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Pentiment

Obsidian

Klostermord und Bauernkrieg

Das Rollenspiel-Adventure „Pentiment“ ist eines der in jedem Sinn schönsten und zugleich hintergründigsten Spiele des Jahres - nicht nur für Mittelalter-Fans.

Von Rainer Sigl

Anfang des 16. Jahrhunderts, ein bayerisches Dorf. Im örtlichen Kloster arbeiten Mönche an wertvollen Handschriften, die Bauern im Dorf stöhnen unter immer neuen Abgaben und Steuern. Dann passiert plötzlich ein Mord - und nur ich kann ihn aufklären: Als Künstlergeselle Andreas Maler bin ich im Adventure „Pentiment“ als Detektiv an der Grenze zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit im Einsatz.

Das neue Spiel der Rollenspiel-Veteranen Obsidian Entertainment („Fallout: New Vegas“, „South Park: The Stick of Truth“, „Pillars of Eternity“) ist ein historisches Detektiv-Abenteuer, das sich fundamental von den anderen Spielen des Studios unterscheidet. Es gibt keine Kämpfe und auch keine klassischen Charakterwerte oder -level. Stattdessen ist das Traumspiel des Chef-Entwicklers Josh Sawyer ein narratives Rollenspiel, das trotz seiner dramatischen Handlung auf die leisen Töne und besondere historische Authentizität Wert legt.

Gemalte Welt, gedruckte Rede

„Pentiment“ sieht aus wie ein Kunstwerk seiner eigenen Epoche, alle Figuren und Szenen könnten direkt aus einer Handschrift oder kolorierten Holzschnitten stammen. Viele liebevolle Details und kleine Animationen lassen diese Welt mit ihren differenziert gezeichneten Figuren lebendig werden.

„Pentiment“, entwickelt von Obsidian Entertainment und im Vertrieb von Xbox Game Studios, ist für Windows und Xbox erschienen und im Gamepass inkludiert.

Zur Charakterisierung der Bauern, Bürger, Mönche und Adeligen trägt auch die Typografie bei: Der Text in den vielen Dialogen ist mal handschriftlich, mal gedruckt und dann wieder verschnörkelt dargestellt, je nachdem, wer gerade spricht. Es gibt viel zu lesen in „Pentiment“, und doch ist die einzigartige Präsentation während der gesamten Spieldauer von etwas über 20 Stunden immer wieder ein Highlight. Dank atmosphärischer Ambient-Sounds und vor allem toller Musik kommt dichtes Spätmittelalter-Feeling auf.

Pentiment

Obsidian

Essen, beten, beichten gehen

Die spannende Geschichte von „Pentiment“ erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte und irgendwann steht gar nicht mehr nur eine bestimmte Person im Mittelpunkt, sondern dieses kleine Dorf mit seinen Menschen, die man in drei Kapiteln immer wieder trifft.

„Pentiment“ schafft es mit viel Liebe zum Detail und interessanten Momenten tatsächlich, ein „realistisches“ Bild des späten Mittelalters zu vermitteln; viel realistischer auf jeden Fall, als es die allermeisten Videospiele zuvor vermochten. Es wird viel gebetet und sogar gebeichtet in diesem Spiel, es geht um die beginnende Reformation, Bauernkriege und das Leben in Dorf und Kloster - gleich drei Historiker haben an der Entwicklung mitgearbeitet.

Das hat sich ausgezahlt: „Pentiment“ ist schönster praktischer Geschichtsunterricht, spannend und hintergründig, und damit ein absoluter Höhepunkt des Spielejahres. Wer es auslässt, versäumt etwas: Trotz völlig anderer Mechaniken darf man es neben „Disco Elysium“ zu den spannendsten Rollenspielen der jüngeren Zeit zählen.

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