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9. November

Light of Hope: Jugendliche gedenken der Novemberpogrome

Am 9. November 1938 begannen die Novemberpogrome im Deutschen Reich. Synagogen, Bethäuser und jüdische Geschäfte wurden zerstört. Jüdische Mitbürger*innen wurden aus ihren Wohnungen verschleppt und ermordet. 84 Jahre später erinnern junge Jüd*innen an diese Verbrechen mit dem Light-of-Hope-Marsch in Wien.

Von Paul Pant

Seit 2012 organisieren junge Menschen aus der Israelitischen Kultusgemeinde (IGK) in Wien am Abend des 9. Novembers einen Marsch durch die Innenstadt. Mit Fackeln und Lichtern gedenken sie der Opfer der Novemberpogrome. Dem Gedenkmarsch haben die Jugendlichen „Light of Hope“ genannt, weil es nicht nur ein Abend zum Erinnern sein soll, sagt Esther Györi.

Die Novemberpogrome wurden vom Naziregime systematisch organisiert. Die Ermordung des deutschen Botschaftssekretärs Ernst von Rath in Paris durch den jungen Juden Herschel Grynszpan wurde als Vorwand verwendet um jüdische Mitbürger*innen zu vertreiben und zu enteignen.

Es solle auch die Hoffnung zeigen, dass der Naziterror vorbei sei und dass es nicht mehr wieder passieren werde, sagt die 18-jährige Studentin. Sie freut sich dieses Jahr auch besonders auf den Marsch, da er nach zweijähriger Coronapause wieder stattfinden kann. Denn „mit seinen Freunden und mit seiner Familie zusammen zu sein und dort diese Hope zu sein, ist ein besonderes Gefühl, das man wirklich nur dort erleben kann“.

Sharon Nagy ist ebenfalls in der IKG-Jugend aktiv und stolz darauf, dass sie das erste Mal ganz vorne mitgehen wird. „Jetzt kann ich zeigen, wir sind noch immer da und wir sind diese Hoffnung, dass es nie wieder passiert“, sagt die 16-Jährige. In Esther und Sharons Familie wurden viele Angehörige im Holocaust ermordet. Esthers Großvater ist im Budapester Ghetto aufgewachsen und hat als einer der wenigen in seiner Familie überlebt.

Sharon Nagy (li.) und Esther Györi (re.) im FM4 Studio.

Ben Dagan

Sharon Nagy (li.) und Esther Györi (re.) im FM4 Studio.

Für Esther gehören die Fotos des Großvaters, der als kleines Kind einen Judenstern trägt, zur Familiengeschichte. Gerade die vergangenen zwei Jahre, mit den antisemitischen Vorfällen auf den Coronademos, hätten gezeigt, wie wichtig der Kampf gegen Antisemitismus sei, sagt Esther. Sie war sprachlos, als sie einen Impfgegner auf der Ringstraße mit Judenstern und dem Wort „ungeimpft“ gesehen hat. „Ich weiß normalerweise, was ich dazu sagen soll, aber es war einfach so surreal in einer Welt, in der wir eigentlich über alles genau Bescheid wissen sollten, was damals tatsächlich passiert ist“, sagt sie.

„Der Light-of-Hope-Marsch ist eine Veranstaltung, die für jedes Alter und für jeden zugänglich ist. Wir freuen uns über alle die kommen und mit uns ein Zeichen setzen, Je mehr das sind, desto stärker sind wir zusammen.“ (Esther Györi)

Vergangene Woche erst wurde der jährliche Bericht der Antisemitismus-Meldestelle der IKG veröffentlicht. Die gemeldeten Vorfälle sind darin um ein Drittel gesunken, nicht zuletzt, weil auch die Coronademos weniger geworden sind. Trotzdem wurden noch immer insgesamt 381 antisemitische Vorfälle registriert. Diese reichen von „verletzendem Verhalten“, Massenzuschriften und Sachbeschädigungen bis hin zu Bedrohungen und sieben tätlichen Angriffen. Auch Sharon erzählt, dass sie in ihrem Freundeskreis immer wieder von solchen Dingen hört. Am Fußballplatz, wo sie als Stürmerin in einem Wiener Verein spielt, war ihre Religion zum Glück noch nie ein Thema, wie sie sagt.

Die Nationalsozialisten nannten den Beginn der Novemberpogrome, die Nacht des 9. Novembers, zynisch „Reichskristallnacht“. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels gilt als Erfinder dieses Begriffs. Das Bild der angeblich wie Kristalle schimmernden Scherben der Fenster und Auslagen jüdischer Geschäfte und Synagogen verharmloste die Verbrechen: die systematische Vernichtung jüdischen Lebens.

Novemberpogrome in Österreich

Bei den Novemberpogromen wurden im damaligen Deutschen Reich mehr als 1.400 Synagogen und Bethäuser zerstört. In Österreich und speziell in Wien geschah dies mit besonderer Gründlichkeit. Viele Synagogen wurden nicht nur geplündert und in Brand gesetzt, sondern anschließend auch gesprengt. Lediglich der Tempel in der Seitenstettengasse blieb in seinen Grundmauern erhalten und wurde ‚nur‘ geplündert. Ein Bericht des Wiener Polizeipräsidenten vom 13. November 1938 gibt Einblick in die Verbrechen, die begangen wurden. Auf der Seite des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes kann man ihn nachlesen.

Light of Hope in Wien am 9. November

Treffpunkt ist um 19 Uhr am Heldenplatz beim „Haus der Geschichte“.

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