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Sammlung "Atari 50"

Atari

Vor 50 Jahren hat Atari die Gamesindustrie begründet

Im Sommer 1972 erscheint der Prototyp des Ping-Pong-Videospiels „PONG“. Vertrieben von der Firma Atari begründet der Automat die Gamesindustrie. Heute ist Atari in erster Linie eine Marke, die allerdings seit einem Jahr - dank neuer Veröffentlichungen - wieder stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit rückt.

Von Robert Glashüttner

Im August 1972 stellen Atari-Gründer Nolan Bushnell und sein Cheftechniker Allan Alcorn den ersten Prototypen des Videospielautomaten „PONG“ in eine Bar in Sunnyvale, Kalifornien. Nach ein paar Tagen funktioniert das Gerät nicht mehr, weil – wie sich herausstellen sollte - der Automat mit sehr vielen eingeworfenen Münzen außer Gefecht gesetzt worden war. Der Erfolg des simplen Ping-Pong-Games ist der Startschuss für das erste große Videospielunternehmen Atari und damit für die gesamte Gamesindustrie.

Im Verlauf der 70er Jahre sind „PONG“ und unzählige Copycats davon überall im Westen zu finden: in Spielhallen, Wartesälen, Restaurants und unzähligen Wohnzimmern. Zu dieser Zeit rückt nach den USA bald schon Japan als zweite Wiege der Gameskultur ins Rampenlicht.

Atari 50

Die einzelnen Meilensteine und Games in Form alter Flyer, Poster, Anleitungen sowie aktueller Zeitzeugeninterviews kann man in „Atari 50: The Anniversary Celebration“ studieren, einer umfangreichen Sammlung an historischem und neu aufgenommenen Interviewmaterial. Zusätzlich gibt es rund 90 Spieleklassiker (via integrierter Emulation) quer über alle Atari-Spielsysteme und -Jahrzehnte hinweg - und auch ein paar brandneue Remakes und Variationen (siehe „Vctr-Sctr“ weiter unten).

Renaissance

Atari hat schon vor rund einem Jahr begonnen, alte Klassiker wie „Centipede“ oder „Asteroids“ als alleinstehende Remakes neu aufzulegen. Diesen Oktober ist sogar eine komplett neue Minigames-Sammlung namens „Atari Mania“ erschienen, die ausgewählte alte Klassiker neu kontextualisiert.

Aber warum das alles? Der 50. Geburtstag ist natürlich ein guter Anlass, aber in den 25 Jahren davor ist Atari (seit Mitte der 90er quasi nur noch als Marke und nicht mehr als eigenständige Firma existent) kaum in Erscheinung getreten. Mastermind hinter den aktuellen Atari-Feuerwerken und -Festspielen ist der etwas enigmatische neue Firmenbesitzer Wade Rosen, ein Investor in seinen Mittdreißigern, der auch in anderen Branchen seine Finger im Spiel hat.

Screenshot aus der Sammlung "Atari 50: The Anniversary Celebration"

Atari

Aber wie die Hintergründe auch genau sein mögen: Die Renaissance des Atari-Backkatalogs ist durchaus erfreulich. „Atari 50: The Anniversary Celebration“ ist ein erstaunlich umfangreiches Potpourri zur turbulenten Firmengeschichte, die zwischen Hybris, Innovation, Laissez-faire und Pioniergeist changiert.

Kuriositätenkabinett im besten Sinn

Die soeben genannten Pole sind keine journalistische Übertreibung: Die rund 25-jährige aktive Firmengeschichte von Atari hält ebenso viele Mythen wie bestätigte Kuriositäten bereit. Sie reichen von kühn-kreativen Entwicklungsprojekten über Drogenkonsum am Arbeitsplatz bis hin zu tausenden vergrabenen Spielmodulen nach dem Videospielcrash 1983, der übrigens maßgeblich von Ataris Selbstüberschätzung angefacht wurde.

Man erfährt etwa über kühn-kreative Spielprojekte wie „Swordquest“, das Anfang der 80er Jahre mehrere Game-Genres kombiniert hat und ebenso esoterisch-kryptisch wie faszinierend-psychedelisch präsentiert war. Es gibt Interviews mit Industrielegenden wie David Crane („Pitfall!“) oder Howard Scott Warshaw (der 1982 unter absurdem Zeitdruck das gefloppte „E.T.“-Game designt und programmiert hat, das später vergraben werden musste - siehe oben). Und es gibt ehrliche Einschätzungen zu den zahlreichen Sackgassen und Fehlentscheidungen, die unter anderem schon 1976 dazu geführt haben, dass Atari an Warner Bros. verkauft wurde und damit markante Teile der Selbstständigkeit und Firmenidentität aufgeben musste.

Screenshot aus der Sammlung "Atari 50: The Anniversary Celebration"

Atari

„Vctr-Sctr“ als Überraschung

Die Qualität der Remakes (sowohl die eigenständigen als auch jene im „Atari 50“-Paket) variiert, aber ein Game sticht besonders hervor: „Vctr-Sctr“, ein Amalgam an Atari-Klassikern mit Vektorgrafik wie „Lunar Lander“, „Asteroids“ und „Tempest“. Das Game ist technisch und audiovisuell am Punkt, und spielerisch ebenso unmittelbar wie die hier eindeutig zitierten Atari-Spielautomaten rund ums Jahr 1980.

Ob das aktuelle Atari-Fieber übers Jubiläumsjahr 2022 hinaus anhalten wird, darf allerdings bezweifelt werden. An die zwei größeren Veröffentlichungen aus diesem Jahr - also „Atari 50: The Anniversary Celebration“ und „Atari Mania“ -, die umfangreiche Hommagen an Atari per se sind, wird man schwer in einer ähnlichen Dynamik anzuknüpfen können.

Sieht man auf Steam nach, welche Games dort sonst noch unter dem Label Atari zu finden sind, stößt man auf einen Großteil des Computerspiel-Backkatalogs, zurückreichend bis in die Mitte der 80er Jahre. Zusätzlich dazu hat sich der neue Atari-Besitzer anscheinend auch zwei aktuelle Indiegames einverleibt, die sich eindeutig auf „PONG“ beziehen - darunter auch „qomp“ vom österreichischen Designer Joshua Hollendonner (Stuffed Wombat).

Screenshot aus der Sammlung "Atari 50: The Anniversary Celebration"

Atari

Bis das Jubeljahr vorbei ist, kann man sich in den kommenden Wochen auch noch diverse neu aufgelegte Varianten der legendären Heimkonsole Atari VCS bzw. Atari 2600 (darunter sogar ein kurioses Lego-Set) sowie diverse dazugehörige Merchandising-Artikel unter den Weihnachtsbaum legen oder legen lassen.

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