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Luisa Neubauer und Elizabeth Wathuti bei einer Pressekonferenz

APA/AFP/Ina FASSBENDER

Klimaaktivistin Luisa Neubauer im Interview

Ohnmacht als Form von Tatenlosigkeit sei ein Privileg derer, die von den Auswirkungen der Klimakrise noch nicht so stark betroffen sind, schreibt die Klimaaktivistin Luisa Neubauer in ihrem Buch „Gegen die Ohnmacht“, das sie zusammen mit ihrer Großmutter, Dagmar Reemtsma, geschrieben hat. Zita Bereuter hat Luisa Neubauer auf der Frankfurter Buchmesse interviewt.

Radio FM4: In deinem Buch nennst du Ohnmacht, die tatenlos bleibt, ein Privileg derer, die von den Auswirkungen der Klimakrise noch nicht so betroffen sind. Können wir also, die Menschen in Deutschland, aber auch in Österreich, können wir uns diese Ohnmacht noch leisten?

Luisa Neubauer: Oft ist die Ohnmacht ja erst mal da. Aber dann geht es darum, was machen wir daraus? Wie gehen wir damit um? Erkennen wir diese Ohnmacht als Ohnmacht? Oder wiegeln wir das ab als schlechte Laune, weil die Welt irgendwie schlecht geworden ist in unseren Augen. In dem Augenblick, wo wir das aber als Ohnmacht erkennen, erkennen wir eben die Strukturen, und zwar zunächst ein Machtdefizit. Wir haben also scheinbar nicht die Macht, wir sind ohne Macht oder haben zu wenig Macht, um auf eine Situation oder eine Krise angemessen zu reagieren. Dann liegt es aber auch an uns zu erkennen: Wären wir nicht viel eher in der Verantwortung, eine Art Gegenmacht aufzubauen? Das fängt bei sich selbst an, sich selbst zu behaupten, sich dann vielleicht mit anderen zusammenzutun und gemeinsam dann loszulegen im besten Fall.

Radio FM4: Verknüpft mit der Geschichte deiner Großmutter zeigt dein Buch ja auch, dass Klimaaktivismus oder Klimabewusstsein keine Generationenfrage ist, sondern eine Frage der Haltung und des Verstehens von Fakten. Warum ist es hauptsächlich ein Protest der Jungen?

Luisa Neubauer: Das ist eine neue Entwicklung. Wenn ich an meine Großmutter denke und wie sie anfing, Aktivistin zu werden, in den 80ern und 90ern, damals waren es alle Generationen, aber es waren vor allem auch Ältere. Es waren ältere Leute, die zum Beispiel die Energiewende losgetreten haben. Meine Großmutter war eine derjenigen, die sich ’92 eine Solaranlage installiert haben, und sie hat gleich auch ein Konzept geschrieben, wie man die auf Schuldächern finanzieren könnte. Das heißt, es war mehr eine Art Ablöse. Jetzt, glaube ich, haben junge Menschen gesagt: Leute, wir müssen mal den Modus hier ändern, weil, wenn wir immer so weitermachen, dann wird es nichts. Wir sehen aber auch, dass wir Seite an Seite mit Älteren auf die Straße gehen. Die Omas gegen Rechts sind eine prominente Gruppe, aber auch die Klimaseniorinnen aus der Schweiz. Da gibt es überall tolle Gruppen von Menschen aus allen Generationen.

Julia Fischer, Elizabeth Wathuti and Luisa Neubauer sitzen an einem Klapptisch. Um sie herum Journalisten mit Aufnahmegeräten.

APA/AFP/Ina FASSBENDER

Die Klimaaktivist*innen Julia Fischer, Elizabeth Wathuti and Luisa Neubauer bei einer Pressekonferenz im Braunkohle-Tagebaugebiet Garzweiler in Luetzerath am 16. Oktober.

Radio FM4: Du selbst hast mit deinen Anliegen ja öfter Gegenwind, gerade auch im öffentlichen Diskurs. Wenn man zum Beispiel an die Sendung mit Markus Lanz denkt, wie motivierst du dich da immer dem entgegenzusetzen? Also gerade auch, wenn eine ganze Runde gegen dich ist.

