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Lola Marsh vor blauem Himmel 2022

Samantha Annis

Lola Marsh und ihre neue Platte „Shot Shot Cherry“

Das neue Album von Lola Marsh rotiert seit zwei Wochen in meinen Kopfhörern. Das israelische Duo entdeckt auf „Shot Shot Cherry“ neue Seiten an sich; die „alten“ Lola Marsh kann man aber auch noch finden.

von Eva Umbauer

Das letzte Album von Lola Marsh, das Anfang 2020 erschienene „Someday Tomorrow Maybe“, hatte ein ganz besonderes Feeling. Die beiden Indie-Pop-Lieblinge aus Tel Aviv in Israel waren mit ihrem zweiten Longplayer dabei, so richtig durchzustarten.

Wir hatten sie in den Jahren davor - seit ihrem Mini-Album „You´re Mine“, erschienen im Jänner 2016 - schon bei diversen kleineren Konzerten erlebt, auch etwa im Wiener Porgy & Bess, wo Yael Shoshana Cohen und Gil Landau im November vor fünf Jahren beim Blue Bird Festival begeistert haben.

Seither waren Lola Marsh immer wieder live on stage hierzulande. Für ihr Debütalbum „Remember Roses“ - es enthält etwa den Song „Wishing Girl“ - gab es richtig viele Spotify-Streams und Lola Marsh coverten Frank Sinatras „Something Stupid“ für die US-Fernsehserie „Better Call Saul“. Es lief alles gut. Yael und Gil waren hibbelig, offen, lachten viel und fielen einander gern ins Wort. Sie waren ein wenig wie ein altes Ehepaar, wenn sie so über sich und ihre Musik redeten. Dann kam die Pandemie.

Kurz nach dem Erscheinen von „Someday Tomorrow Maybe“ tourten Lola Marsh gerade in Europa, aber dann war alles plötzlich unterbrochen worden, ja, vorbei. Wegen der Pandemie saßen Yael und Gil schließlich wieder in ihren Wohnungen in Tel Aviv - und schrieben Songs, um sich zu beschäftigen. Es waren ziemlich traurige Songs.

Aber dann beschlossen die beiden irgendwann, sie wollten aufspringen aus ihren Sesseln, die Arme in die Luft werfen und tanzen. Gesagt, getan. Und so ist schließlich das Album „Shot Shot Cherry“ entstanden, auf dem Lola Marsh auch tanzen, etwa beim Albumtitelsong, wo Yael Shoshana Cohens Stimme durch einen Vocoder verfremdet ist.

„‚Shot Shot Cherry‘ was written in a time of global uncertainty. In the middle of our European tour, we had to stop everything and return home because of the covid outbreak. We were feeling depressed, helpless and like the rest of the world, all we could do was wait. So we wrote this song, and it was like the lyrics wrote themselves.“

Der Mensch hinter der Bar mixt einen Drink. Einen Shot, und noch einen, und dann noch die obligate Cocktailkirsche dazu. Ende des 19. Jahrhunderts fanden in Maraschinolikör eingelegte Kirschen ihren Weg in den Cocktail. Bei der Cocktailkirsche – im Englischen Maraschino Cherry – handelte es sich ursprünglich um Maraska-Kirschen - kleine, vergleichsweise harte Sauerkirschen, die in Maraschino eingelegt wurden, mittlerweile verbreiten sich industriell verarbeitete Kirschen, die in Malzzucker eingelegt und mit Farb- und Aromastoffen versetzt werden.

Die Musik von Lola Marsh hat auch verschiedene Aromen und diverse Farbschattierungen. Sie sind jene vom Indie-Folk kommende Band, die vom israelischen Geheimtipp zum internationalen Pop-Act mutierten. Lola Marsh haben aber auch noch immer ein wenig etwas von der Original-Cocktailkirsche mit dem angenehm säuerlichen Geschmack. Sie sind widerstandskräftig und resilient. Es ist auch nicht immer alles ganz einfach zwischen Yael Shoshana Cohen und Gil Landau.

Lola Marsh "Shot shot Cherry" Album Cover, die Band vor rotem Hintergrund

Universal Music

„Shot Shot Cherry“ von Lola Marsh ist bei Barclay/Universal Music erschienen

Einmal, so haben wir in einem Song am letzten Album erfahren, redeten die beiden gar nicht mehr miteinander, auch nicht dann, als sie einander zufällig in der U-Bahn begegneten. „Strangers On The Subway“ hieß dieser Song. Dennoch bringt die beiden als Lola Marsh letztlich nichts auseinander. In einem der neuen Songs, nämlich in der leicht pathosgeladenen Piano-Ballade „Satellite“, geht es darum.

„A central theme of ‚Satellite‘ is the conflict between the desire to stay together and the longing to be free in relationships. As a band, we are also in a form of relationship, ten years of partnership in which we have faced challenging moments and chosen each. Sometimes we realized that in order to answer questions we had, we need to rewind and go back to the beginning, where we will find the answers.“

Am neuen Lola-Marsh-Album gibt es Hochglanz-„Pop-Futter“ wie „Run Run Baby“ oder das ein wenig an Ellie Goulding erinnernde „If You Wanna Be My Lover“. Wenn Lola Marsh sich auch an so etwas probieren möchten, warum eigentlich nicht. Oder es gibt auch jenen Song über die Fernbeziehung, „Love Me On The Phone“, und klassischere Lola-Marsh-Tracks wie „Chasing Storms“, wo Yael Shoshana Cohen singt: „chasing storms in an open field“. Dem Blitz hinterherlaufen, den Donner näherkommen hören.

Lola Marsh vor blauem Himmel 2022

Samantha Annis

Es gibt die Klimawandel-Ballade „End Of The World“ oder den Song „Never Growing Up“, wo sich Yael fragt „Will I ever be a mother?“. Außerdem: Das leichtfüßige und gleichzeitig recht komplexe „This Is Not The End“, das ein wenig an Lana Del Rey erinnernde „Going Back“, oder das richtig hübsche „Because Of You“, in dem es um den Verlust eines geliebten Menschen geht und das insgesamt an das erste Album von Lola Marsh erinnert.

Lola Marsh sind auch mit dem neuen Album das, was sie bisher waren - verhalten und ungestüm, dynamisch, aber auch beruhigend und sanft. Sie sind modern und retro, old-school und up-to-date, akustisch und groovend, voller Leichtigkeit, aber auch der Melancholie verbunden. Die Pandemie hat Lola Marsh kurz gestoppt, aber insgesamt nicht aufhalten können. Mit dem neuen Album „Shot Shot Cherry“ sind sie wieder die Lieblingsband aus Israel.

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