanden aus dem Westen Österreichs, sagt Leitner.

Den personalintensiven Einsatz von Soldat*innen an der Grenze haben zuletzt vor zwei Jahren der Rechnungshof als auch die Oppositionsparteien im Parlament kritisiert. Die Kosten für die Assistenz- und Unterstützungsleistungen des Bundesheeres, die zwischen 2015 und 2017 rund 273 Millionen Euro betrugen, mussten zu einem großen Teil aus dem normalen Bundesheerbudget finanziert werden. Innen- und Finanzministerium kamen nur teilweise für die Kosten auf. Das Verteidigungsministerium erhielt so nur 90,42 Millionen Euro zurück, stellte der Rechnungshofbericht fest.

Der Rechnungshof kritisierte außerdem, dass sich der Einsatz an der Grenze nachteilig auf die militärische Ausbildung auswirke. Hintergrund des Berichts waren freilich sinkende Flüchtlingszahlen. Kamen am Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 im Durchschnitt rund 131.500 Flüchtlinge pro Monat nach und durch Österreich, gab es im Gesamtjahr 2018 nur mehr 13.746 Asylanträge. Mit der Corona-Krise bekam die Grenzsicherung wieder mehr Bedeutung, auch wegen der Kontrolle der Quarantäneregelungen. Und auch die aktuell steigenden Flüchtlingszahlen führen wieder zur Auslastung der bestehenden Ressourcen.

Dass beim Bundesheer in den vergangenen Jahrzehnten generell viel gespart wurde, zeigt sich augenscheinlich bei der individuellen Ausrüstung und den verschiedenen Uniformen am Stützpunkt in St. Margarethen. Nur ein Teil der Milizsoldaten hat bereits die neuen Camouflage-Uniformen an, Grundwehrdiener tragen noch die einfärbig-grüne Uniform und ältere Milizsoldaten ein Zwischenmodell. Aber auch bei anderen Details, wie den unterschiedliche Pistolenhalftern - manche mit, manche ohne Sicherungsbügel - zeigt sich der Investitionsrückstau.

Nicht zuletzt wegen dem Krieg in der Ukraine und der neuen Sicherheitslage in Europa hat die türkis-grüne Bundesregierung nun durchaus überraschend für die Heeresplaner mehr Geld für das Bundesheer zugesagt. Priorität soll dabei die Ausrüstung der Soldat*innen haben. Bis 2026 soll das Verteidigungsbudget schrittweise von heuer 2,64 auf 4,7 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Zusätzlich wurde ein zehnjähriger „Aufbauplan“ beschlossen, der Investitionen von 16,6 Milliarden Euro ins Bundesheer vorsieht. Auf der Einkaufsliste stehen ein modernes Luftabwehrsystem, Hubschrauber, die Nachrüstung der Eurofighter, damit sie auch in der Nacht einsetzbar sind, Drohnen und Kampfpanzer. Unter dem Strich soll das Bundesheer mit seinen 55.000 Soldaten damit wieder in die Lage versetzt werden, nicht nur Aufgaben im Assistenzeinsatz und dem Katastrophenschutz übernehmen zu können, sondern tatsächlich im Ernstfall auch das Land verteidigen zu können.

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Naher Krieg, Pandemiebekämpfung, Cyberabwehr: Welchen Einfluss haben aktuelle Krisen auf den Job von Soldat*innen in Österreich?
Claus Pirschner spricht darüber mit Soldat*innen, (ehemaligen) Präsenzdienern und der Journalistin Iris Bonavida.

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