Luisa Neubauer: Ob die gegen oder für mich sind, das weiß ich ja nicht vor der Sendung. Vor allem geht es ja nicht um mich. Es geht nicht darum, wer ich als Person da bin, sondern es geht um die Wirklichkeit. Ich probiere, mit so viel anderen Menschen zusammen, mit der Wissenschaft an unserer Seite, über diese Wirklichkeit zu sprechen und durch dieses Rauschen durchzudringen, mit dem man die ganzen Klimafragen belegt, damit man bloß nicht erst das Offensichtliche sehen muss. Der Soziologe Jan Philipp Reemtsma spricht von einer Verrätselung der Welt. Man verrätselt alles, dann enträtselt man irgendwie, aber die Wirklichkeit ist davon unberührt. Dafür haben wir keine Zeit mehr. Dafür springt uns ja auch die Realität viel zu sehr ins Gesicht. Dass dann Menschen um mich herumsitzen in so einer Runde, und das irgendwie vielleicht kränkend finden oder überfordernd oder das gar nicht einordnen können und stattdessen mich angreifen, das kann ich schon als Symptom verstehen. Das ändert ja nichts an den Tatsachen.

Radio FM4: Das heißt, das Persönliche kannst du gut zurücknehmen.

Luisa Neubauer: Es geht wirklich nicht um mich. Ich glaube, was wir schon brauchen, sind persönliche Bezüge zu Menschen, die etwas tun. Deswegen habe ich auch dieses sehr persönliche Buch geschrieben mit meiner Großmutter, in dem wir ganz viele persönliche Wendungen und Ohnmächte besprechen. Das sehe ich nicht zuletzt auch als Versuch, eine Sprache zu finden für das, was wir da erleben. Das ist eben der persönliche Zugang, aber unterm Strich, who am I? Es geht darum, was wir aus der Welt machen. Es geht um die vielen Menschen, die heute so sehr betroffen sind, die ein würdevolles Leben verdienen. Irgendwann wird mich niemand mehr kennen und das wird auch in Ordnung sein. Die Welt wird aber dableiben.

Buchcover mit Luisa Neubauer und Dagmar Reemtsma

Tropen Verlag

Radio FM4: Die Klimaproteste werden zum Teil radikaler, um weiterhin Aufmerksamkeit zu bekommen. Wie siehst du das, wie stehst du dazu?

Luisa Neubauer: Ich bin bereit, über die Radikalität von Klimaprotesten zu sprechen, sobald wir substanziell und breite Debatten über die Radikalität der Klimakrise geführt haben.

Radio FM4: Noch zum Schluss das Thema Krieg versus Klimakrise, also gerade heuer im Winter wird das gegeneinander ausgespielt. Welche Möglichkeiten siehst du da? Was kann man Putin entgegenhalten, damit man die Klimapolitik nicht aus den Augen verliert?

Luisa Neubauer: Das ist, glaube ich, eine ganz gute Formulierung. Was verliert man aus den Augen? Das sind unsere Augen, durch die wir auf die Welt blicken. Putin möchte vielleicht, dass wir das Klima vergessen. Absurderweise ist Russland ein unglaublich betroffenes Land. Schlechte Menschen, Autokraten, die fossile Industrie, die wollen, dass wir das aus den Augen verlieren. Aber wir sind diejenigen, die unseren eigenen Blick lenken, und es liegt an uns zu entscheiden, den Blick nicht abzuwenden von der Klimarealität, die von uns volle Aufmerksamkeit verlangt. Das heißt nicht, dass nicht Menschen ganz dringend aus ihren Nöten geholfen werden muss. Die Zeiten der singulären Krisen sind vorbei. Zu meinen, wir könnten eine Krise nach der anderen Stück für Stück abverhandeln, und der Gletscher, der gerade schmilzt, wartet dann auf uns, das funktioniert so nicht. Die Krisen werden immer schlimmer. Die Klimakrise wird in zehnfacher Wucht auf uns zurückkommen, wenn wir nicht jetzt alle Kraft da reinstecken. Das liegt ganz an uns.

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