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Dives

Marie Häfner

Dives dealen mit dem Erwachsensein

Adulting is hard. Das weiß auch das Wiener Trio Dives sehr gut und hat den ein oder anderen Struggle auf dem zweiten Album „Wanna Take You There“ verarbeitet. Warum glattere Popsongs mehr Spaß machen und was das analoge Tinder für Musikerinnen in Österreich ist, haben Dives uns im Interview erzählt.

Von Michaela Pichler

Vergangenen Samstag haben überdimensionale Lettern die Bühne des WUKs in Wien erleuchtet: Von dieser D-I-V-E-S-Reklame wurden rund 500 Menschen angezogen wie die Motten vom Licht. Das Publikum ist aber natürlich nicht fürs ausschließlich Visuelle angereist, sondern um gemeinsam mit dem Wiener Trio ein neues Kapitel zu feiern: Die Wien-Show war der letzte Auftritt in Österreich im Rahmen ihrer Release-Tour fürs zweite Album, das diesen Herbst erschienen ist. Für die Musikerinnen Tamara Leichtfried, Viktoria Kirner und Dora de Goederen geht es aber gleich weiter, in den nächsten zwei Wochen bespielen sie das Nachbarland Deutschland. Wie ihr Tourneealltag normalerweise abläuft, das kann man auch im Musikvideo zu der Single „Say“ beobachten: ein Tourtagebuch des vergangenen Festivalsommers.

Glatt und griffig

„Say“ ist einer der neuen Songs, die sich auf der Platte „Wanna Take You There“ befinden. Das zweite Album ist laut popkulturellem Mythos ja wesentlich schwieriger als das Erstlingswerk. Was bei einem Debüt vielleicht aus ein paar glücklichen Fügungen einfach passiert, hat beim Nachfolger oft mit wesentlich mehr Arbeit, Konzept und Plan zu tun. Und dann stellt sich da natürlich auch noch die Frage, wie man sich weiterentwickelt nach den ersten musikalischen Schritten. „Durch jahrelanges Zusammenspielen haben wir mit Dives mittlerweile schon einen sehr charakteristischen Sound gefunden. Und egal, ob das jetzt in Ecken und Kanten gepackt ist oder nicht, an manchen Stellen ist diese Platte vielleicht ein bisschen weniger kantig als noch das Album davor. Aber man erkennt auf jeden Fall, dass es Dives ist. Wir haben uns auch insofern entwickelt, als dass wir ein bisschen mehr Mut dazu haben, glatter zu klingen.“

Wenn Bassistin und Sängerin Viktoria Kirner von Glattheit im Sound spricht, dann meint sie das Weglassen komplexerer Rhythmen, das Verzichten auf sperrige Tempowechsel. Die Füße treten aber noch immer auf Fuzz-Pedale, geblieben ist außerdem der zweistimmige Gesang, markante Drums und viel Melodie im Bass. Während den Produktionsarbeiten standen für Viktoria Kirner, Tamara Leichtfried und Dora de Goederen vor allem Fragen zur Liveumsetzung im Raum: Was wollen sie die nächsten Jahre auf den Bühnen dieses Landes spielen? Und darüber hinaus? Dives sehen sich vor allem als Liveband, ein Blick auf vergangene Konzerthighlights allein in diesem Jahr (wie zum Beispiel das Popfest auf der großen Seebühne oder die Radiosession fürs US-amerikanische NPR) bestätigen das. Fürs neue Album wurden also leichtfüßige Gitarrentracks geschrieben und mit dem Sound-Wunderwuzzi Wolfgang Möstl eingespielt.

