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Impressionen Halloween in Los Angeles, Danny Elfman

Christian Fuchs

Schöne Schocks: Halloween in Los Angeles

Schaurige Garten-Dekos, filmische Geisterhäuser, ein Treffen mit Horror-Regisseurin Ana Lily Amirpour und die Stadionshow der düsteren Soundtrack-Legende Danny Elfman: Ein Erlebnisbericht aus der Stadt der Engel – und Teufel.

Von Christian Fuchs

Ersparen wir uns bitte an dieser Stelle einen Exkurs in die Brauchtums-Geschichte. Lassen wir keltische und vorchristliche Traditionen mal komplett beiseite. Und ignorieren wir vor allem die spöttischen Stimmen im deutschen Sprachraum, die über das „importierte Kommerzspektakel aus den USA“ schimpfen.

Es gibt ein unschlagbares Argument für Halloween, das den Weihnachtsmann, das Christkind und den Osterhasen erblassen lässt. Bei diesem herrlichen herbstlichen Fest wird dem Horror gehuldigt, in all seinen Varianten – und was gibt es Besseres? Halloween steht für eine schundig schöne Feier des Monströsen, für billiges Kunstblut, Plastik-Vampirzähne und abgetrennte Gummi-Körperteile, für gruselig leuchtende Kürbisse und unseren alten Kumpel Michael Myers.

Richtig erspüren lässt sich dieser spezielle Vibe aber nur vor Ort, im Zentrum des glücklich machenden Grauens, in den Vereinigten Staaten des Schreckens. Es reicht in Los Angeles durch bürgerliche Wohngegenden zu flanieren, die sich Ende Oktober in Horrorfilm-Sets verwandeln. Ob fantasievoll oder schrill und plakativ, hier wird beeindruckend in schaurige Garten-Dekos investiert.

Auge in Auge mit Michael Myers

Von der omnipräsenten Halloween-Stimmung in der Stadt der Engel (und Teufel) angefixt, führt der Weg in die Universal Studios in Hollywood. Jahr für Jahr, mit einer Covidpause dazwischen, versammeln sich hier an mehreren Nächten unzählige Freaks and Geeks. Die „Halloween Horror Nights“ bieten im Oktober ein ganz besonderes Gänsehaut-Programm, versprechen geballte Schockerlebnisse und die Konfrontation mit heißgeliebten Movie-Monstern.

Auch an dem Donnerstag Abend, an dem ich mich mit meiner Begleitung ins Geschehen werfe, erforschen zigtausende Horrorfans das Universal Studio Gelände, die meisten schwarzgekleidet und in einschlägige Splatter-T-Shirts gehüllt. Der Großteil entstammt der Latino-Community von L.A., die ein besonderes Herz für die morbiden Seiten der Popkultur hat.

Aber man sieht hier, sämtliche Ethnien und Geschlechtergrenzen sind ohnehin längst obsolet, wenn es um die lustvolle Begegnung mit dem Grauen geht. Die Menschenschlangen sind gewaltig, die Extratickets, die einem die Wartezeit verkürzen, aber auch immens teuer. Also stehen wir ebenfalls 90 Minuten an, um in eines der Haunted Houses zu gelangen. Die blutigen Spezialeffekte sind aufwändig, die schreienden Darsteller*innen ambitioniert.

Viel zu schnell werden wir durch die Westernstadt durchgejagt, die in Jordan Peeles heurigem Meisterwerk „Nope“ eine zentrale Rolle spielt. Statt gefährlichen Aliens sind es aber die rotgekleideten Gestalten aus seinem Home-Invasion-Thriller „Us“, die an jeder Ecke bedrohlich grinsen. Auch der afroamerikanische Rapstar The Weekend hat ein bizarres Geisterhaus gestaltet.

Am Ende ist es aber der gute alte Michael Myers, der die Crowd am meisten anzieht - und auch nicht enttäuscht. Auch der peinliche „Halloween Ends“ kann den Mythos um den Maskenmann nicht beschädigen. Etlichen grimmigen Michael-Inkarnationen im Dunkeln gegenüberzustehen, die ihre Messer zücken - für den Schreiber dieser Zeilen das pure Glück.

Ein Nachmittag mit Ana Lily Amirpour

Am nächsten Tag wartet Ana Lily Amirpour in einem Café in West Hollywood. Erst unlängst durfte ich mit der US-Regisseurin online über ihren wilden Genremix „Mona Lisa and The Blood Moon“ plaudern. Im persönlichen Gespräch entpuppt sich die Filmemacherin als besonders charismatischer Charakter. „Ich werde oft als engagierte Feministin bezeichnet“, meint Amirpour, deren Werke von rebellischen Frauenfiguren bevölkert sind. „Noch lieber sehe ich mich aber als eine moderne Hexe.“

Bevor wir über ihre Episode für die neue Horror-Anthologie „Cabinet of Curiosities“ reden, sind ernstere Themen angesagt. Ana Lily Amirpour hat Wurzeln im Iran, die aktuellen Aufstände in dem Land machten sie zur zornigen Aktivistin. „Was dort derzeit passiert, erinnert mich an die Ära der Inquisition, es ist ein brutaler Krieg gegen die Frauen.“ Amirpour ist optimistisch, dass das religiöse Regime gestürzt werden kann, beklagt aber die mangelnde Solidarität des Westens mit den Aufständischen.

Auch bei ihrem Halloween-Filmtipp lässt die Regisseurin des hinreißenden Indiefilms „A Girl Walks Home Alone at Night“ Politik einfließen. Der Horrorcomedy-Klassiker „Gremlins“ funktioniert für Ana Lily Amirpour als Parodie auf den politisch korrekten Zeitgeist. „Die Kuscheltiere, die sich in gefährliche Kobolde verwandeln, sind für mich Metaphern für die Woke-Bewegung, die positiv begonnen hat und jetzt bedenklich mutiert.“

Mr. Halloween live in concert

Muss man auch einmal schaffen: Mit fast 70 Jahren halbnackt auf einer Stadion-Bühne stehen, extravagant singend, der ganze Körper tätowiert, im Hintergrund laufen auf einer Videowall avantgardistische Images und Szenen aus Blockbustern gleichermaßen. Der kalifornische Filmkomponist Danny Elfman pendelt in der ausverkauften Hollywood Bowl nahtlos zwischen Soundtrack-Hits und Industrial-Rock, hysterischer Psychedelik und ikonischen Melodien.

In seiner Heimatstadt L.A. vergöttert man den eklektischen Musiker als Mr. Halloween, personifiziert er doch durch Tim-Burton-Produktionen wie „Edward Scissorhands“ die dunkle Gothic-Romantik. In der historischen Venue reihen sich die dazugehörigen pittoresken Filmthemen aneinander, von Batman bis zu den Simpson. Elfman streut aber auch brachiale Songs aus seinem Soloalbum „Big Mess“ ein, gestützt von einer Band, zu der Mitglieder von A Perfect Circle und Limp Bizkit gehören.

Im VIP-Bereich steht auch aufgeregt eine beteiligte Österreicherin. Die Grazerin Berit Gilma sorgte nicht nur für maßgebliche Inspirationen für „Big Mess“. Als Creative Director für Danny Elfman prägt sie auch dessen eindringliche visuelle Präsenz, sorgt aber auch für Kollaborationen mit edgy acts wie Death Grips, HEALTH oder Einstürzende Neubauten. Das Darkwave-Duo Boy Harsher spielt letztlich auf ihre Vermittlung hin hier vor Zehntausenden als Support.

Während ihr Boss auf der Bühne herumtobt, erklärt Berit die Bedeutung von Halloween für die tobende Menge. „Danny symbolisiert tatsächlich dieses Fest für die Menschen in Los Angeles, weil er die Hauptfigur im düsteren Animations-Klassiker ‚Nightmare Before Christmas‘ singt. Das alles ist in Österreich wahrscheinlich schwer nachvollziehbar, aber hier ganz tief verankert. Vielleicht hat es auch mit der Nähe zu Mexiko zu tun, wo ja ohnehin der Totenkult euphorisch zelebriert wird.“ In diesem Sinne: Happy Halloween!

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