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God of War Ragnarök

Sony

Stagnation auf höchstem Niveau

Der Blockbuster „God of War: Ragnarök“ ist genau das Spiel, das sich die Fans gewünscht haben - leider.

Von Rainer Sigl

Diese Rezension von „God of War: Ragnarök“ könnte eigentlich sehr kurz sein: Ja, das hier ist ein gelungener Videospielblockbuster.

Weil das aber nicht genügt für eines der größten Spiele des Jahres, könnte man noch anfügen, dass dies das zweite Abenteuer um den Gott des Krieges Kratos und seinen Sohn Atreus ist, wie der direkte Vorgänger ein Hack&Slash-Third-Person-Action-Rollenspiel im Serien-Reboot in der maximal denkbaren Ausbaustufe, ein beeindruckendes Grafikwunder voller bombastischer Kämpfe und spektakulärer Szenen, eine dramatische, kompetent vertonte und virtuos in Szene gesetzte Superhelden-Seifenoper, die ihr Setting, die nordische Mythologie, überraschend ernst nimmt.

Damit könnte diese Rezension schon wieder zu Ende sein. Ist sie aber nicht.

Alles, was der Fan sich wünscht

„God of War: Ragnarök“ ist genau das Spiel, das sich die Fans des ersten Teils aus dem Jahr 2018 gewünscht haben, und das ist irgendwie das langweiligste Urteil, das man überhaupt fällen kann. Anders gesagt: „Ragnarök“ stagniert auf höchstmöglichem Niveau. Das kann man großartig finden oder aber auch ein bisschen bedauern.

Die Kämpfe sind gewohnt brachial, diesmal auch etwas abwechslungsreicher und vor allem: mehr. Die Puzzles, bei deren Lösung die KI-Begleiter ein wenig zu viel Hilfestellung leisten, sind hübsch und eine nette Abwechslung. Die Spielwelt ist noch riesiger und die Handlung samt einer absurden Vielzahl an Nebenfiguren noch ausgefeilter und vor allem umfangreicher - so umfangreich, dass man sie wohl ohne Probleme auch um die Hälfte kürzen hätte können.

Die Vater-Sohn-Beziehung, emotionales Herzstück des Reboots und sichtbarster Beleg für die neue Erwachsenheit des irgendwann früher mal rabiat-testosteronbesoffenen Kriegsgotts, ist über das ewige „Boy“-Gegrummel des Neo-Papas Kratos hinausgewachsen und hakt verlässlich alle Dadification-Story-Checkboxes ab: rebellischer Teenager, Vater, der sein Kind mit Sorge, aber doch in die gefährliche Eigenständigkeit entlässt, ein gemeinsames Trauma, bewältigt durch Feuerproben.

Genau so hat sich das das schon 2018 verzückte Publikum gewünscht, nur dass immer wieder großzügig sogar noch ein Extranachschlag von allem draufgeklotzt wird: mehr Kampf, mehr Welt, mehr Drama, mehr Emotion, mehr von allem.

God of War Ragnarök

Sony

Patentrezept für einen Blockbuster

Ja, es gibt mehr von allem, was man sich als Fan gewünscht hat, und vor allem mehr von allem, was man erwartet. Das macht Sinn, wenn man ein millionenschweres Produkt möglichst oft und möglichst risikofrei verkaufen muss. Kreative Risiken einzugehen, egal wie klein, ist bei Herstellungskosten in der Höhe von hunderten Millionen Dollar schlicht fahrlässig.

„God of War: Ragnarök“, entwickelt von Sony Santa Monica, ist exklusiv für Playstation 4 und 5 erschienen.

Kein Wunder also, dass seit über zehn Jahren im Hochglanzsegment der Must-have-Videospieltitel immer wieder beinahe exakt dasselbe produziert wird, nur mit zunehmend besserer Grafik. Das Patentrezept für Hochglanz-Action-Blockbuster lautet ungefähr seit 2007, als das erste „Uncharted“ erschienen ist: Ein modernes AAA-Actionspiel braucht „filmische Inszenierung“, Quick-Time-Events und Cutscenes, Action-Sequenzen im Mix aus Kampf und Akrobatik, eine streng lineare Story in einer mal mehr, mal weniger offenen Spielwelt, ein paar Puzzles und unter der Haube ein paar Rollenspiel- und Crafting-Elemente. Ob „Uncharted“, „Tomb Raider“, „The Last of Us“, „Assassin’s Creed“ oder eben „God of War“: Am AAA-Gameplay-Mix wird seit längerem nur mehr an Details gefeilt.

God of War Ragnarök

Sony

Ein Jahrzehnt der Hochglanzstagnation

Nur schöner und technischer beeindruckender werden diese Spiele. Das müssen sie auch, denn die Optik ist zentraler und oft genug einziger Beleg für die zumindest oberflächliche rasante Weiterentwicklung eines technikbesessenen Mediums. Spielerisch bleibt man im Blockbuster-Segment lieber altbacken; ist sicherer so. Hinter uns liegt in Sachen Gameplay-Ideen eigentlich mindestens ein Jahrzehnt der Hochglanzstagnation.

Zugegeben: Man muss froh sein, dass es in Zeiten von Service-Games und Free-to-Play derart große Single-Player-Spiele mit derart hohen Produktionsbudgets überhaupt noch geben darf. Mehr Geld und vor allem verlässlichere Einnahmen generiert man mit In-Game-Stores, Multiplayer-Konzepten und psychologischen Tricks. „Ragnarök“ ist im Vergleich dazu angenehm altmodisch und so umfangreich, dass keiner und keine am Vollpreis etwas auszusetzen haben kann.

Ja, man sieht diesem Spiel in jeder Minute an, dass viel Geld und viel Arbeitszeit talentierter Menschen darin stecken. Dass bei all dieser Liebe, bei all diesem Aufwand nicht das kleinste bisschen Innovation und Überraschung in dieses Mammutwerk Eingang finden durften, schmälert seine anderweitigen Qualitäten nicht. Mehr als von „God of War: Ragnarök“ kann und darf man von einem Videospielblockbuster nicht erwarten. Schade eigentlich.

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