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Der Song zum Sonntag: Miss Grit - „Follow The Cyborg“

Der Cyborg ist ein mächtiges Wesen, weil er sich der eigenen Künstlichkeit bewusst ist. Das ist die Prämisse des neuen Songs von Margaret Sohn alias Miss Grit aus New York. Das Album „Follow The Cyborg“ erscheint im Februar.

Von Christoph Sepin

Wie schön wär es doch manchmal ein Roboter zu sein. Keine Traurigkeit und kein Heartbreak, keine Müdigkeit und keine Sorgen. Einfach funktionieren, wie eine Maschine. Fehlt dann aber halt doch einiges. Liebe und Glück und Hoffnung und Spaß. You can’t have one without the other, auch als Cyborg, als Mensch-Maschine. Cyborg, das ist der Cyber-Organism. Der Computer und das Lebewesen, Biologie und Synthetik.

Margaret Sohn alias Miss Grit hat sich viele Gedanken über die Rolle des Cyborgs gemacht. Und inwiefern so ein Halb-Roboter-Halb-Mensch schon existiert. Für Miss Grit ist die Mensch-Maschine die erschaffene Figur, die über ihre Schöpfer*innen hinauswachsen kann. Wenn artifizielle Wesen zu denken beginnen, wo sind dann deren Limits. Ohne zu Spoilern, gute Antworten darauf gibt zum Beispiel Scarlett Johanssons künstliche Intelligenz im sehr guten Film „Her“.

„For the way out, I think, we have to follow the cyborg“, hat die US-Autorin Jia Tolentino in ihrer Textsammlung „Trick Mirror: Reflections on Self-Delusion“ geschrieben. „We have to be willing to be disloyal, to undermine. The cyborg is powerful because she grasps the potential in her own artificiality, because she accepts without question how deeply it is embedded in her“. Der Cyborg als mächtiges Wesen, der eigenen Künstlichkeit bewusst.

Das kann man in viele Richtungen weiterdenken: die Musiker*in als Projektionsfläche der Erwartungen der Popmaschinerie. Die weiblich gelesene Person, die von Medien und Gesellschaft konstruierten Bildern entsprechen muss. Eine ganze Welt voller Fotofilter, übersättigte Farben und glatte Flächen und dazwischen kaum Platz einfach nur ein Mensch zu sein. „I was born to pose, I was born with clothes“, singt Miss Grit.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

Folgende Legende gibt es um Miss Grit: Während ihre Studienkolleg*innen über die Ferien nach Hause gefahren sind, hat Margaret Sohn die freie Zeit zwischen den Semestern ganz anders genutzt. Nämlich mit Gitarre und Effektgerät und der Gründung des eigenen Musikprojekts. Vor ein paar Jahren erschien zuerst die unglaublich schöne EP „Talk, Talk“, dann der Release „Impostor“. Und jetzt das erste Album von Margaret Sohn.

Der Hype darf groß sein, um den kristallklaren Sound von Miss Grit. Synthesizer und Gitarreneffekte, die ins Artifiziellste abdriften, eine Stimme mit minimalem Echo, Vibes von ruhig zu eskalierend, hier ein großer Akkord, da der nächste Drumcomputer. Menschen, die zum Beispiel gerne Musikerin Annie Clark mit ihrem Projekt und gleichnamigem Album „St. Vincent“ hören, sollten auch mit dem Sound von Miss Grit glücklich werden.

„I’m a living girl, a real living girl“, singt Margaret Sohn. „I’m a living boy, a real living boy“. Auch außerhalb des Bildschirms, auch ohne die Projektion auf die Leinwand, hier ein Lied über Selbstfindung, über die Rolle der Menschen, über die Erwartungen der Welt an uns und inwiefern da Platz für Individualismus bleibt.

In der Vergangenheit sind schon viele Filme über künstliche Intelligenzen gemacht worden, über selfaware artificiality. Dank Zukunftsmusiker*innen wie zum Beispiel Miss Grit, aber auch Poppy oder yeule lernen wir, dass wir das eh schon alle sind, aufgrund unserer Symbiose mit unseren Technologien und unseren Händen und Augen am Smartphone. „Follow the Cyborg“, wiederholt Miss Grit zum Ende des Songs hin, wie um auf ihr Album hinzuteasen. Das wird auch „Follow The Cyborg“ heißen und am 24. Februar erscheinen.

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