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Warum verkleidet sich zu Halloween niemand als Beamter?

Todor Ovtcharov kennt ein paar echte Hexen und hat ein paar Verkleidungsvorschläge für’s nächste Halloween.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

An Halloween treffen die Menschen auf ihre Ängste, scherzen darüber und überwinden sie. Man stellt diese Ängste aber ein bisschen archaisch dar. Denn der moderne Mensch fürchtet sich wenig vor Zombies. Jede*r von uns hat bereits Millionen von Zombies in diversen Computerspielen vernichtet. Jede*r durchschnittliche Streaming- oder Fernsehkonsument*in würde wohl wissen was zu tun wäre, falls er oder sie auf einen Werwolf, einen Vampir oder diverse mythische Kreaturen trifft. Wir haben viel mehr Angst vor dem Finanzamt als vor Dracula. Denn das Finanzamt kann uns viel effizienter das Blut aussaugen. Ich habe schon seit frühem Kindheitsalter Angst vor Beamten. Warum verkleidet sich zu Halloween niemand als Beamter oder als Grenzpolizist?

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Bis vor 20 Jahren war Halloween in meinem Geburtsland Bulgarien nicht bekannt. Die meisten Menschen waren zu sehr damit beschäftigt, zu überleben, um sich über das Übernatürliche lustig zu machen. In Österreich habe ich auch wenig über Halloween gewusst.

Ich habe mal in einem Haus gelebt, wo meine Nachbarinnen nur Omas waren. Die meisten von ihnen mussten sich nicht als Hexen verkleiden, denn so sahen sie das ganze Jahr aus. Ich weiß nicht, wo sie ihre fliegende Besen parkten, aber ihre Magie bestand darin, täglich Beschwerden über mich an die Hausverwaltung zu schicken. Würde man alle diese Beschwerden sammeln, könnten man daraus einen Berg bauen, der das Haus überdecken würde. Ich habe heimlich gehofft, dass sie von diesem Berg an Beschwerden erdrückt werden, damit sie nie wieder der Menschheit Böses tun können. Vielleicht ist das schon passiert, denn im neuen Haus, in das ich umgezogen bin, fehlt von ihnen jede Spur.

Hier wohnen vor allem junge Familien mit Kindern. Man feiert Halloween mit voller Kraft. Letztes Jahr läuteten zum ersten mal Kinder an meiner Tür. Ich war nicht vorbereitet und die einzigen Bonbons, die ich hatte, waren Hustenbonbons. Ich gab sie den Kindern, mit dem Wunsch, dass sie gesund bleiben mögen.

Heuer habe ich mich aber vorbereitet. Ich habe einen Kübel mit Lebkuchen und einen Sack mit Gummibärchen gekauft. Die Kinder läuteten vorsichtig an meiner Tür, denn sie hatten wahrscheinlich Angst, wieder Hustenbonbons zu bekommen. Es läuteten dann so viele Kinder, dass schnell alle Lebkuchen und Gummibärchen weg waren.

Die letzten Kinder bekamen zwei Äpfel von mir. Ich sagte, das sei gesundes Essen für Vampire. Sie schauten mich enttäuscht an. Vielleicht sah ich wie ein fürchterlicher Beamter aus, der Kindern Angst macht. Vielleicht sollte ich mich nächstes Jahr mit Absicht so verkleiden.

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