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Das Gespenst

Petra Weixelbraun

Ein Gespenst bei Tageslicht

Elias Hirschl ist erfolgreicher Autor, Poetry Slammer und Sänger. Gemeinsam mit dem Rapper und Produzenten Christopher Hütmannsberger hat er 2020 das Duo Ein Gespenst gegründet und dieser Tage das Debütalbum veröffentlicht. Im Interview sprechen die beiden mit Clemens Fantur über den Pathos der deutschen Sprache, Musik als Ausgleichssport und das Schreiben beim Spazierengehen.

FM4: Woher kennt ihr beide euch eigentlich?

Elias Hirschl: Tatsächlich über Poetry-Slam-Veranstaltungen in Linz.

Christopher Hütmannsberger: Richtig, wir kennen uns über die Poetry-Szene und 2017 haben wir dann angefangen, gemeinsam Musik zu machen.

Elias Hirschl: Da haben wir nach der Nationalratswahl die Punkband Heldenplatz gegründet. Das war musikalisch alles noch etwas unzugänglicher.

FM4: Dann habt ihr aus diesen Punkstücken heraus Ein Gespenst entwickelt?

Elias Hirschl: Das war der logische Schritt aus dem Punk in den Postpunk. Wir haben auch versucht, einen Song von unserer alten Band digital nachzubauen. Da haben wir sehr viel experimentiert mit Punk bzw. Postpunk.

FM4: Das heißt, ihr beide produziert es auch?

Christopher Hütmannsberger: Die meisten Stücke sind so entstanden, dass die Instrumentierung von Elias gekommen ist und ich dazu Drums produziert und arrangiert habe.

FM4: Ist die Musik und dieses spontane Arbeiten zu Ein Gespenst eine Art Ausgleichssport zu euren anderen Tätigkeiten?

Elias Hirschl: Ja, die Arbeit an einem Roman ist natürlich das Gegenteil von spontan. Wobei die Arbeit zu diesem Album schon auch sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat. Aber es ist auch cool, Lieder an einem Tag fertig zu machen, sie herauszuspielen und sie dann am Nachhauseweg beim Spazierengehen anzuhören. Dieser Moment ist sehr viel zufriedenstellender als einfach nur isoliert Schreiben.

FM4: Wo ist die Schnittmenge zwischen Poetry Slam, Musik Machen und Schreiben in Romanform? Was ist die Schnittmenge?

Elias Hirschl: Wir haben das zum Teil sehr gemischt. Das Lied „Die Leere“ ist ein Spoken-Word-Text, der aus einer Kurzgeschichte von mir heraus entstanden ist. Er funktioniert als beides, als Kurzgeschichte, aber auch als Musikstück.

Christopher Hütmannsberger: Die Nummer „Offen“ ist ein Spoken-Word-Text von mir, den Elias dann leicht umgeschrieben hat, damit er rhythmisch funktioniert. Ich komme ja vom Rap, da ist das schon eine sehr ähnliche Arbeitsweise. Wir mischen das alles sehr. Ich habe auch teilweise Texte von der Punkband auf Poetry Slams gelesen und das geht sich alles sehr gut aus…

FM4: Geben die Texte auch den Takt der Musik vor?

Christopher Hütmannsberger: Bei „Die Leere“ war das genau so. Die Texte entstehen oft abseits der Instrumentals. „Ein deutsche Wort“ zum Beispiel sind Gedichte von Elias…

Elias Hirschl: Das ist eigentlich ein viel längeres Gedicht. Da war es so, dass wir das Instrumental schon vorher hatten und ich das Gedicht dann umgeschrieben habe. Oft ist es wie beim Rap, da ist der instrumentale Beat schon vorher da und beim Durchhören beim Spazierengehen schreibt man dann den passenden Text darauf. Der Song „Ein Gespenst“ ist zum Beispiel beim Spazierengehen entstanden. Auch wollte ich einen Song haben, der heißt wie die Band selbst. Ein gutes Beispiel ist vielleicht auch noch „The Smiths“, da war die Textidee schon da und wir haben dann die musikalische Anspielungen in das Lied subtil mit eingebaut.

FM4: Apropos „The Smiths“! Ich habe das Gefühl, dass euch dieser Song beim Schreiben ziemlich viel Spaß gemacht hat. Da hättet ihr bestimmt noch einige Strophen schreiben können, stimmt’s?

Elias Hirschl: Durchaus! Wir nennen ihn auch ganz lieb gemeint unseren Anti-FM4-Song. Natürlich nennen wir da hauptsächlich Bands, die wir eigentlich sehr gerne haben oder auch Freunde von uns sind. Zum Teil. Da geht es ja eher darum, dass einen vielleicht in manchen Momenten Musik gar nicht mehr berührt. Und dann schon wieder.

Christopher Hütmannsberger: Es ist natürlich alles mit einem sehr, sehr großen Zwinkern im Auge geschrieben und dementsprechend kann ich mir kaum vorstellen, dass die Nummer irgendwie jemand für bare Münze nimmt.

FM4: Auf dem Album kommen sehr viele Texte aus unterschiedlichen Federn. Wie funktioniert das gemeinsame Texte schreiben? Wie findet man da zusammen?

Elias Hirschl: Durch sehr viel Austausch.

Christopher Hütmannsberger: Aber nicht nur textlich, sondern auch musikalisch schwimmen wir auf einer sehr, sehr ähnlichen Wellenlänge. Bei dem Song „Kaffee“ habe ich die ersten zwei Zeilen vom Refrain geschrieben. Ich habe Elias dann nur den Text geschickt und die Idee. Am nächsten Tag kam dann von ihm ein Demo mit genau derselbe Melodie zurück, die ich im Kopf hatte.

FM4: Die deutsche Sprache ist ja nicht wirklich dafür bekannt, einfach zu sein, wenn es darum geht, gute Songs zu schreiben. Wie seht ihr das?

Elias Hirschl: Ja, das Problem mit deutscher Sprache ist, dass das Geschriebene oder Gesagte sehr schnell sehr pathetisch wirken kann. Da greifen dann viele zur Schutzmaßnahme namens Satire. Über echte Gefühle zu reden, wird oft vermieden, doch dieser Schutzmechanismus ist natürlich sehr schade. Bilderbuch haben diese Satirefalle sehr schlau umgangen, indem sie gleich auf Dadaismus gesetzt haben. So kann man nämlich auch Lieder machen, die von Liebe handeln, ohne dass es nervt oder weh tut. Auch „Maschinen“ ist großartig, weil man es interpretieren kann, wie man möchte. Es ist offen genug, dass es wirklich als Kunstwerk funktioniert. Aber ich merke auch, ich habe in den letzten Jahren zunehmend weniger Angst vor Pathos.

FM4: „Bei Tageslicht“ - wie kam es zu dem Titel?

Elias Hirschl: Er wurde mir eingeflüstert. Und wir fanden es wunderschön einen Titel zu haben, der mit dem Bandnamen harmoniert. Ein Gespenst bei Tageslicht finde ich eine schöne Vorstellung, weil auch die Songs immer zwischen Tag und Nacht schwanken. Es geht ja auch durchwegs um Schlaflosigkeit - also im positiven oder negativen Sinne um das Wachgehaltenwerden.

FM4: Um wieviel Uhr sollte man das Album hören?

Elias Hirschl: 5:30 morgens.

FM4: Vielen lieben Dank für das Gespräch.

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