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„Aftersun“ zelebriert Urlaubsnostalgie

Mit ihrem verträumten Debütspielfilm hat Charlotte Wells viele wichtige Filmfestivals erobert. Im FM4 Interview erzählt die junge Schottin über persönliche Erinnerungen als Inspiration.

Von Christian Fuchs

Flirrende Erinnerungsfragmente, zusammengehalten von einer vagen Rahmenhandlung: „Aftersun“ ist kein Film mit einer gewöhnlichen Dramaturgie. Die 31-Jährige Sophie findet ein Video aus ihrer Kindheit, gedreht bei einem Urlaub mit dem Vater. Schnell tauchen wir ein in eine vermeintlich idyllische Bilderwelt. Die Impressionen vom türkischen Mittelmeerstrand wirken sonnenverbrannt, verschmitzt, voller 90ies-Flair.

Aber es hängt auch ein Schleier von Melancholie über dem Film. Die Eltern sind getrennt, die Zukunft der 11-jährigen Sophie nach dem Urlaub scheint ungewiss. Die junge schottische Regisseurin Charlotte Willis hat in „Aftersun“ eigene Erlebnisse verarbeitet:

„Ich würde sagen, dass die Figuren im Film sicherlich von meiner eigenen Beziehung zu meinem Vater inspiriert wurden, und das ist die Grundlage, auf der die Erzählung aufgebaut wurde. Aber es ist eine fiktive Erzählung, die ein echtes Gefühl ausdrückt, so würde ich es wohl beschreiben.“

„Es begann, nachdem ich meinen allerersten Kurzfilm gedreht hatte, als Fortsetzung einiger der Themen, die ich in diesem ersten unerwarteten Abenteuer des Filmemachens erforscht hatte. Ungefähr zur gleichen Zeit begann ich, alte Urlaubsalben durchzugehen. Dabei fiel mir auf, wie jung mein Vater damals aussah, als ich selbst auf dieses Alter zuging, und daraus entwickelte sich etwas ziemlich Fiktives. Aber der Keim war dieser junge Vater und seine Tochter im Urlaub, die man für Geschwister halten kann, für Komplizen. Die Erinnerung selbst wurde in die Geschichte, die ich erzählte, eingewoben.“

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Die gute Chemie finden

Das Casting ist entscheidend bei diesem Film. Frankie Corio spielt das Kind extrem authentisch, der britische Serienstar Paul Mescal („Normal People“) verkörpert den innerlich zerrissenen Vater ziemlich perfekt.

„Ich denke, das Casting ist für alle Filme wichtig, um ehrlich zu sein“, sagt Charlotte Wells. „Aber ich wusste, dass dieser Film vor allem von den Darstellern und der Schaffung einer glaubwürdigen Bindung leben würde. Ich glaube, es gehört auch ein bisschen Glück dazu, zwei Leute zu finden, die eine gute Chemie haben. Das lässt sich schwer vorhersagen, selbst bei einem Treffen auf Zoom. Erst dann, wenn man wirklich etwas Zeit miteinander verbringt, erfährt, ob sich die beiden Menschen wirklich mögen. Ich bin sehr glücklich, dass das bei diesen beiden der Fall war.“

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Geduldsprobe oder berauschendes Erlebnis

Worauf man bei „Aftersun“ wie angedeutet vergeblich wartet: Sämtliche Strategien, die zum Unterhaltungskino gehören. Der Film mäandert dahin, lässt sich treiben, so wie seine Figuren, die ziellos durch die Urlaubstage driften. Man kann das langweilig finden oder faszinierend, jedenfalls wollte Charlotte Wells keinen klassischen Spielfilm liefern:

„Ich wollte einen Film machen, der nicht unbedingt der typischen Struktur entspricht. Da ich das Gefühl hatte, dass dieses Drehbuch aus Erinnerungen besteht und ich in etwas hineingeraten bin, das sich aus einer bestimmten Perspektive mit Erinnerungen auseinandersetzt, bin ich einer Struktur gefolgt, die sich zunächst eher instinktiv anfühlte.“

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„Aftersun“ hat keine konventionelle Handlung, beschreibt aber fühl- und fast greifbar eine Stimmung. Dass der Film in den sehr angesagten 90er Jahren angesiedelt ist, erklärt auch ein bisschen den derzeitigen Erfolg. Was für einen eine Geduldsprobe ist, könnte für andere zum berauschenden Erlebnis werden.

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