„Beim Albumtitel hat uns diese Offenheit gefallen, dass er nicht einen bestimmten Ort beschreibt, sondern die Frage sehr offen lässt, wo dieses ‚there‘ eigentlich sein soll“, sagt Drummerin Dora de Goederen im FM4 Interview. Die titelgebende Single „Wanna Take You There“ ist ein dementsprechend eingängiger, hoffnungsvoller Blick ins Unbekannte. In den insgesamt zehn Songs gibt es immer wieder Momente mit einem gewissen Augenzwinkern. So besingt das Trio beispielsweise Gesprächssituationen mit einem Gegenüber, das viel lieber spricht als zuhört („Ego“), sie schreiben eine Ode ans Prokrastinieren und gegen den Selbstoptimierungswahn („Walking the Dog“), und sie verwandeln das Auf und Ab des Online-Datings in Melodien, die an frühe Songs wie den All-time-Dives-Favorite „Tomorrow“ erinnern („Comfort & Fun“).

„That’s how we’re passing time / Isn’t it funny / It shows you how to fall / Into stranger’s arms again.“ So lauten ein paar Textzeilen aus dem Tinder-Song „Comfort & Fun“, der Schlussnummer am Album. Während Dives von zwischenmenschlichen Beziehungen und Kurzbekanntschaften erzählen, kommen sie im Interview auch auf das Pink Noise Camp zu sprechen. 2015 hat dort ihre gemeinsame Reise begonnen: „Das war quasi musikalisches Speed-Dating für eine Woche!“, meint Dora de Goederen schmunzelnd und Viktoria Kirner setzt noch einen drauf: „Das Pink Noise Camp ist schon das österreichische Musikerinnen-Tinder!“ Nur vielversprechender, zum Glück.

Dives "Wanna Take You There" Cover

Dives

„Wanna Take You There“ ist am 14. Oktober 2022 via Siluh Records erschienen. Dives haben auf dem Wiener Label auch schon ihre erste selbstbetitelte EP und das Debütalbum veröffentlicht.

Zwischen den Zeilen steckt also immer wieder ein Funke Selbstironie, ein Hang dazu, nicht alles immer so ernst zu nehmen. Und das, obwohl es auf „Wanna Take You There“ um einen anstrengenden Prozess geht, wie Viktoria Kirner lachend erklärt: „Beim Debüt war es das Erwachsenwerden. Und jetzt geht es ums Dealen mit dem Erwachsensein.“

The struggle is real

„Teenage Years Are Over" heißt das Debütalbum, das Dives vor ziemlich genau drei Jahren veröffentlicht haben. Eine klassische Coming-of-Age-Geschichte. Mit den neuen Songs gehen Dives einen Schritt weiter in Sachen Persönlichkeitsentwicklung. Tamara Leichtfried über den Adult Struggle: „Man muss sich auf diesem Weg einfach von vielen Dingen verabschieden. Vielleicht von Lebensentwürfen, die du mal gemacht hast, aber die jetzt nicht mehr passend sind. Oder du wirst mit Schicksalsschlägen konfrontiert, die dich vom Weg abbringen und nach denen du dich wieder neu orientieren musst. Oder einfach so Kleinigkeiten, wie dass man nicht mehr so viel Zeit mit seinen Freund*innen verbringen kann, weil man viel mehr arbeiten muss.“

Verantwortung übernehmen, der Lohnarbeit nachgehen oder Abschiede verarbeiten – alles Dinge, die plötzlich immer mehr Raum einnehmen in einem Erwachsenenleben. Ein Song auf dem neuen Album, der sich mit solchen Verlusten und all den unangenehmen Gefühlen drum herum beschäftigt, ist „Only Lies".

So klingen Enttäuschung und Heartbreak auf „Wanna Take You There". Neben dem Songwriting ist der beste Trost für Dives aber immer noch das eigene Bandleben und die Gemeinschaft, die sich die drei Musikerinnen in ihrer bisherigen Karriere erarbeitet haben. Denn „mit der Band haben wir ja schon unsere wahre Liebe gefunden“, sagt Sängerin und Gitarristin Tamara Leichtfried. Bandliebe ist wohl die beste Liebe!

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