FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Ich hasse meine Freunde

Kiwi Verlag

Buch

„Ich hasse meine Freunde“ ist Balsam für die Twenty-something Seele

Durchzechte Nächte, lethargische Prüfungsphasen und jede Menge Beziehungsdrama: Gerald „Gerard“ Hoffmanns Debutroman fängt präzise das Mittzwanzigerdasein als Studierende*r ein - und spendet unpathetische Hoffnung in Zeiten, in denen die Lebensplanung planlos erscheint.

Von René Froschmayer

„Manchmal kommt alles ganz anders, als man denkt, manchmal ist dieses anders auch gut“, rappte Gerard damals 2013 im Song „Manchmal“. Wie ein Kescher einen Schmetterling fangen diese Zeilen die Essenz seines Debütromans ein. So wie Hoffmanns Protagonist Julian widmete sich auch der Autor dem knochentrockenen Rechtswissenschaftsstudiums in Wien. So wie Julian verfolgte auch er, wenn auch anders, eine Karriere in der Musiklandschaft.

„An der juristischen Fakultät hatte ich nie so recht Anschluss gefunden - oder besser gesagt: Ich wollte nicht so recht Anschluss finden. Da war etwa der Student aus dem Parallelkurs, der jedes Mal, wenn ich ihm über den Weg lief, fragte, bei welcher Prüfung ich denn gerade sei. Jedes verdammte Mal. Ausnahmslos. Nicht unbedingt Best-friend-Material also. Zum Glück brauchte ich auch keine neuen Freunde, solange ich zumindest außerhalb der Uni von den besten Menschen der Welt umgeben war.“

Gerald Hoffmann

Daniel Gebhart de Koekkoek

Gerald Hoffmann, ehemals Gerard

Julian Pichler entspricht dem typischen Studenten-Klischee. So wie unzählige seiner Altersgenoss*innen hat der Mittzwanziger eigentlich keinen Plan für sein Leben. Das Jus-Studium ist eher Plage als Leidenschaft. Der Silberschweif seines studentischen Horizonts ist die WG – die nicht nur durch die optimale Lage in der Nähe des Wiener Gürtels glänzt. Thilo, Sonny und Julian sind seit Kindheitstagen ein unzertrennliches Trio. Während sich ersterer durchs Gras-Verticken finanziert, interessiert sich Sonny für Investment- und Finanzthemen.

Zwischen übergehenden Aschenbechern, Bergen an leeren Bierdosen und dichten Joint-Rauchschwaden sind die Drei nicht sonderlich zufrieden mit ihrer Situation. Ein Masterplan muss her! Dieser manifestiert sich in Form des Hotels „Bernadette“ in Bad Gastein. Den Sommerfrischeort aufwerten und die verwahrloste Bruchbude in ein schickes Wellness-Retreat-Hotel für die Generation Achtsamkeit verwandeln, so der Plan. Blöd nur, dass das Geld dem Traum im Weg steht. Einbremsen lässt sich davon vor allem Thilo, das Hirn hinter dem Traum, nicht.

Die Krux vom Jus-Studium

„Wenn der Promillegehalt bei Thilo hoch war, sprach er immer besonders euphorisch über unser Langzeitprojekt Bad Gastein. Das Thema fand in beinahe jedes Gespräch Einzug. Egal, ob zu Hause oder hier im „Chelsea“. Er benutzte es als Ausrede fürs Gras-Verkaufen („Geld sammeln für Bad Gastein“), fürs Nichtstudieren („Bad Gastein will keinen Abschluss von mir“) und in letzter Zeit sogar dafür, dass er keine ernsthafteren Gefühle für Caro entwickeln konnte („Nur keine Wurzeln schlagen!“).“

Der Traum des eigenen Hotels in der österreichischen Bergwelt wird für Julian immer mehr zum Rettungsring. Eine Hintertüre raus aus dem Jus-Studium, das ihn zu verzehren scheint – körperlich wie auch geistig. Nur Minuten vor Prüfungsbeginn steht er vor dem Nervenzusammenbruch – und zieht schlussendlich die Reißleine. Spontan und impulsiv schließt er sich der Revival-Tour einer in Vergessenheit geratenen Popgruppe an. Frei nach dem Motto:

Dem Glück Angriffsfläche bieten!

Nach und nach entpuppt sich der kollektive WG-Traum als Thilos alleiniger Traum. Als dann ein enger Freund des Dreiergespanns tot aufgefunden wird, scheint der Plan endgültig zu zerplatzen. Streitigkeiten ziehen in die Studi-WG ein, das familiäre Umfeld des Trios droht zu kippen. Dann verabschiedet sich auch noch das zu verkaufende Gras, eine ihrer finanziellen Säulen für das Hotel-Projekt, ins Klo hinunter – auweia.

„Noch immer schien niemand realisiert zu haben, dass ich vor wenigen Momenten das gesamte Gras in die Wiener Kanalisation gespült hatte. Selbst ich war mir einen Moment lang nicht mehr sicher: War das gerade wirklich passiert oder fantasierte ich einfach nur?“

Hinter „Ich hasse meine Freunde“ steckt der österreichische Musiker Gerald Hoffmann. Besser bekannt als Gerard hat er sechs Alben veröffentlich – und war musikalischer Fixgast in der „FM4 Musik“. Mit seinem Debütroman beweist er sich nun in der literarischen Welt. Mit Erfolg! Das Texten dürfte dem gebürtigen Oberösterreicher in den Adern fließen. Immerhin ist er als Autor und Komponist mit Musiker*innen wie Charlie XCX tätig.

Ich hasse meine Freunde

Kiwi Verlag

Gerald Hoffmanns Debütroman Ich hasse meine Freunde erscheint am 03. November 2022 im Kiwi Verlag erschienen.

„Ich hasse meine Freunde“ ist ein überaus gelungener Debütroman, der sich wie ein Tagebuch liest. Die treffende Sprache, die pointiert-chaotischen Erzählungen eines studentischen Lebens und all die eigenartigen Begegnungen in Hoffmanns Debüt sind nicht nur nachfühlbar, sie wirken in ihren Ausführungen real. Wie Geschichten, die man etwas betrunken bei einer WG-Party erzählt – oder aus erster Hand selbst kennt.

Nichtsdestotrotz ist „Ich hasse meine Freunde“ keine bloße Aufzählung von chaotischen Sauf- und Sexgeschichten. Der Roman ist intensiv, hat eine geniale Dramaturgie, treibt Tränen vor Freude und der Trauer in die Augen der Leser*innen. Von verflossener Liebe, der Erkenntnis, trotz des jungen Alters nicht unsterblich zu sein und vom langsamen Wandel des Freund*innenkreises. Der Roman setzt sich mit Zukunftsängsten auseinander – und wirkt dabei wie ein wohliger Balsam für die geplagte Mittzwanziger-Seele. Kitschig, aber wahr: Er spendet Hoffnung in Zeiten, in denen die Lebensplanung planlos erscheint.

„Ich hasse meine Freunde“ ist ein Must-read für Studierende, Mittzwanziger – und alle, die sich diese besondere Lebensphase zurücksehnen.

mehr Buch:

Aktuell: