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Bürgermeisterin Zehetner vor ihrem Schreibtisch

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So ist es als jüngste Bürgermeisterin Österreichs

In ganz Österreich gibt es nur zwei weibliche Bürgermeisterinnen unter 30. Nicole Zehetner ist die jüngste.

Von Savanka Schwarz

28 Regionalbusstationen westlich von Linz entfernt liegt Hofkirchen, ein 2.000 Einwohner*innendorf, das sich auf den ersten Blick wenig von anderen Ortschaften in der Region unterscheidet: Kirche und Friedhof, Volksschule und Spielplatz, Nah und Frisch. Auch das graue Gemeindeamt aus den 80er Jahren ist eher unscheinbar. Besonders ist allerdings, dass der dortige Chefsessel einer Frau vorbehalten ist, die in den 80ern noch nicht einmal auf der Welt war. Nicole Zehetner-Grasl ist 26 Jahre alt und seit etwas über einem Jahr Bürgermeisterin in Hofkirchen.

Junge Frau = doppelte Minderheit

Als junge Frau gehört sie somit zu einer doppelten Minderheit in der Regionalpolitik, denn 9 von 10 Bürgermeister*innen in Österreich sind Männer über 40. Nicole ist eine Quereinsteigerin, Halbzeit arbeitet sie auch jetzt noch als Personalentwicklerin.

Mit Politik hatte sie vor ihrem Amtsantritt eher wenig zu tun. Ihr Vater war im letzten Gemeinderat engagiert und als sie mitbekommen hat, dass nach einer Nachfolge für das Bürgermeisteramt gesucht wird, habe sie sich, wie sie es von ihrer Arbeit als Personalentwicklerin kenne, überlegt, welche Stärken man für diesen Beruf brauche. Da sie viele der laut ihr notwendigen Stärken wie Redegewandtheit und Kompromissbereitschaft vereine, schlug sie dann der ÖVP Hofkirchen vor, als Spitzenkandidatin für die nächsten Bürgermeister*innenwahl zu kandidieren.

Sie gewann die Stichwahl 2021 gegen den SPÖ-Oppositionskandidaten mit knapp 62 Prozent. Ihr junges Alter war anfangs vor allem für sie selbst eine Hürde, erzählt sie. Die anderen Gemeinderatspolitiker*innen hingegen sahen durchaus die Vorteile daran: Junge Leute abholen fiele ihr leichter, weil sie die Sprache und Probleme ihrer Generation verstehe. Momentan ist etwa ein öffentlicher Raum für die Dorfjugend in Planung.

Tempolimit 30 Straßenschild in Hofkirchen

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Wegziehen oder bleiben?

Während es viele Junge am Land kaum abwarten können, die Heimat einmal zu verlassen, stand für Nicole immer fest, dass sie in ihrer Region bleiben wolle. Fürs Studium zog sie ein paar Jahre weg, langfristig wäre das für sie aber keine Option gewesen. Die Anonymität, die man in größeren Städten hat, brauche sie nicht.

Ganz im Gegenteil: Nicole wird bei unserem Spaziergang durch den Ort pausenlos angesprochen. Ein Grüßen am Gartenzaun, hier, ein kleines Plauscherl über den neuen Spielplatz dort. Wenn sie mit der Familie unterwegs ist und nicht erkannt wird, dass sie gerade als ganz normale Bürgerin und nicht als Bürgermeisterin durch Hofkirchen geht, verweise sie auf ihre Bürgersprechstunden. Prinzipiell mag sie den vielen Kontakt, sonst wäre der Job gar nicht möglich, erklärt Nicole.

Christlich soziale Werte

Während viele Gleichaltrige sich in dieser Lebensphase beruflich als auch privat so viel offenlassen wollen wie möglich, betont Nicole wie wichtig Familie und Heimat für sie sind. Christlich soziale Werte eben. Und / oder konservativ? In solchen Kategorien möchte Nicole nicht denken. Prinzipiell versucht sie, keine vermeintlich starren Begrifflichkeiten zu verwenden. Sie sehe sich selbst auch nicht als Politikerin, sondern als Bürgermeisterin. Dass sie für die ÖVP kandidierte, habe sich daraus ergeben, dass sie sich mit dem Wertekompass der ÖVP am meisten identifizieren konnte.

Bild im Büro der jüngsten Bürgermeisterin Österreichs

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Dass das Bürgermeisteramt traditionell schwarz besetzt ist, habe dabei keine Rolle gespielt. Teil ihres Amtsverständnis sei es aber auch, nicht parteipolitisch zu agieren und den Dialog mit allen politischen Couleurs zu suchen. Im Übrigen merke sie auch, dass das gerade bei Jungen gut ankäme. Eine grundsätzliche Politikverdrossenheit bei jungen Leuten sehe sie nämlich nicht. Allerdings glaubt sie, dass ihre Generation keine Lust mehr auf Parteipolitik habe. Auch wegen der vielen politischen Skandale. Die Affären rundum Sebastian Kurz und Thomas Schmid möchte die ÖVP Bürgermeisterin nicht kommentieren.

Junge und Politik

In Österreich gibt es nur 17 Bürgermeister*innen, die 30 oder jünger sind. Oftmals fehle der Mut, sich politisch zu engagieren, auch weil es zu wenig junge Vorbildfiguren gebe, die eine erfolgreiche Kommunalpolitikkarriere vorleben, glaubt Nicole. Von einer Quote für Junge hält sie nichts. Der österreichische Gemeindebund organisierte dieses Jahr erstmals das „Jungbürgermeister*innentreffen“. Dort konnten sich junge Bürgermeister*innen aus Österreich und Deutschland über kommunalpolitische Gestaltung austauschen.

Besonders freut Nicole, dass sie bereits ein paar Frauen ermutigen konnte, sich im Gemeinderat zu engagieren. Sie habe das Gefühl, dass gerade Frauen viel überdenken, sich aber ruhig mehr zutrauen dürften. Was sich Nicole in Zukunft selbst politisch zutraut, weiß sie noch nicht genau. Angebote von der ÖVP gebe es jedenfalls. Vorerst aber möchte sie Bürgermeisterin bleiben.

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